Whistleblowing oder Meldepflichten für Fehlverhalten von Arbeitnehmern - Teil 2 Arbeitsrechtliche Probleme
Unter dem Begriff „Whistleblowing“ versteht man ein Verhalten, bei dem eine bestimmte Person unternehmensinternes Fehlverhalten an die Öffentlichkeit oder an den Arbeitgeber weitergibt. Probleme ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit der Einrichtung und die Grenzen solcher Systeme zur Meldung unternehmensinterner Fehlverhalten. Teil 1 beschäftigte sich mit dem grundlegenden System, Teil 3 vergleicht hiesigem Möglichkeiten mit dem amerikanischen Recht.
Arbeitsrecht
Arbeitsrechtlich stellt sich die Frage, wie Mitarbeiter, die Informationen an die Öffentlichkeit weiter gegeben haben, vor Sanktionen durch den Arbeitgeber geschützt werden können.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Informationsgewinnung und –abgabe erfolgen könnte.
Unproblematisch erscheinen Regelungen, die vorgeben, dass es erwünscht ist und erwartet wird, dass Missstände bzw. Fehlverhalten gemeldet werden. Hier wird nämlich nur das formuliert, was jedem Mitarbeiter ohnehin zusteht und auch durch die §§ 84 ff. BetrVG gesetzlich vorgesehen ist. Daher verletzt eine freiwillige Meldung von Fehlverhalten nicht die Interessen den Verdächtigen. Zudem kann sich derjenige, der das Verhalten meldet auf sein Grundrecht der Meinungsfreiheit (Fußnote) oder das der Berufsfreiheit (Fußnote). Freiwillig kann jeder das beim Arbeitgeber anzeigen, was er möchte.
Anders ist es, wenn eine Pflicht zu Meldung formuliert wird. Hier entstehen Konflikte – die persönliche Entscheidung eines jeden Arbeitnehmers wird durch eine rechtliche Pflicht abgelöst, Misstrauen gegenüber jedem im Betrieb wird gefördert und es würde unter Umständen auch die Pflicht zur Selbstanzeige entstehen. Probleme im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht wären die Folge.
In der Rechtssprechung des BAG und die der juristischen Fachliteratur haben sich Leitlinien zur Einrichtung von Whistleblowing-Systemen herausgebildet:
- Eine Pflicht zur Selbstanzeige soll grundsätzlich nicht einführbar sein
- Bei Anzeigen Dritter gilt eine Schadensabwendungspflicht, also, dass Mitarbeiter verpflichtet sind zu reagieren, wenn durch Arbeitsleistungen eines anderen Schäden für das Unternehmen drohen oder dem Mitarbeiter selbst eine Kontroll- oder Überwachungsfunktion vertraglich übertragen wurde
Diese Leitlinien wiederum sind sehr eng formuliert. Besser erscheint es, die Anzeigepflicht nicht an die Funktion des Arbeitnehmers anzuknüpfen, sondern an die Art des Fehlverhaltens. Es hängt zu oft von Zufällen ab, ob nun die Putzfrau oder aber die zur Überwachung zuständige Person entdeckt, dass ein Mitarbeiter unternehmenswidrig handelt.
Knüpft man an die Art des Fehlverhaltens an, orientiert man sich am Besten an § 130 OWiG. Eine Meldepflicht hätte sich demzufolge nur im Hinblick auf Handlungen zu beiziehen, die in § 130 OWiG genannt sind. Das sind insbesondere Handlungen, für die Unternehmen mit hohen Geldstrafen rechnen müssen.
Die Grenze einer Meldepflicht bilden solche Verhaltensweise, die nicht in § 130 OWiG genannt sind, aber zivilrechtliche Pflichten verletzen. Aktuell sind hier die Regelungen des AGG. Dieses regelt selbst in § 13 AGG ein Beschwerderecht, sodass die Einführung einer Meldepflicht für Verstöße gegen das AGG nicht gerechtfertigt wären.
Letztlich stellt sich bei der Einrichtung von „Whistleblowing-Systemen“ die Frage, ob solche Systeme auch anonyme Anzeigen fördern bzw. ermöglichen sollten. Der Kern des Problems in Bezug auf die Einrichtung solcher Systeme wird hier besonders deutlich. Niemand will als Denunziant dastehen und sich als Anzeigender zu erkennen geben. Geht es um anonyme Anzeigen sind die Interessen des Beschuldigten besonders zu berücksichtigen, da anonyme Hinweise immer die Gefahr bergen, unwahr zu sein. Ein Rückgriff auf einen Informanten ist auch nicht möglich, sodass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten betroffen ist. Natürlich steht es dem Unternehmen frei, solchen Informationen nachzugehen, jedoch ist die Art.-29-Datenschutzgruppe der Meinung, dass es nicht zulässig sei, zur anonymen Meldung aufzufordern.
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Stand: August 2008
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