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Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 06 – Die vier Kriterien der Rechtsprechung für die Aufklärungspflichtt


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


2.2.1.1. Wahrheit

Die Aufklärung des Beraters muss der Wahrheit entsprechen. Jede Irreführung des Anlegers muss vermieden werden.
Es darf gerade durch unvollständige und unrichtige Angaben kein Vertrauen geschaffen werden, das geeignet ist, bestehenden Bedenken des Anlegers aufgrund unrichtiger Tatsachen zu zerstreuen.

Beispiel

Herr Anders lässt sich von seiner Bank hinsichtlich geschlossener Immobilienfonds beraten. Der Bankberater gibt an, dass Herr Anders seine Anteile jederzeit veräußern kann.
Diese Information ist falsch, so dass der Bankberater seine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aufklärung verletzt.

Beurteilungen müssen plausibel und glaubhaft und Prognosen schlüssig sein, um der Wahrheitspflicht zu entsprechen.

Nicht erforderlich ist, dass jede im Ergebnis noch so unwichtige Angabe der Richtigkeit entspricht. Es reicht aus, wenn das vermittelte Gesamtbild im Rahmen der Vertragsverhandlungen der Wahrheit entspricht.

2.2.1.2. Klarheit

Der Anleger muss in einer für ihn nachvollziehbaren und verständlichen Weise über die für ihn bedeutsamen Umstände aufgeklärt und beraten werden.

Der Berater muss demnach auf den jeweils individuellen Vertragspartner, insbesondere hinsichtlich seiner Kenntnisse, Vorbildung und Auffassungsgabe, Rücksicht nehmen.

Beispiel

Herr Willi, Rechtsanwalt und Geschäftsführer einer GmbH, lässt sich von seiner Bank hinsichtlich geschlossener Immobilienfonds beraten.
Der Bankberater gibt an, dass eine jederzeitige Veräußerung der Anteile ja langweilig wäre.
Er geht davon aus, dass Herr Willi als Rechtsanwalt und Geschäftsführer erkennen müsste, dass er damit zum Ausdruck bringen wollte, dass Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds nicht jederzeit veräußerlich sind.
Der Umstand, dass es sich bei Herrn Willi um einen Rechtsanwalt handelt, berechtigt den Bankberater nicht, auf klare Hinweise zu verzichten. Der Bankberater hat seine Aufklärungspflicht verletzt.

2.2.1.3. Vollständigkeit

Die Aufklärung des Anlegers muss vollständig sein. Das heißt, sie muss alle Umstände umfassen, die für den Kaufentschluss des Anlegers erkennbar von wesentlicher Bedeutung sein können.

Es müssen alle wesentlichen Umstände mitgeteilt werden, unabhängig davon, ob es sich um günstige oder ungünstige Umstände handelt. Dem Anleger dürfen keine Informationen vorenthalten werden.

Der Berater darf seinen Wissens- und Erfahrungsvorsprung nicht auf Kosten eines anderen ausnutzen, der in dieser Art von Geschäften nicht in gleichem Maße bewandert ist.

Dies gilt vor allem dann, wenn der Berater den Anlegers von sich aus auf bestimmte Anlageprodukte aufmerksam macht. Auf die sich aus diesem Anlageprodukt ergebenden Risiken muss unaufgefordert hingewiesen werden.

Beispiel

Die Karlsruher Bank vermittelt amerikanische Billigaktien (Penny Stocks), die - als spekulative Anlageform - insbesondere der Finanzierung junger Unternehmen dienen.
Frau Mutig wird in dem Beratungsgespräch nicht darüber informiert, dass im Gegensatz zu normalen Aktien bei Penny Stocks besondere Risiken bestehen. Der Vermittler verletzt dadurch seine Pflicht zur vollständigen Aufklärung.

Beispiel

Herr Frei wird vom Anlageberater Herr Zimmer bei der X-AG beraten. Der Anlageberater empfiehlt Herrn Frei den Erwerb von Aktien an der W-AG. Dabei verschweigt Herr Zimmer den Umstand, dass es sich bei der W-AG um eine Tochtergesellschaft der X-AG handelt. Hier hätte der Berater über die Verflechtung der Gesellschaften aufklären müssen, weil zu befürchten steht, dass die X-AG und damit auch der Berater nicht nur die Interessen von Herrn Frei sondern insbesondere die der W-AG im Sinn hat.

2.2.1.4. Richtigstellung

Geht der Anleger von falschen Umständen aus, so muss dies durch den Berater richtig gestellt werden.

Beispiel

Die Baden Bank bietet Kommanditbeteiligungen als steuerbegünstigte Kapitalanlagen an und vertreibt diese.
Herr Karl interessiert sich für eine solche Kommanditbeteiligung. Er geht davon aus, dass er diese, wie die bisher von ihm erworbenen Anteile, nach zwei Jahren zu 85 % ihres Nominalwertes verkaufen kann und äußert dies so gegenüber dem Bankberater der Baden-Bank.
Dies ist allerdings nicht der Fall, was der Bankberater der Baden-Bank weiß. Er stellt diesen Umstand gegenüber Herrn Karl jedoch nicht richtig.
Herr Karl wäre darüber aufzuklären gewesen, dass er nicht darauf vertrauen konnte, seine Anteile jederzeit wieder kurzfristig verkaufen zu können.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.


 

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
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Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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