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Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis - Teil 17 -Mehrdeutige Klauseln

3.2.2 Mehrdeutige Klauseln

Die Mehrdeutigkeit von AGB-Klauseln ergibt sich dann, wenn nach ihrem Wortlaut und trotz ihrerAuslegung verschiedene Anwendungsalternativen bestehen bleiben. Wegen des Grundsatzes, dass diese Mehrdeutigkeit zu Lasten des Verwenders geht, folgt, dass die Anwendungsalternative zu wählen ist, die für den Verwender am ungünstigsten ist, da diese Auslegung die kundenfreundlichste ist.

3.2.2.1 Auslegung von AGB
Grundsätzlich müssen AGB objektiv und restriktiv ausgelegt werden.
Objektiv bedeutet, dass die Klausel so ausgelegt werden muss, wie es bei einem normalen typisierten Fall geschehen würde. Die Umstände des Einzelfalls dürfen dabei keine Rolle spielen; denn AGB müssen für mehrmalige Verwendung geeignet sein. Wird bei den typisierten Geschäften nur ein bestimmter Kundenkreis angesprochen, so richtet sich die Objektivität nach dem Erfahrungshorizont dieses Kundenkreises, aber nicht nach dem speziellen Einzelfall.
Restriktiv bedeutet, dass die Auslegung bevorzugt wird, die der anderen Vertragsseite am Günstigsten ist. Maßstab für die Auslegung ist die Wortbedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch. Bei aus dem Gesetz entlehnten Begriffen gilt der Gesetzeswortgehalt. Fachspezifische Bedeutungen von Begriffen gelten nur, wenn diese Bedeutung dem typisierten Kundenkreis bekannt ist.
Die Auslegung einer Klausel hat Vorrang. Denn erst hierdurch entsteht im Ergebnis das Recht oder die Pflicht einer der Vertragsparteien. Nur wenn dieses Ergebnis weiterhin mehrdeutig ist, kann zu Lasten des Verwenders die für die andere Partei günstigste Variante gewählt werden.
Bei Verbrauchergeschäften ist zu beachten, dass die Einschränkung von Verbraucherrechten sehr eng ausgelegt wird. Ein „…Alle anderen Rechte sind ausgeschlossen.“ würde als Ausschluss aller anderen, unerwähnten Verbraucherschutzrechte gewertet werden (was im Übrigen zu einer Unwirksamkeit nach §§ 307 ff. BGB führen würde). Werden dem Verbraucher zusätzliche Rechte zugebilligt, erfolgt deren Auslegung sehr großzügig im Verbraucherinteresse.

3.2.2.2 Unklarheiten
Eine Unklarheit liegt dann vor, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsregeln ein nicht behebbarer Zweifel und mindestens zwei mögliche Auslegungen rechtlich vertretbar sind. Da bereits das Transparenzgebot eine klare und unmissverständliche Formulierung verlangt, ergibt sich die Unklarheit zumeist aus der Wortwahl.
Die Klausel „Zahlbar sofort ohne Abzug“ ist zum Beispiel nicht unklar, da der übliche Verkehrskreis den Sinn (sofortige Fälligkeit ohne Skonto) erkennt (OLG-Celle NJW-RR 1993, 1334).

3.2.2.3 Zulasten des Verwenders
Es muss die der anderen Vertragspartei günstigste Variante gewählt werden , die vice versa, die dem Verwender ungünstigste ist.
Juristisch erfolgt dies durch die sogenannte Doppelauslegung. Zuerst wird die Regelung möglichst streng ausgelegt, sodass sich der anderen Vertragspartei die möglichst schlechteste Alternative darbietet, die jedoch die für sie günstigste Variante ist, da sie zur Unwirksamkeit der Klausel führen kann (BGH NJW 2008, 2172 und BGH NJW 2009, 2051). Diese Klausel wird dann nach §§ 307 ff. BGB inhaltlich überprüft. Wird sie hierdurch nicht unwirksam, wird die Auslegung gewählt, die schlussendlich dem Kunden des Verwenders die beste Alternative bietet. Folglich wird geprüft, ob die Klausel nicht inhaltlich nach §§ 307 ff. BGB bereits unwirksam ist und wenn nein, wählt man die möglichst günstigste Variante für die andere Vertragspartei.
Auch wenn eine Klausel von vornherein am günstigsten für den Kunden des Verwenders ausgelegt wird, kann sie dennoch nach §§ 307 ff. BGB unwirksam sein.
Würde die fragwürdige Klausel nach §§ 307 ff. BGB unwirksam werden, aber als günstigste Auslegungsalternative für die andere Vertragsseite Bestand haben, so wird sie nicht unwirksam.
Beispiel: Wäre die günstigste Variante, dass sich die Sachmangelgewährleistung auf vier Jahre erstreckt, dafür die Nacherfüllung vollständig entfällt und würde die Alternative bei Unwirksamkeit der Klausel bedeuten, dass der Nacherfüllungsanspruch wieder besteht, die Gewährleistungsfrist jedoch nur zwei Jahre beträgt, so hängt das Ergebnis davon ab, welche Variante für den Kunden des Verwenders günstiger ist. Besteht der Vertrag bereits seit drei Jahren, ist die Vier-Jahres-Frist günstiger, um die Ansprüche durchzusetzen, sodass diese günstigste Auslegungsvariante (Gewährleistungsfrist 4 Jahre) der Unwirksamkeit vorgezogen würde.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis“ Michael Kaiser
auf AGB-Recht spezialisierter Rechtsanwalt bei Brennecke & Partner, Rechtsanwälte Fachanwälte mbB, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014,www.vmur.de,ISBN 978-3-939384-36-6.


 

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Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Dezember 2014


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