Steuerberaterhaftung – Teil 08 – Besondere Pflichten aus dem Steuerberatervertrag
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
3.2.2 Besondere Pflichten aus dem Steuerberatervertrag
Die besonderen Pflichten des Steuerberatervertrags ergeben sich aus dem Auftrag des Mandanten. Dementsprechend werden die Pflichten durch das Vertragsverhältnis konkretisiert und können je nach Mandat unterschiedlich sein.
3.2.2.1 Bilanzerstellung
Die Bilanz bildet eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Übersicht der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens ab. Zur Bilanzerstellung sind alle Kaufleute (§§ 1 ff. HGB) oder die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft verpflichtet (§ 242 ggf. i. V. m. §§ 264 Abs. 1, 264a HGB). Die Erstellung erfolgt nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung (§ 243 Abs. 1 HGB). Kaufleute können die Erstellung ihrer Bilanz auf einen Steuerberater übertragen. Der Auftrag umfasst immer die Entwicklung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung aus der Buchführung des Mandanten. Auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Mandanten kann der Steuerberater vertrauen, soweit kein Anlass zu Zweifeln besteht.(Fußnote)
Der Auftrag zur Erstellung einer Bilanz kann von unterschiedlichem Umfang sein. Unterschieden werden muss zwischen drei Auftragsarten.(Fußnote)
- Bilanzerstellung ohne Beurteilungen: Die Bilanz wird aus den vorgelegten Belegen, Büchern und Bestandsnachweisen unter Berücksichtigung der erteilten Auskünfte des Mandanten erstellt. Der Steuerberater ist weder zur Prüfung der Plausibilität noch der Ordnungsmäßigkeit verpflichtet. Für deren Mängel haftet der Steuerberater nicht.
- Bilanzerstellung mit Plausibilitätskontrolle: Neben der Erstellungstätigkeit werden die vorgelegten Belege, Bücher und Bestandsnachweise durch Befragungen und analytische Beurteilungen auf ihre Plausibilität hin beurteilt, um mit einer gewissen Sicherheit auszuschließen, dass diese nicht ordnungsgemäß sind, z.B. Beurteilung von Zahlenverhältnissen, von Befragungsergebnissen und von Einzelsachverhalten.
- Bilanzerstellung mit umfassender Beurteilung: Neben der Erstellungstätigkeit erfolgt eine umfassende Beurteilung von der Ordnungsmäßigkeit der dem Steuerberater vorgelegten Belege, Bücher und Bestandsnachweise. Von der Ordnungsmäßigkeit muss er überzeugt sein, z.B. Beobachtung der Bestandsaufnahme, Einholung von Saldenbestätigungen, Risikoeinschätzung von Verlusten.
3.2.2.2 Steuererklärung
Wird der Steuerberater zur Erstellung einer Steuererklärung beauftragt, muss er auf der Grundlage der ihm eingereichten Unterlagen eine Steuererklärung anfertigen. Auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Unterlagen kann er vertrauen.(Fußnote) Auf erkennbare Mängel muss der Mandant hingewiesen werden.
Die Pflicht des Steuerberaters besteht in der
- Prüfung der verwirklichten Steuertatbestände,
- Berücksichtigung steuerlicher Begünstigungstatbestände und
- rechtzeitigen Stellung notwendiger Anträge.
Grundsätzlich muss der Steuerberater die Steuerschuld des Mandanten möglichst gering halten. Seine Verpflichtung bezieht sich dabei auf das jeweilige Veranlagungsjahr und nicht prognostisch auf künftige Veranlagungen.(Fußnote)
3.2.2.3 Buchführung
Wird der Steuerberater zur Buchführung beauftragt, muss er dem Mandanten eine ordnungsgemäße und abschlussreife Buchführung (vgl. § 158 AO) erstellen. Der Mandant hat die Pflicht, ordnungsgemäße Grundaufzeichnungen zu erstellen und diese dem Steuerberater zugänglich zu machen.
Hierzu gehört die Führung eines
- Kassenbuchs,
- Wareneingangsbuchs und
- Rechnungsausgangsbuchs.(Fußnote)
Der Steuerberater muss anschließend prüfen, ob jeder von ihm durchgeführte Buchungsauftrag durch einen entsprechenden Beleg gedeckt ist (Belegprinzip, vgl. § 238 Abs. 1 S. 2 HGB) und die entsprechenden Geschäftsvorfälle verbuchen. Entdeckt der Steuerberater Unstimmigkeiten zwischen dem Geldbetrag auf der angegebenen Rechnung und dem Zahlungseingang, hat er diese aufzuklären. Er darf nicht einfach eine Korrekturbuchung vornehmen.
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B haben einen Steuerberatervertrag über die Erstellung der Buchhaltung abgeschlossen. A hat dem Unternehmen C eine Rechnung über 1.500,- € gestellt. Auf dem Konto des A sind allerdings nur 1.000,- € von C eingegangen.
- B muss in diesem Fall A kontaktieren und auf die Differenz von 500,- € hinweisen. Aufklären muss er, wodurch die Differenz entstanden ist. Ohne Aufklärung darf B keine Korrekturbuchung von 500,- € vornehmen.
3.2.2.4 Beratung
Der Beratungsauftrag verpflichtet den Steuerberater zu einer allgemeinen und umfassenden Beratung, Belehrung und Hilfeleistung.(Fußnote) Er steht oft in Zusammenhang mit z.B. einem Auftrag zur Bilanzerstellung, einer Steuererklärung oder einer Buchführung. Die Beratung soll dazu dienen, dass der Mandant eine eigene Entscheidung treffen kann.(Fußnote) Insbesondere muss der Steuerberater auf das mit der Beurteilung der Rechtslage verbundene Risiko hinweisen.(Fußnote)
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B haben einen allgemeinen Beratungsvertrag geschlossen. Es stellt sich die Frage, ob A einen Finanzgerichtsprozess führen soll und dementsprechend gegen den Steuerbescheid des zuständigen Finanzamtes Rechtsmittel einlegen soll. B rät A zu dem Prozess und teilt A mit, dass er die Erfolgsaussichten für gut halte. Die Klage wird verloren.
- B ist als Steuerberater verpflichtet, seinen Mandanten sowohl über den Erfolg als auch den Misserfolg zu belehren. Dies kann er nur, wenn er im Hinblick auf das Klageziel prüft, ob der Sachvortrag des A bewiesen werden kann. Bevor B die Entscheidung des A über die Einlegung eines Rechtsmittels einholen kann, muss er diesen über die Risiken eines Prozessverlustes aufklären. Die Aufklärung ist unterblieben, sodass B seine Beratungspflichten verletzt hat.
Der Steuerberater hat eigene Ermittlungs- und Hinweispflichten auf solche Umstände, die vom Mandanten nicht bedacht wurden.(Fußnote) Der Steuerberater hat den Mandanten ungefragt über auftauchende Fragen zu belehren.(Fußnote) Grund dafür ist, dass der Mandant in der Regel deshalb einen Steuerberater aufsucht, weil er selbst kein Fachmann auf dem Gebiet des Steuerrechts ist. Dabei genügt es nicht, wenn der Steuerberater allgemeine Merkblätter verschickt.(Fußnote) Der Umfang ergibt sich im Einzelnen aus dem Steuerberatervertrag.
Beispiel
Mandant A beauftragt Steuerberater B mit der Beratung bei der Umstrukturierung seines Unternehmens. Die Umstrukturierung soll möglichst steuergünstig erfolgen. A und B sprechen über die private Steuererklärung des A. B fällt auf, dass A wesentlich mehr Werbungskosten absetzen und dadurch seine Steuerlast mindern könnte. Hierauf weist er A nicht hin.
- A und B haben einen Steuerberatervertrag über die Beratung bei der Umstrukturierung des Unternehmens des A und nicht hinsichtlich der privaten Einkommensteuererklärung geschlossen. Bei dem Beratungsauftrag handelt es sich dementsprechend um einen Einzelauftrag. B hat nicht die Pflicht, A auf die Möglichkeit einer privaten Steuerersparnis hinzuweisen.
Möchte der Mandant im Rahmen eines Einzelauftrags über Dinge beraten werden, die nicht von seinem Auftrag umfasst sind, muss er dies erkennbar machen. Ein Tätigwerden des Steuerberaters außerhalb der Grenzen des Auftrags kann nicht erwartet werden.(Fußnote)
Erkennt der Steuerberater später, dass er eine unrichtige Beratung vorgenommen hat, ist diese richtig zu stellen.(Fußnote)
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.

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Carola Ritterbach
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Stand: Januar 2016