Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 05 – Die Aufklärungspflichten
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
2.2. Die Aufklärungspflichten
2.2.1. Grundsatz
Anlageberater sind verpflichtet, im Rahmen einer Beratung unaufgefordert die entscheidungsrelevanten Umstände richtig darzulegen.
Beispiel
Herr Lang von der Frankfurt Bank empfiehlt Herrn Schnell, einem hochspekulativen Anleger, Anteile an dem Lass-dich-überraschen-Swap, bei dem ein Totalverlust droht.
Das Risiko eines Totalverlustes ist ein wesentlicher Umstand der Anlage. Herr Lang muss darauf hinweisen, auch wenn Herr Schnell nicht danach fragt und an riskanten Anlagen interessiert ist.
Beispiel
Herrn Roth wird von seiner Bank eine Anlage über 100.000 € empfohlen. Dabei soll Herr Roth Kommanditist der Schiff und Meer GmbH & Co. KG werden, die im Schiffshandel tätig ist. Auszahlungen der Schiff und Meer GmbH & Co. KG an Herrn Roth können wegen handelsrechtlicher Regelungen in Höhe von 10 % des Anlagebetrages von Herrn Roth zurückgefordert werden.
Herr Roth wird von seiner Bank nicht darüber aufgeklärt, dass eine solche beschränkte Kommanditistenhaftung in Höhe von 10.000 € besteht.
Diese Information ist jedoch wesentlich, weil die Rückforderung von bereits ausgezahlten Geldern die Rendite verändert. Ohne diese Information kann Herr Roth die zu erwartende Rendite nicht angemessen beurteilen.
Die Aufklärung ist damit fehlerhaft und Herr Roth kann von seiner Bank Schadensersatz verlangen.
Die Bank muss dem Kunden rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen geben, damit dieser die Art und die Risiken des Wertpapiers beurteilen und auf der Grundlage dieser Information seine Entscheidung treffen kann.
Die Bank darf dem Kunden diese Informationen in standardisierter Form zur Verfügung zu stellen, also zum Beispiel in Form von Prospekten. Die Übergabe des Prospektes muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Anleger vor seiner Anlageentscheidung Kenntnis vom Inhalt des Prospekts nehmen kann. Zwei Wochen sind normalerweise ausreichend.
Beispiel
Herr Sören ist Handwerker. Er möchte sich bei seiner Bank beraten lassen, wie er 16.000 € aus einem Gewinn bei „Wer wird Millionär“ am besten anlegen kann. Er macht einen Termin bei seiner Bank am 05.07.2015 aus. Seine Bank schickt ihm daraufhin ein 50-seitiges Prospekt zu einer Fondsanlage. Dieses Prospekt erreicht Herrn Sören am 04.07.2015.
Am 05.07.2015 wird Herr Sören nicht mehr beraten, sondern nur noch gefragt, ob er die in dem Prospekt vorgestellte Fondsanlage abschließen möchte.
Wenn Herr Sören die Fondsanlage abschließt, kann er seine Bank im Falle eines Schadens in Anspruch nehmen. Ein Tag ist nicht ausreichend, um ein 50-seitiges Prospekt zu lesen. Die Bank hat hier ihre Aufklärungspflicht verletzt und ist schadensersatzpflichtig.
Wie und worüber aufzuklären ist, ist einerseits abhängig vom Kunden und seiner Aufklärungsbedürftigkeit, vom Anlageobjekt und seinen spezifischen Risiken und andererseits vom Beratenden (siehe z.B. 2.2.4.2. Banken und unabhängige Berater) und von den Umständen der Geschäftsanbahnung.
In der Rechtsprechung haben sich vier Kriterien entwickelt, an denen sich die Aufklärungspflicht messen lassen kann. Das sind die Grundsätze der Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit und Richtigstellung.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2015