Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis - Teil 16 -Überraschende Klauseln
3.2 Überraschende Klauseln
3.2.1 Überraschende Klauseln
Nach § 305 c I BGB sind überraschende Klauseln unwirksam.
Nur weil eine Klausel ungewöhnlich oder unüblich ist, ist sie nicht bereits überraschend. Die Überraschung muss sich vielmehr aus den Erwartungen und Vorstellungen des Vertragspartners ergeben. Hierzu müssen diese derartig von den zu erwartenden Klauseln abweichen, dass er mit diesen nicht zu rechnen brauchte. Grundlegend kann man als Grobabschätzung hierzu sagen, dass, je weiter sich die AGB-Norm vom Gesetzesrecht entfernt, desto eher diese Klausel als überraschend einzustufen ist. Zudem kommt es auf die Gebräuchlichkeit der Regelungen und die Umstände des Vertragsschlusses an. Da auf den typisierten durchschnittlichen Vertragspartner abgestellt wird, muss die Diskrepanz umso höher sein, je häufiger dieser Vertragspartner derartige Geschäfte abschließt.
3.2.1.1 Überraschend (inhaltlich)
Entscheidend für den Überraschungscharakter kann die Aufmachung des Vertrags sein. Wird der Bezeichnung nach ein Kaufvertrag abgeschlossen, werden aber per AGB sachfremde Zusatzleistungen hinzugezogen, zum Beispiel Wartung des Kaufgegenstands oder Beratungsverträge für das Personal des Käufers im Umgang mit dem Kaufgegenstand, obwohl dies unnötig oder unüblich ist, so können diese Klauseln überraschend sein. Insbesondere dann, wenn sie erst mit den AGB eingeführt werden, folglich kein Bestandteil der originären Vertragsverhandlungen waren. Denn bereits die Überschrift eines Vertrags („Kaufvertrag“) erweckt bestimmte Erwartungen über dessen Inhalt. Auf atypische Klauseln sollte vom Verwender direkt hingewiesen und/oder diese erläutert werden.
Gleiches gilt, wenn durch Werbung eine Erwartung geweckt wird, die erst per AGB-Regelung zunichte gemacht wird. Zum Beispiel wenn der Verwender mit Zusatzleistungen wirbt, die nach der Werbeaussage kostenfrei erbracht werden, sich aus den AGB jedoch erst ihre Kostenpflichtigkeit ergibt.
Überraschend sind beispielsweise Verlängerungen der Laufzeit, obwohl der typische Vertragspartner an einer Verlängerung nicht interessiert ist, da der Vertrag in der ursprünglichen Laufzeit vollauf erfüllt wird.
3.2.1.2 Überraschend (Positionierung)
Überraschend kann eine inhaltlich korrekte Klausel sein, die an einer ungewöhnlichen Stelle in den AGB platziert ist. Kann der Vertragspartner also davon ausgehen, dass ein gewisser Regelungsinhalt (zum Beispiel Kaufpreis und Zahlungsmodalitäten) bereits abschließend abgehandelt wurde, so ist eine weitere zu dieser Regelung gehörige Klausel am anderen Ende der AGB durchaus als überraschend anzusehen (vor allem wenn die AGB sehr lang sind). Gliederungsüberschriften können vom Vertragspartner so ernst genommen werden, dass er erwarten kann, dass die in der Überschrift schlagwortartig skizzierte Regelung vollständig in dem darunter angeordneten Text abgehandelt wurde.
Der Überraschungscharakter einer Klausel entfällt, wenn er so stark ist, dass er sie gleichsam wieder ins Auge springen lässt. Ist beispielsweise eine Klausel eigentlich am Ende der AGB deplatziert, aber von den anderen Klauseln durch viel Freiraum abgegrenzt oder drucktechnisch in auffallender Weise hervorgehoben, sodass sie deutlich erkennbar ins Auge fällt, so fehlt ihr das Überraschungsmoment.
3.2.1.3 Überraschend (Form)
Als überraschend gilt weiterhin, wenn eine Klausel fettgedruckt ist, doch nicht die gesamte Regelung dort enthalten ist und der „Rest“ an anderer Stelle ohne Hervorhebung wieder auftaucht. ZUM BEISPIEL wenn per Fettdruck auf die Fälligkeitsfrist hingewiesen wird, jedoch erst einige Klauseln weiter ohne Fettdruck auf die auferlegten Säumniszuschläge.
3.2.1.4 Verbraucher, Unternehmer
Bei Verbrauchern sind die Anforderungen an den Überraschungscharakter sehr niedrig. So kann eine Klausel trotz Fettdrucks weiterhin überraschend sein. Hier wird auf die Praxis abgestellt, dass Verbraucher selten die AGB lesen, zumeist entweder gar nicht oder nur anlesen. Folglich entfällt der Überraschungscharakter nur, wenn die fettgedruckte Klausel direkt zu Beginn oder nahe der Überschrift sich befindet oder die AGB sehr kurz sind. Bei zum Beispiel nur fünf kurze Klauseln umfassenden AGB fällt eine fettgedruckte dem durchschnittlichen Verbraucher auf.
Wenn der Verbraucher die AGB zwar gelesen hat, entfällt hierdurch nicht automatisch der Überraschungscharakter. Denn häufig ist der Verbraucher rechtsunkundig und begreift die Rechtsweite der Regelungen nicht.
Für Unternehmer gilt das Überraschungsmoment nur in sehr viel geringerem Umfang. Einerseits hat er zumeist häufig mit den entsprechenden Geschäften zu tun und andererseits wird ihm eine größere Aufmerksamkeit bei der Kenntnisnahme von AGB auferlegt.
3.2.1.5 Entfallen des Überraschungscharakters
Der Überraschungscharakter entfällt, wenn auf die Klausel gesondert hingewiesen wurde oder sie Gegenstand der Vertragsverhandlungen war. Erfasst der Vertragspartner die Klausel während des Vertragsabschlusses und erkennt ihren Umfang, so entfällt für diese der Überraschungscharakter.
Die Verlesung durch einen Notar ist hierzu ausreichend, sofern erkennbar ist, dass der Vertragspartner den Sinn der entsprechenden Klausel begreift.
3.2.1.6 Weiteres & Beispiele
Die Beweislast, dass eine Klausel überraschend ist, obliegt der Seite, die sich darauf beruft. Hat der Verwender darauf verwiesen, so trägt er hierfür die Beweislast.
Die folgenden Beispiele sind von der Rechtsprechung als überraschende Klausel für unwirksam erklärt worden :
- Fernsehmietvertrag mit Kaufklausel
- Softwareüberlassungsvertrag mit Bindung an die Programmpflege
- Kauf einer Kaffeemaschine mit Dauerbezug des Kaffees
- Mietvertrag über eine EDV-Anlage, deren Mietzeit mit jeder technologischen Anpassung um 72 Monate verlängert wird
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis“ Michael Kaiser
auf AGB-Recht spezialisierter Rechtsanwalt bei Brennecke & Partner, Rechtsanwälte Fachanwälte mbB, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014,www.vmur.de,ISBN 978-3-939384-36-6.
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Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Dezember 2014