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Der Schutz traditioneller Datenbanken


Herausgeber / Autor(-en):
Marina Bitmann



Schon die Überschrift wirft Fragen auf.

Was ist eine traditionelle Datenbank?

Unter dem Begriff einer Datenbank wird gemeinhin eine Sammlung von Informationen verstanden, die meist elektronisch abrufbar sind. So kommt jedem bei dem Begriff Datenbank gleich die Telefonbuch CD-Rom in den Sinn, die im heimischen Rechner im CD-Laufwerk schlummert. Datenbanken sind sicherlich auch die Jobangebote im Berufsinformationszentrum des ortsansässigen Arbeitsamtes.
Falsch ist diese Einschätzung nicht.
Aber wer hätte gedacht, dass es sich bei der Sammlung der Gedichte Goethes nach den Stationen seiner Italienreise auch um eine Datenbank handeln könnte. Ist dann auch als altbekannte und bewährte Telefonbuch eine Datenbank? Hat jeder, der das Streckenverzeichnis der Baden-Baden Linie zu Hause hat, eine Datenbank der Stadtwerk im Besitz?

Der Begriff der Datenbank ist im Urheberrecht in § 4 definiert.
Voraussetzung nach § 4 Abs. 1 UrhG ist, dass die Daten aufgrund ihrer Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind. Ist aber die Anordnung der Telefonnummern im Telefonbuch von T-Com Ausdruck eine persönlichen geistigen Schöpfung? Sicherlich nicht. Die Anordnung orientiert sich an gängigen Ordnungskriterien. Durch die vorausgesetzte Individualität unterscheidet sich das urheberrechtlich geschützte Werk von der nicht geschützten Masse der täglichen, der rein handwerklichen, routinemäßigen Leistung. Eine Auswahl oder Anordnung, die jeder so vornehmen würde, begründet kein individuelles Schaffen. Ergibt sich die Auswahl oder Anordnung aus der Natur der Sache oder ist sie durch Zweckmäßigkeit oder Logik vorgegeben, so ist kein Raum für individuelles Schaffen (Schricker/Löwenstein, UrhG 2. Auflage § 4 Rn. 9).
Die Idee, Goethes Gedichte nach den Stationen seiner Reise zu ordnen, ist sehr originell. Der Ersteller hat sich bei der Zusammenstellung der Gedichte intensiv Gedanken darüber gemacht, nach welchen Kriterien die Gedichte geordnet werden können, so dass aus der Zusammenstellung ein gewisses System erkennbar ist. Diese Leistung ist kein routinemäßiges Zusammenstellen, sondern Ausdruck eines individuellen Schaffens. Bei einem Nachschlagewerk, wie die vorliegenden Gedichte Goethes, ergibt sich die Schutzfähigkeit aus der Art und Weise, in der das vorhandene (gemeinfreie) Material ausgewählt, eingeteilt und angeordnet worden ist (BGH Urteil vom 6.5.1999 – I ZR 199/96 (Frankfurt a M)). Somit ist die Zusammenstellung der Goethegedichte eine Datenbank. Bei Datenbankwerken nach § 4 UrhG ist anerkannt, dass nicht der Inhalt, sondern nur die Auswahl und Anordnung geschützt sind. Die Gedichte selbst sind nicht vom urheberrechtlichen Schutz umfasst.
Aber ist das Telefonbuch dann nicht geschützt?

Werke, die die Voraussetzungen des § 4 UrhG nicht erfüllen, werden gleichwohl Leistungsschutzrechte zuteil, wenn eine wirtschaftliche Investition des Herstellers zur Datenerhebung erforderlich ist (§ 87a UrhG).

Dieser Datenbankschutz ist eine Umsetzung der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates von 11. März 2003 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. Eine Datenbank nach § 87a UrhG ist eine Sammlung von Daten, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf anderer Weise zugänglich gemacht sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art um Umfang wesentliche Investition erfordert. Die Daten müssen einzeln zugänglich sein.
Es reicht hierfür bei nicht elektronischen Datenbanken aus, dass ihrer typischen Anordnung es erlaubt, die einzelnen Daten auf einfachste Weise zu finden (Schricker/Loewenstein § 87a UrhG Rn. 7).
In einem Telefonbuch lassen sie die Einträge einfach durch die alphabethische Anordnung finden. Dies reicht für das Merkmal der Einzelzugänglichkeit aus. (BGH Urteil vom 6.5.1999 – I ZR 199/96 (Frankfurt a M)) Ebenso sind erhebliche Investitionen erforderlich um ein Telefonbuch zu errichten. So ist nicht nur der Druck der Telefonbücher kostenintensiv. Auch das Sammeln der Telefonnummern und Teilnehmerdaten erfordert umfangreiche logistische Einrichtungen, deren Aufbau und Erhalt erhebliche Investitionen erfordern (BGH Urteil vom 6.5.1999 – I ZR 199/96 (Frankfurt a M)).
Somit genießt auch das Telefonbuch als traditionelle Datenbank urheberrechtlichen Schutz.

Die Rechte des Datenbankherstellers bestimmen sich nach § 87b UrhG. Der Datenbankhersteller hat nach § 87b Abs.1 Satz 1 UrhG das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.
§ 87b UrhG ist hierbei richtlinienkonform nach der EU-Datenbankrichtlinie auszulegen. Vervielfältig bedeutet nach Art 7 Abs. 2 a der Richtlinie – der Richtlinientext spricht von „Entnahme“ – die ständige oder vorübergehende Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts einer Datenbank auf einen anderen Datenträger, ungeachtet der dafür verwendeten Mittel und der Form. Weiterverwenden der Daten bedeutet nach Art 7 Abs. 2 b der Richtlinie jede Form öffentlicher Verfügbarmachung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts der Datenbank durch die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken, durch Vermietung, durch Online-Übermittlung oder durch andere Formen der Übermittlung.

Bei einer Verletzung der Rechte des Datenbankherstellers aus § 87b UrhG bestimmt sich die Rechtsfolge nach § 97 UrhG. Der Datenbankhersteller kann vom Verletzer Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr Unterlassung und bei Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit Schadensersatz verlangen.
Nach § 97 UrhG kann der Datenbankhersteller Beseitigung der Verletzung verlangen.

Ebenso ist bei Wiederholungsgefahr ein Unterlassungsanspruch nach § 97 UrhG gegeben. An die Voraussetzungen einer Wiederholungsgefahr sind keine besonders hohen Anforderungen zu stellen (BGH Urteil vom 6.5.1999 – I ZR 199/96 (Frankfurt a M)). So reicht die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr aus, wenn der Inanspruchgenommene bereits rechtswidrig in das geschützte Recht eingegriffen hat.
Die Wiederholungsgefahr für ein urheberrechtswidriges Verhalten wird nach einem bereits erfolgten Verstoß vermutet. Diese Vermutung kann zwar widerlegt werden. An ihre Widerlegung werden aber hohe Anforderungen gestellt. Das fehlende Interesse an einer Wiederholung oder ihre aufgrund einer Änderung der tatsächlichen Umstände geringere Wahrscheinlichkeit allein schließen sie nicht aus (MüKo Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Rn. 179). Sie ist allerdings ausgeschlossen bei einer durch Vertragsstrafeversprechen ausreichend gesicherten Unterlassungserklärung.

Schließlich kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht, wenn der Verletzer schuldhaft die Rechte des Datenbankherstellers aus § 87 b UrhG verletzt hat.
Schuldhaftes Handeln ist bei Vorsatz und Fahrlässigkeit gegeben. Bei einem bewussten Eingriff in die Datenbankherstellerrechte wird man wohl immer ein schuldhaftes Verhalten des Verletzers annehmen können.

Die Berechnung der Höhe des Schadensersatzanspruchs kann nach allgemein gebilligter Rechtsprechung sowohl konkret als auch abstrakt nach dem sogenannten Verletzergewinn oder nach einer angemessenen Lizenzgebühr (sog. Lizenzanalogie – z. B. BGH GRUR 77, 539) erfolgen. Wie gezeigt kommt auch der traditionellen Datenbank „Telefonbuch“ ein umfangreicher urheberrechtlicher Schutz zu.
Weitere mögliche Anspruchsgrundlagen sind § 1 UWG in Verbindung mit den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, sowie § 826 BGB, sofern eine Nachahmung vorliegt, sowie Rechte aus § 823 Abs. 2 BGB. Eine Darstellung dieser weiteren Anspruchsgrundlagen würde hier jedoch jeden Rahmen sprengen und muss daher unterbleiben.



Herausgeber / Autor(-en):
Marina Bitmann



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Stand: 12/03


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Harald Brennecke hat veröffentlicht:

  • "Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht,  2010, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-08-3
  • "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
  • "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0
  • "Markenrecht - eine Einführung Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung ", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-22-9

Harald Brennecke ist Dozent für Lizenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet im Bereich des Lizenzrechts folgende Vorträge an:

  • Der Gebrauchtsoftwarekauf
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