Rechtsprechung zu Unternehmensregelungen
Im Vorhinein ist festzuhalten, dass sich die Rechtsprechung mit Ethikregeln in Deutschland bislang erst wenig befassen musste. Dies wird sich im Zuge des AGG sicherlich ändern.
Besonders zu prüfen ist, inwieweit bei der Aufstellung von Unternehmensregeln auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates Rücksicht zu nehmen ist.
Die nachfolgenden Beispiele sollen Ihnen einen Eindruck über die bisherige Rechtssprechung geben und helfen bei der Erstellung von Unternehmensrichtlinien.
1. Arbeitgeber soll sich nach Verhaltenskodex richten
Gibt der Arbeitgeber den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern auf oder empfiehlt ihnen, sich nach einem von ihm erstellten Verhaltenskodex zu richten, so muss jeder einzelne Abschnitt des Verhaltenskodex auf sein Mitbestimmungsrecht hin überprüft werden.
Dem Betriebsrat steht gemäß § 87 Absatz 1 Nummer 1 BetrVG in Ordnungsfragen des Unternehmens und dem Verhalten der Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht zu. Mitbestimmungsfrei sind lediglich Maßnahmen, die das Arbeitsverhalten an sich regeln sollen wie zum Beispiel Bestimmungen des Arbeitgebers von auszuführenden Arbeiten.
Die Unternehmensregeln sind daher auf die Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Arbeitnehmers hin zu überprüfen.
2. Whistleblowing (Verpfeifen, Verraten von Mitarbeitern)
Das Betreiben einer anonymen Telefonhotline, bei der Arbeitnehmer Verstöße von Kollegen gegen den Verhaltenskodex melden (Whistleblwoung) sollen, ist als technische Überwachungseinrichtung nach § 87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
3. Annahme von Geschenken durch Dritte
Die Unternehmensregelung, dass Arbeitnehmer von Lieferanten keine Geschenke und Zuwendungen entgegennehmen dürfen, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Absatz 1 Nummer 1, welches auch die Frage umfasst, ob auch die gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenke wie zum Beispiel Kugelschreiber, einfache Kalender, Feuerzeuge etc. von diesem Verbot erfasst werden und wie sich der Arbeitnehmer in solchen Situationen verhalten soll.
4. Belästigung von Mitarbeiter
Richtlinien die die Belästigung von Mitarbeitern regeln, sind mitbestimmungspflichtig. Darüber hinaus ist der Betriebsrat einzubeziehen, wenn im Unternehmen verpflichtend präventive Maßnahmen (Schulungen) eingeführt werden sollen. Lediglich allgemeine Feststellungen des Arbeitgebers, dass im Unternehmen ausnahmslos keine Gewalt ausgeübt oder angedroht werden darf, ist als „Selbstverständlichkeit“ zustimmungsfrei.
5. Formular zum Nachweis von Ethikregeln
Das Bundesarbeitsgericht hielt bereits die Einführung eines Formulars zum Nachweis der Einhaltung der Ethikregeln für mitbestimmungspflichtig.
6. Verbot von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz
Das Ordnungsverhalten im Betrieb ist durch eine Unternehmensregelung betroffen, wonach es Arbeitnehmern untersagt ist mit jemandem auszugehen oder in eine Liebesbeziehung zu treten. Gemäß § 87 Absatz 1 Nummer 1 ist eine solche Verordnung, wenn der betreffende Arbeitnehmer dadurch die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen kann oder die Mitarbeiter ihre gegenseitigen Arbeitsbedingungen beeinflussen können, mitbestimmungspflichtig (AG Wuppertal).
Das LAG Düsseldorf hat in diesem Zusammenhang noch weitergehend entschieden, dass die Unternehmensregelung, welche verbietet, dass Liebesbeziehungen zwischen Mitarbeitern, die Einfluss auf die Arbeitsbedingungen des jeweils anderen nehmen können oder deren Arbeitsbedingungen von der anderen Person beeinflusst werden können, gegen das Grundgesetz (Artikel 1: Menschenwürde, Artikel 2: Handlungsfreiheit) verstoßen und daher eine solche Unternehmensregelung unwirksam ist.
7. Unbestimmtheit von Unternehmensregeln
Regelungen in einem Verhaltenskodex sind nicht mitbestimmungspflichtig, soweit sie wegen ihrer Unbestimmtheit keine konkreten Verhaltenspflichten an die Arbeitnehmer statuieren.
8. Abgabe von Pressemitteilungen
Der Gesamtbetriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht bei Unternehmensregelungen, die den Mitarbeiter anweisen, dass dieser ohne die Zustimmung des Arbeitgebers keine Pressemitteilungen abgeben darf.
9. Einblick in Personal- und Krankenakte
Es dürfen nur berechtigte Personen Einblick in die Personal- und Krankenakte nehmen. Der Gesamtbetriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Entscheidung, wer als berechtigt bestimmt wird Einblick in die Akten zu nehmen.
10. Erwerb und Besitz von Aktien
Eine Unternehmensregelung über den Erwerb und Besitz von Aktien durch Arbeitnehmer beeinflusst nicht die Ordnung des Unternehmens oder das Verhalten der Arbeitnehmer gemäß § 87 Absatz 1 Nummer 1 BetrVG. Demnach kann der Betriebsrat keinen Unterlassungsanspruch bei einer Verletzung der Grundsätze des § 75 BetrVG herleiten und ist daher nicht mitbestimmungspflichtig.
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Stand: 01.11.2006
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