Steuerberaterhaftung – Teil 10 – Pflichtverletzung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
4 Haftungsvoraussetzungen
Die Haftungsvoraussetzungen ergeben sich beim Steuerberater-Dienstvertrag aus den §§ 280 ff. BGB und beim Steuerberater-Werkvertrag aus den §§ 631 ff i. V. m. §§ 280 ff. BGB. Die Voraussetzungen sind dabei bis auf wenige Ausnahmen gleich.
4.1 Pflichtverletzung
Voraussetzung für einen vertraglichen Haftungsanspruch ist das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung. Zur Bestimmung der Pflichtverletzung muss das tatsächliche Verhalten des Steuerberaters dem vom Steuerberater verlangten Verhalten(Fußnote) gegenübergestellt werden. Entspricht das tatsächliche Verhalten nicht den Anforderungen, die der Mandant allgemein von einem gewissenhaften und sorgfältig arbeitenden Berater hätte erwarten dürfen, hat der Steuerberater seine Pflichten verletzt.(Fußnote)
4.1.1 Arten der Pflichtverletzung
Seine Pflichten kann der Steuerberater auf unterschiedliche Arten verletzen. Hierdurch bestimmt sich insbesondere die Rechtsgrundlage des Haftungsanspruchs.
4.1.1.1 Nicht- oder Schlechterfüllung
Nichterfüllung heißt, dass der Steuerberater seinen Vertrag überhaupt nicht erfüllt hat.
Beispiel
Mandant A hat Steuerberater B mit der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung beauftragt. Bevor B die Steuererklärung erstellt, beendet er seine Tätigkeit als Steuerberater.
- B hat die Steuererklärung des A nicht erstellt. B hat den Vertrag nicht erfüllt.
Schlechterfüllung heißt, dass der Steuerberater seine vertraglich übernommenen Pflichten nicht so erfüllt, wie der Mandant eine ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags erwarten kann.
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B haben einen umfassenden Steuerberatervertrag geschlossen. B soll im Wege dessen das Finanzamt C verklagen, das eine Steuer gegenüber A fehlerhaft festgesetzt hat. B verklagt aus Versehen das Finanzamt D.
- B muss in diesem Fall den Schaden ersetzen, der daraus entsteht, dass er das Finanzamt D verklagt hat. Zugleich muss er das richtige Finanzamt C verklagen.
Der daraus entstandene Schaden kann
- neben die Leistung des Beraters (§ 280 Abs. 1 BGB ggf. i. V. m. § 634 Nr. 4 BGB) oder
- anstatt der Leistung des Beraters (§§ 280 Abs. 3, 281 BGB ggf. i. V. m. § 634 Nr. 4 BGB) treten, wenn dem Steuerberater Gelegenheit zur Nachbesserung (Fußnote) gegeben wurde.(Fußnote)
4.1.1.2 Verzug
In Verzug gerät der Steuerberater, wenn er seine Pflichten nach Fälligkeit trotz Mahnung nicht erfüllt (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB).(Fußnote) In Verzug kann der Steuerberater nur geraten, wenn die Frist an ihn und nicht an seinen Mandanten gerichtet ist.(Fußnote) Die Fristsetzung der Finanzbehörden erfolgt in der Regel immer gegenüber dem Steuerpflichtigen selbst und nicht gegenüber dessen Vertreter, sodass sich der Steuerberater bei Nichteinhaltung dieser Frist selbst nicht in Verzug i. S .d. § 286 BGB setzt.
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B haben einen Steuerberatervertrag über die Erstellung einer Einkommensteuererklärung geschlossen. Das Finanzamt setzt A eine Frist bis zum 01.07.2015, um die Steuererklärung einzureichen. B erstellt die Steuererklärung des A am 02.07.2015, sodass die Steuererklärung dem Finanzamt erst am 04.07.2015 zugeht.
- Die Frist zum 01.07.2015 wird dem A und nicht dem B gesetzt. Deshalb handelt es sich bei der verspäteten Steuererklärung durch den B nicht um einen Verzug des B. Nur A gerät durch die verspätete Einreichung der Erklärung gegenüber dem Finanzamt in Verzug. Die Handlung des B stellt nur eine Schlechterfüllung dar.
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B haben einen Steuerberatervertrag über die Erstellung einer Einkommensteuererklärung geschlossen. Das Finanzamt setzt A eine Frist bis zum 01.07.2015, um die Steuererklärung einzureichen. A und B vereinbaren in ihrem Vertrag, dass B die Steuererklärung bis zum 20.06.2015 erstellen und an A zur Kontrolle übermitteln muss. B erstellt die Steuererklärung am 02.07.2015, sodass die Steuererklärung dem Finanzamt erst am 04.07.2015 zugeht.
- Hier haben sowohl A gegenüber dem Finanzamt als auch B gegenüber A eine Frist verletzt. A und B haben vereinbart, dass B die Steuererklärung des A bis zum 20.06.2015 erstellt. Dies ist nicht erfolgt. Ab dem 21.06.2015 befand sich B daher in Verzug.
4.1.1.3 Unmöglichkeit
Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Steuerberater seine Pflichten nicht mehr erfüllen kann (§§ 280 Abs. 3, 283 i. V. m. § 275 BGB ggf. i. V. m. § 634 Nr. 4 BGB). Die Unmöglichkeit muss er zu vertreten haben. Dies ist dann der Fall, wenn der Grund für den Eintritt der Unmöglichkeit beim Steuerberater liegt.
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B schließen einen Steuerberatervertrag zur Prüfung eines Steuerbescheides. Bei der Prüfung übersieht B, dass 20.000,- € Werbungskosten zu wenig berücksichtigt wurden, weil er bei der Prüfung des Bescheides mit seiner Frau telefoniert hat. B legt keinen Einspruch ein. Die Einspruchsfrist läuft ab.
- B hätte erkennen müssen, dass 20.000,- € an Werbungskosten in dem Steuerbescheid nicht berücksichtigt wurden. Durch den Ablauf der Einspruchsfrist, ist der Steuerbescheid bestandskräftig geworden, sodass eine Änderung nicht mehr möglich ist. Eine Änderung wäre nur unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. AO möglich. Diese sind hier nicht erfüllt.
4.1.2 Beweislast
Grundsätzlich hat der Mandant die Pflichtverletzung zu beweisen (§ 286 ZPO). Hierzu ist es ausreichend, wenn der Mandant die Pflichtverletzungen exemplarisch vorträgt.(Fußnote) Der Mandant muss die jeweiligen Pflichtverletzungen daher weder korrekt bezeichnen noch darstellen, wie der Steuerberater sich pflichtgemäß hätte verhalten müssen. Der Steuerberater muss hingegen sein pflichtgemäßes Verhalten konkret darlegen.(Fußnote) Es reicht nicht aus, wenn er das ihm vorgeworfene Verhalten lediglich bestreitet.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.

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Carola Ritterbach
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Stand: Januar 2016