Fehlerhafte Zinsberechnung von Banken – Teil 22 – Aktiv-Aktiv und Aktiv-Passiv Methode
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Igor Ivanov
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
2.14.2.1. Aktiv-Aktiv Methode
Bei der Aktiv-Aktiv Methode beruht der Schaden dabei auf dem gem. § 252 BGB konkret entgangenen Nettozinsgewinn.
Der entgangene Nettozinsgewinn ist die Differenz zwischen dem im Darlehensvertrag konkret festgelegten Darlehenszins und den Refinanzierungskosten der Bank. Dies ist der sog. Zinsmargenschaden.
Refinanzierungskosten sind dabei die Zinskosten, die eine Bank für die Beschaffung von Mitteln zur Darlehensvergabe selbst bezahlen muss.
Da in den vereinbarten Darlehenszinsen jedoch Verwaltungskosten sowie Risikoprämien enthalten sind, müssen diese herausgerechnet werden, weil die Bank sich diese Aufwendungen erspart.
Beispiel für das Zustandekommen eines Vertragszinses
Refinanzierungskosten 1,0 %
Gewinnzuschlag 1,8 %
Verwaltungskosten 0,2 %
Risikozuschlag (je nach
Bonität des Kunden) 0,3 %
Vertragszins= 3,3 %
Eine exakte Berechnung des Schadens ist allerdings schwierig, da sich die für die Berechnung des entgangenen Gewinns wesentliche Faktoren wie Refinanzierungskosten, Verwaltungskosten und Risikoprämien von Bank zu Bank und von Fall zu Fall unterscheiden. Eine exakte Berechnung des entgangenen Gewinns würde demnach eine Offenlegung von vertraulichen betriebsinternen Daten erfordern. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung auf die genaue Darlegung der einzelnen Faktoren für die Berechnung des Gewinns verzichtet und sich auf den üblichen Durchschnittsgewinn beschränkt.
Ausnahmsweise kann eine Offenlegung aller maßgeblichen Betriebsdaten gefordert werden, wenn die kreditgebende Bank einen höheren entgangenen Gewinn als den branchenüblichen Durchschnittsgewinn, den die Banken in Hinblick auf die Refinanzierungskosten und der Zinslage auf dem Kapitalmarkt erwirtschaften, geltend macht.
Beispiel
Bevor die Bank das Geld überweist, teilt A der B-Bank mit, dass der Grundstückskauf geplatzt ist. A möchte das Darlehen nicht abnehmen. Der B-Bank ist hier ein Gewinn entgangen, weil sie keine Zinsen verdient hat. Diesen sogenannten Zinsmargenschaden kann die Bank von A ersetzt verlangen. Für die Berechnung des Zinsschadens ist jedoch nicht auf die gesamte ursprünglich geplante Darlehenslaufzeit abzustellen, sondern nur auf den Zeitraum bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit des A. Da hier ein fester Zins bis zum 01.01.2011 vereinbart war, hätte A erstmals zum 01.01.2011 kündigen können. A muss der B-Bank die Zinsen, die bis zum 01.01.2011 angefallen wären, ersetzen.
Über den Zinsmargenschaden hinaus kann die Bank kumulativ auch einen Zinsverschlechterungsschaden gem. § 249 BGB geltend machen, wenn sich die Bank nach der verbindlichen Darlehenszusage sogleich refinanziert hat. Der Zinsverschlechterungsschaden besteht dabei in der Differenz zwischen dem Zinssatz des gescheiterten Darlehens mit dem aktuellen Zins, den die Bank bei einem neuen Darlehen (Ersatzdarlehen) in Ansatz bringen könnte. Der Schaden besteht also darin, dass die Bank das nicht abgenommene Kapital nur zu einem niedrigeren Zins wieder anlegen kann.Die Laufzeit des zu vergleichenden Ersatzdarlehens muss nicht mit der des gescheiterten Darlehensvertrags übereinstimmen. Es genügt, dass das Ersatzdarlehen seiner Struktur nach dem gescheiterten Darlehen ähnelt.
Die Differenz zwischen den Zinsen des gescheiterten Darlehens und des Ersatzdarlehens ist für den Zeitraum für die gesicherten Zinserwartungen des nichtabgenommenen Kredites anzusetzen.
Kommt es dagegen zu einem Anstieg des Zinsniveaus, so dass die Bank den ursprünglichen Betrag mit einem höheren Zins einem anderen Kunden als Darlehen gewähren kann, kann neben dem Zinsmargenschaden kein Zinsverschlechterungsschaden berücksichtig werden. Vielmehr muss sich die Bank diesen Vorteil bei der Schadensberechnung anrechnen lassen.
Der aus Zinsverschlechterungs- und Zinsmargenschaden errechnete Betrag ist entsprechend der Vorteilsausgleichung abzuzinsen. Durch die Abzinsung wird der Vorteil ausgeglichen, den die Bank dadurch hat, dass sie über die Zinsen, die sie nach dem ursprünglichen Darlehensvertrag erst in der Zukunft erhalten hätte, sofort verfügen kann.
2.14.2.2. Aktiv-Passiv Methode
Bei der Aktiv-Passiv Methode berechnet sich der Schaden nach einer fiktiven, laufzeitkongruenten Wiederanlage der nicht abgerufenen Mittel. Eine tatsächliche Refinanzierung muss also gerade nicht stattgefunden haben. Es ist die Differenz zwischen dem Zinssatz des nicht abgenommenen Darlehens und dem Zinssatz der ersparten Refinanzierung für die Wiederanlage bzw. Vergabe an einen anderen Kreditnehmer zu ermitteln. Dabei sind die Kosten maßgeblich, die ein Kreditinstitut typischerweise zur Refinanzierung aufbringen muss. Zugunsten des Kreditnehmers sind die Verwaltungskosten und die Risikoprämien von der Schadenssumme abzuziehen.Die Bank kann jedoch ein angemessenes Entgelt für den zusätzlichen Aufwand, der ihr durch die vorzeitige Kündigung entstanden ist, verlangen.
Die Aktiv-Passiv Methode erfasst demnach sowohl den Zinsmargenschaden als auch den Zinsverschlechterungsschaden im Sinne eines Gesamtschadens.
Der Unterschied zu Aktiv-Aktiv Methode besteht darin, dass eine tatsächliche Refinanzierung gerade nicht stattgefunden hat, sondern der Schaden nur fiktiv berechnet wird.?
2.14.2.3. Fazit
Beide Berechnungsmethoden gelangen in zahlreichen Fällen zu (fast) identischen Ergebnissen. Allerdings gibt es auch viele Fälle, in denen sich die Schadensbeträge nach den unterschiedlichen Berechnungsmodellen unterscheiden. Da die Aktiv-Passiv-Methode für die Banken meist günstiger ist und der BGH die Berechnungsmethode mittlerweile ausdrücklich anerkannt hat, wird die Nichtabnahmeentschädigung i.d.R. nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnet. Die Aktiv-Aktiv Methode wird in der Praxis nur selten angewandt.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Igor Ivanov, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8.
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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
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Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2015