Rechtliche Risiken beim Unternehmenskauf – Teil 17 – Der Betriebsübergang in der Insolvenz
1.9 Betriebsübergang in der Insolvenz
Wird ein Betrieb im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter verkauft, werden die dort bestehenden Arbeitsverhältnisse ebenfalls durch § 613a BGB geschützt. Voraussetzung ist, dass die Arbeitnehmer nicht von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen.
Der Unterschied zur Übertragung eines „gesunden“ Unternehmens liegt darin, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Haftung des Betriebserwerbers nur eingeschränkt zur Anwendung kommt. Die von § 613a BGB vorgesehene Haftung des Betriebserwerbers für Ansprüche vor Betriebsübergang entfällt. Als Begründung hierfür werden die Verteilungsgrundsätze der Insolvenzordnung herangezogen, die in einem solchen Verfahren Vorrang haben.
Die Insolvenzordnung geht von dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Gläubigerbefriedigung aus. Würde bei der Veräußerung eines Unternehmens nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Erwerber des Betriebs für die Ansprüche der Arbeitnehmer einstehen, wären sie gegenüber anderen Gläubigern, die „leer“ ausgingen, unangemessen bevorzugt.
Außerdem würde sich die Insolvenzmasse verringern, würde der Erwerber des Unternehmens für die noch offenen Ansprüche der Arbeitnehmer aufkommen. Denn der wirtschaftlichen Logik folgend würde die Summe der Arbeitnehmeransprüche vom Kaufpreis abgezogen und den restlichen Gläubigern käme dadurch nur ein verringerter Verkaufspreis des Unternehmens zugute.
1.9.1 Masseunzulänglichkeit
Die Haftungsbeschränkung zugunsten des Unternehmenserwerbers gilt ebenso, wenn das Insolvenzverfahren zwar eröffnet war, später aber wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt wurde. Die Rechtsfolgen, die durch die Insolvenz entstanden sind, können nicht rückgängig gemacht werden.(Fußnote)
Masseunzulänglichkeit liegt vor, wenn sich im Laufe des Insolvenzverfahrens herausstellt, dass nur die Verfahrenskosten gem. § 54 InsO [Kosten des Insolvenzverfahrens] aus der Insolvenzmasse gedeckt werden können, nicht aber die Masseschulden nach § 55 InsO [Sonstige Masseverbindlichkeiten].
Welche Forderungen als Masseschulden einzustufen sind, ergibt sich aus dem Gesetz. Dazu gehören die Kosten für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse sowie die Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen (Arbeitsverträge, Mietverträge, Pachtverträge), die zu Lasten der Masse erfüllt werden müssen, aber auch Ansprüche aus einem Sozialplan, vgl. § 123 Abs.2 InsO [Umfang des Sozialplans].
Die Masseunzulänglichkeit ist vom Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Sie wird anschließend öffentlich bekannt gemacht. Das Verfahren selbst wird fortgeführt. Jedoch dürfen Massegläubiger wegen einer Masseverbindlichkeit nicht mehr in die Insolvenzmasse vollstrecken, ggl. § 210 InsO [Vollstreckungsverbot]. Die Befriedigung der Massegläubiger erfolgt in der gesetzlich vorgegebenen Rangfolge des § 209 InsO [Befriedigung der Massegläubiger].
1.9.2. Entscheidender Zeitpunkt für die Haftungsbegrenzung
Für den Umfang der Haftung ist der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidend und nicht der des Betriebsübergangs.
1.9.3 Folgen für die bestehenden Arbeitsverhältnisse
Die Insolvenz des Arbeitgebers hat keinen Einfluss auf die Schutzvorschrift des § 613a BGB. Das heißt, das Kündigungsverbot nach § 613a BGB gilt ebenfalls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Unternehmenskauf – Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-18-2.
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Über die Autoren:
Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.
Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.
Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.
Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.
Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
- "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
- "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7
- "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
- "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
- "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so
- „Selbständigkeit in der Insolvenz“
- „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
- „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“
Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
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