Bankvertragsrecht – Teil 11 – Vollmacht auf den Todesfall, Missbrauch der Verfügungs- und Vertretungsbefugnisse
2.3.4. Vollmacht auf den Todesfall
Die Vollmacht auf den Todesfall (auch „postmortale Vollmacht“) ist eine Vollmacht, die der Kontoinhaber zu Lebzeiten erklärt, die aber erst mit dem Tod des Kontoinhabers entstehen soll. Die Vollmacht steht also unter der aufschiebenden Bedingung des Ablebens des Vollmachtgebers und wird erst dann für den Bevollmächtigten nutzbar. Der Sinn einer solchen postmortalen Vollmacht ist z.B., dass der Bevollmächtigte nach dem Tod des Kontoinhabers das Konto verwalten kann, ohne die Erteilung eines Erbscheins o.Ä. abwarten zu müssen.
Eine postmortale Vollmacht gibt dem Bevollmächtigten natürlich nicht das Recht nach dem Ableben des Kontoinhabers nach freiem Belieben über das Kontoguthaben zu verfügen. Er darf nur Abhebungen oder Überweisungen tätigen, die im Sinne des Erblassers bzw. der Erbmasse sind, z.B. Überweisungen tätigen, um Verbindlichkeiten des Kontoinhabers zu erfüllen, die dieser vor seinem Tode noch wirksam eingegangen ist.
Die Erben können die postmortale Bankvollmacht grundsätzlich widerrufen, sodass die Vollmacht erlischt. Regelmäßig ist das aber erst dann möglich, wenn ein Erbschein erteilt wurde.
Beispiel
Herr Torf verstirbt Ende des Jahres 2015. Vor seinem Ableben hat er wirksam seiner Tochter Frau Schreiber eine Vollmacht auf den Todesfall erteilt, damit diese nach seinem Ableben über das Konto wirksam verfügen kann. Diese Vollmacht hat er auch der Bank ausgehändigt.
Direkt nach dem Tod von Herrn Torf weist Frau Schreiber die Bank an, eine Rechnung für Reparaturen an Herrn Torfs Haus zu bezahlen, die dieser noch vor seinem Tod hatte vornehmen lassen.
Die Überweisung der Hausreparatur-Rechnung ist wirksam, da Frau Schreiber Kontovollmacht hatte und die Überweisung der Erfüllung einer Verbindlichkeit Herrn Torfs diente. Das in die Erbmasse fallende Kontoguthaben ist somit wirksam geschmälert worden.
2.3.5. Missbrauch der Verfügungs- und Vertretungsbefugnisse
Die Kontovollmacht ermöglicht dem Bevollmächtigten grundsätzlich die wirksame Verfügung über das Kontoguthaben. Das bedeutet indes nicht, dass er auch zu jedweder Verfügung im Verhältnis zum Kontoinhaber berechtigt ist. Der Bevollmächtigte darf also nicht nach freiem Belieben über das Kontoguthaben verfügen, sondern ist gegenüber dem Kontoinhaber zum vertrauensvollen und in dessen Sinne erfolgenden Umgang verpflichtet.
Nutzt der Bevollmächtigte die Vollmacht in einer Weise, die den Interessen des Kontoinhabers zuwider läuft, spricht man von einem „Missbrauch der Vertretungsmacht“. Dies gilt insbesondere für solche Verfügungen, die der Bevollmächtigte nur zu seinen eigenen Gunsten vornimmt, etwa indem er sich selbst oder Angehörigen Geld überweist, und mit denen er dem Kontoinhaber zugleich wirtschaftlichen Schaden zufügt.
Missbraucht der Bevollmächtigte seine Vertretungsmacht, entstehen dem Kontoinhaber Schadensersatz- bzw. Rückforderungsansprüche gegenüber dem Bevollmächtigten.
Beispiel
Herr Voß hat für das Geschäftskonto der Food-GbR eine Kontovollmacht erteilt bekommen. Innerhalb von wenigen Monaten hat er sich auf sein Privatkonto und das Konto seiner Frau immer wieder kleinere Beträge überwiesen, insgesamt 5.000 EUR. Die Bank wusste von der missbräuchlichen Verwendung nichts.
Weil im Verhältnis zur Food-GbR Herr Voß zu diesen Überweisungen nicht berechtigt war, hat die Food-GbR einen Anspruch auf Rückzahlung gegen Herrn Voß und außerdem gegen Frau Voß in Höhe der Beträge, die sie erhalten hat.
Der Missbrauch von Kontovollmachten kann darüber hinaus Straftatbestände verwirklichen, denn der missbrauchende Bevollmächtigte kann sich z.B. wegen Untreue oder veruntreuender Unterschlagung strafbar machen. In diesem Fall droht ihm eine Geld- oder gar Freiheitsstrafe.
Im Verhältnis zur Bank hat der Kontoinhaber bei einem Missbrauch der Vollmacht grundsätzlich keine Ansprüche, denn der Kontoinhaber - und nicht die Bank - trägt das Risiko des Vollmachtmissbrauchs.
Etwas anderes gilt dann, wenn die Bank und der Bevollmächtigte einvernehmlich zusammenwirken um dem Kontoinhaber zu schaden (sog. Kollusion) oder wenn die Bank den Missbrauch erkannt hat, bzw. der Missbrauch so evident ist, dass die Bank ihn hätte erkennen müssen. In diesen Fällen sind die Verfügungen als unwirksam anzusehen, sodass die erfolgten Abbuchungen auf dem Konto von der Bank rückgängig zu machen sind. Der Kontoinhaber kann in diesen Fällen von der Bank sein verlorenes Geld zurückfordern.
Beispiel
Herr Voß besitzt Kontovollmacht für das Geschäftskonto der Food-GbR bei der E-Bank. Bei dem leichtgläubigen Bankmitarbeiter Herr Bauer nimmt er immer wieder Überweisungen vom Geschäftskonto der GbR auf sein Privatkonto vor. Das Privatkonto von Herrn Voß ist ebenfalls bei der E-Bank, der Bankmitarbeiter kennt dieses Konto.
Hier musste sich dem Bankmitarbeiter - zumindest ab der 3. oder 4. Überweisung - aufdrängen, dass Herr Voß Gelder missbräuchlich auf sein Privatkonto verschiebt, denn er wusste, dass es sich bei dem Empfängerkonto um das Privatkonto des Herrn Voß handelte.
Der Bankmitarbeiter hätte zumindest einmal bei Herrn Voß oder der Food-GbR nachfragen müssen, ob die Überweisungen ihre Richtigkeit haben. Weil er dies nicht getan hat, sind die Überweisungen als unwirksam anzusehen. Die Food-GbR kann daher von der Bank fordern, dass die Abbuchungen vom Geschäftskonto rückgängig gemacht werden. Ob die Bank von Herrn Voß das Geld dann wiederbekommt, fällt in das Risiko der Bank.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bankvertragsrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8.

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Dezember 2014