Der Handelsvertreter: Die Verschwiegenheitspflicht über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse während des Handelsvertretervertrages - Teil 2 – Ausnahmen der Verschwiegenheitspflicht
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Ausnahmen der Verschwiegenheitspflicht
Es gibt aber Ausnahmen, bei denen die Verschwiegenheitspflicht nicht besteht:
- Der Unternehmer handelt den Strafgesetzen zuwider;
Die Zuwiderhandlung des Unternehmers kann den Bruch der Verschwiegenheitspflicht unter bestimmten Voraussetzungen rechtfertigen;
Die Voraussetzungen im Einzelnen:
(a) Ausscheiden des Handelsvertreters;
(b) innerbetriebliche Missstände werden aufgedeckt, durch die die Öffentlichkeit betroffen ist; die Missstände sind ihrer Art nach von gewichtiger Natur.
(c) den Missständen kann durch betriebsinternes Vorgehen nicht erfolgreich abgeholfen werden ; - Offenkundige Tatsachen;
Die Offenkundigkeit ist gegeben, wenn ein beliebiger Dritter auf die Information zugreifen kann. - Allgemeine wirtschaftliche Vorgänge, die bekannt sind und z.B. in Fachliteratur nachgelesen werden können;
- Kunden- und Lieferantenadressen, wenn der Handelsvertreter die Namen bereits selbst mitgebracht hat ;
Beispiele für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
Der Verschwiegenheit bzw. Geheimhaltung unterliegen beispielsweise:
- Ausschreibungsunterlagen;
- Besondere technische Entwicklungen;
- Bestimmte Fertigungsverfahren;
- Betriebsintern aufgestellte Bilanzen;
- Betriebswirtschaftliche Auswertungen (Kalkulation, Bilanz);
- Bezugsquellen;
- Computerprogramme/Software;
- Handelsspannen;
- Inhalt der Handelsbücher;
- Kapitalflussrechnungen;
- Kundenlisten;
- Musterkollektionen;
- Patente;
- Preislisten;
- Produktmischungen;
- Reiseberichte;
- Rohstoffzusammensetzungen;
- Spezifische betriebliche Entwicklungen (Arbeitsmuster);
- Verfahren zur Be- und Verarbeitung von Waren;
- Vertriebsverfahren, Vertriebsstrategien und Vertriebswege;
- Vorschriften technischer Art;
- Warenprobeuntersuchungen;
- Zahlungsbedingungen ;
1.3. Verwertungsverbot des Handelsvertreters für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
Nach der Definition ist eine Verwertung „jede wirtschaftliche Ausnutzung des Geheimnisses für sich oder andere ohne Rücksicht auf den Beweggrund“.
Der Handelsvertreter darf die Geheimnisse wirtschaftlich nicht nutzen und darf sie nicht an den Kunden weitergeben.
Genauso wenig dürfen andere Personen von den Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen in Kenntnis gesetzt werden, die einen Nutzen daraus ziehen könnten. Außerdem ist es Sache des Handelsvertreters, dass ihm anvertraute Urkunden nicht in unbefugte Hände gelangen; er muss verhindern, dass Unterlagen kopiert oder gar gestohlen werden können.
1.4. Dauer und Umfang der Schweigepflicht bzgl. der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
1.4.1. Dauer der Schweigepflicht
Grundsätzlich dauert die Schweigepflicht unbegrenzte Zeit an. Die Verschwiegenheitspflicht gilt z.B. auch wenn der Handelsvertreter aus wichtigem Grund, aufgrund eines Vertragsverstoßes seitens des Unternehmers, kündigt.
Die Schweigepflicht endet beispielsweise, wenn aus einem früheren Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis aufgrund der technischen Fortentwicklung das bisherige Geheimnis zu einer offenkundigen Tatsache wird, die allgemein bekannt ist.
1.4.2. Umfang der Schweigepflicht
Die Schweigepflicht reicht weit über die betrieblichen Geheimnisse hinaus. Neben Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen trifft den Handelsvertreter auch eine Geheimhaltungspflicht hinsichtlich persönlicher Umstände oder Verhaltensweisen des Unternehmers. Zudem darf der Handelsvertreter keine persönlichen Umstände des Unternehmers bekannt machen, wenn der Unternehmer dadurch in der öffentlichen Meinung herabgesetzt wird.
1.5. Rechtsfolgen bei Verwertung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
Während der Dauer des Handelsvertretervertrages ist jede Weitergabe eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses ein Vertragsverstoß.
Verstößt der Handelsvertreter jetzt gegen die Verschwiegenheitspflicht, indem er z.B. Geschäftsgeheimnisse an Dritte weitergibt, ist der Unternehmer dem Handelsvertreter ggü. zur fristlosen Kündigung berechtigt.
Für die Kündigung spielen mehrere Faktoren eine Rolle:
- Welches Geschäftsgeheimnis betrifft die Pflichtverletzung des Handelsvertreters?
- Wem ggü. hat der Handelsvertreter die Pflichtverletzung begangen?
- Ist die Pflichtverletzung dazu geeignet, dass ein Schaden entsteht?
Die oben aufgeführten Fragen sollte ein Unternehmer, bevor er eine fristlose Kündigung ausspricht, unbedingt beachten!
Der Handelsvertreter ist dem Unternehmer in derartigen Fällen zum Schadensersatz verpflichtet.
Es kommt nicht darauf an, ob dem Unternehmer durch die Weitergabe eines Geschäftsgeheimnisses ein Schaden entstanden ist oder künftig ein Schaden zu befürchten ist. Entscheidend ist, dass meist das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter zerstört wird, dass eine andere Lösung kaum möglich sein wird.
Zur Verletzung der Geheimhaltungspflicht ist nicht erforderlich, dass der Handelsvertreter absichtlich seine Verschwiegenheitspflicht verletzt. Auch wenn er unabsichtlich ein Geheimnis des Unternehmers preisgibt, liegt eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht vor.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Handelsvertreter - Wettbewerbsverbote und Geheimhaltungspflichten" von Harald Brennecke und Kathrin Stipp, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de,ISBN 3-939384-03-8, ISBN ab 01.01.2007: 978-3-939384-03-8.
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Harald Brennecke
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Harald Brennecke ist seit Jahren im Vertriebsrecht, insbesondere in den Bereichen Handelsvertreterrecht, Franchiserecht und Vertragshändlerrecht tätig.
Er vertritt Unternehmen, Handelsvertreter und Vertragshändler bei der Gestaltung und Verhandlung von Handelsvertreterverträgen und Vertragshändlerverträgen. Er begleitet bei Auseinandersetzungen über Provisionen, Überhangsprovisionen oder Handelsvertreterausgleich für Handelsvertreter, Versicherungsvertreter oder Franchisenehmer. Er begleitet bei der Erstellung n Prüfung von Buchauszügen.
Er begleitet den Aufbau und die Konzeption von Franchisesystemen und Partnersystemen im Bereich Handel, Dienstleistung und Beratung. Er gestaltet und prüft Franchiseverträge und Masterfranchiseverträge. Er verhandelt für Parteien von Franchisesystemen im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit und vertritt bei Verletzungen der Verpflichtungen von Franchisegebern und Franchisenehmern.
Rechtsanwalt Brennecke vertritt weiterhin bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten und Geschäftsgeheimnissen. Er ist besonders spezialisiert auf zivilrechtliche wie strafrechtliche Verfahren in Bezug auf unzulässige Verwendung von Kundendaten und anderen Geschäftsgeheimnissen (17 UWG).
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat mehrere Bücher im Bereich Vertriebsrecht veröffentlicht, so
- "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
- "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
- "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
- "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Vertriebsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:
- Provision des Handelsvertreters
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- Der Aufbau von Franchisesystemen
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- Grundlagen der Franchise – wie Franchisenehmer gute Franchisesysteme erkennen
- Schuldübernahme des vorhergehenden Franchisenehmers nach 25 HGB als Risiko bei der Fortführung Franchisestandorte durch neue Franchisenehmer
- Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
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