Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 28 – Prospekthaftung: Prospekt, Haftung der Prospektersteller
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
6. Kapitel Prospekthaftung
6.1. Der Prospekt
Ein Prospekt ist eine Zusammenstellung von relevanten Informationen zu einem Anlageobjekt. Damit sollen Anlageinteressenten verlässliche Informationen erhalten, auf die ihre Anlageentscheidung gestützt werden kann. Wenn der Prospekt richtig und vollständig ist, kann ein Anlageberater mit der rechtzeitigen Übergabe seine Aufklärungspflichten erfüllen (siehe 2.2.1. Grundsatz bei Aufklärungspflichten).
Ein Prospekt wird von demjenigen erstellt, der eine Vermögensanlage anbietet.
Beispiel
Die Handeln-am-Markt AG möchte eine Anleihe ausgeben. Damit die Kunden des Anlagemarktes sich an dieser Anlage beteiligen können, ist für sie wichtig zu wissen, wie es um die Handeln-am-Markt-AG wirtschaftlich bestellt ist.
Daneben ist für die Interessenten wichtig, wann die Handeln-am-Markt-AG das Geld zurückzahlen wird, wie hoch der Zins ausfällt und zu welchen Zeitpunkten die Zinszahlungen erfolgen. Diese Informationen stellt die Handeln-am-Markt-AG in einem Prospekt zusammen.
6.2. Haftung der Prospektersteller
Einen Prospekt zu erstellen ist grundsätzlich vorgeschrieben, wenn Vermögensanlagen öffentlich angeboten werden. Dabei ist zwischen Vermögensanlagen, die in Wertpapieren verbrieft sind, und solchen, die nicht in Wertpapieren verbrieft sind, zu unterscheiden.
6.2.1. „Weißer“ Kapitalmarkt
Vermögensanlagen, die in Wertpapieren verbrieft sind, werden als „weißer“ Kapitalmarkt bezeichnet. Diese Vermögensanlagen werden besonders kontrolliert und unterliegen der Finanzaufsicht. Die Prospektpflicht ergibt sich aus § 3 WpPG.
Beispiel
Die Aktien der Siemens AG werden an der Börse gehandelt. Aktien sind eine Vermögensanlage, die in Wertpapieren verbrieft sind.
Der Handel mit Siemens Aktien findet also auf dem stärker kontrollierten „weißen“ Kapitalmarkt statt.
Wenn die Wertpapiere an der Börse zugelassen wurden, haften für ein fehlerhaftes Prospekt nach § 21 I 1 WpPG sowohl diejenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben, als auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospektes ausgeht. Voraussetzung ist, dass der Prospekt vor Wertpapierkauf veröffentlicht wurde und die entsprechenden Wertpapiere innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere gekauft wurden.
Wenn die Wertpapiere nicht zum Handel an der Börse zugelassen sind, haften wieder die Prospektverantwortlichen und die Prospektveranlasser nach § 22 WpPG. Anders als beim Börsenhandel kommt es für die 6-Monatsfrist auf das erste öffentliche Angebot im Inland an.
Nicht nur für ein fehlerhaftes Prospekt, sondern auch für ein fehlendes Prospekt kann ein Anleger vom Emittenten und dem Anbieter Schadensersatz nach § 24 WpPG verlangen.
Der Schadensersatz bei dieser Art der Haftung besteht darin, dass die Wertpapiere zurückgegeben werden und der Anleger den Erwerbspreis zuzüglich der Erwerbskosten verlangen kann.
Die Verjährung der Ansprüche unterliegt den normalen Regeln (siehe 10. Kapitel Verjährung). Bis zum 31.05.2012 galt § 46 BörsG alter Fassung. Nach dieser Vorschrift verjährten Ansprüche wegen eines fehlerhaften Börsenzulassungsprospekts ein Jahr, nachdem der Anleger Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts erlangte. Der Anspruch verjährte spätestens drei Jahre nach der Veröffentlichung des Börsenprospekts.
6.2.2. „Grauer“ Kapitalmarkt
Vermögensanlagen, die nicht in Wertpapieren verbrieft sind, werden als „grauer“ Kapitalmarkt bezeichnet, weil die staatliche Aufsicht geringer ist. Z.B. wird die inhaltliche Richtigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt nicht überprüft. Die Prospektpflicht am „grauen“ Kapitalmarkt ergibt sich aus § 6 VermAnlG.
Beispiel
Die Boygroup Storm Men besteht seit zwei Jahren und hat relativ großen Erfolg bei lokalen Auftritten. Um den Durchbruch zu schaffen, möchten sie eine Platte aufnehmen und eine Tournee veranstalten. Zur Finanzierung planen sie einen geschlossenen Fonds, mit dem sich Anleger finanziell an ihrer Gruppe beteiligen können und Anteile am finanziellen Ergebnis der Gruppe haben.
Dieser Fonds ist eine Vermögensanlage und unterliegt der Prospektpflicht. Die Anteile am Fonds werden am weniger stark kontrollierten „grauen“ Kapitalmarkt gehandelt.
Die Haftung beruht auf §§ 20, 21 VermAnlG und entspricht inhaltlich der Haftung beim 6.2.1. „Weißer“ Kapitalmarkt. Wichtiger Unterschied ist jedoch, dass es für den Zeitpunkt der Vermögensanlage keine 6-Monatsfrist, sondern eine 2-Jahresfrist gibt. D.h. eine Haftung besteht nur dann, wenn die Vermögensanlage innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland erfolgt.
Die Verjährung der Ansprüche unterliegt ebenfalls den normalen Regeln (siehe 10. Kapitel Verjährung). Vor dem 01.06.2012 galt wie auf dem „weißen“ Kapitalmarkt der § 46 BörsG alter Fassung. Nach dieser Vorschrift verjährten Ansprüche wegen eines fehlerhaften Börsenzulassungsprospekts ein Jahr, nachdem der Anleger Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts erlangte. Der Anspruch verjährte spätestens drei Jahre nach der Veröffentlichung des Börsenprospekts.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.
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Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2015
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.
Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:
- Beratung und Vertretung von Bankkunden bei allen Fragen hinsichtlich Darlehensverträgen, Kreditsicherheiten, wie beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden und Kapitalanlagen wie z.B. Wertpapiere oder Fonds
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- Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
- Rückabwicklung von Bankanlageprodukten, die sich im Nachhinein als Verlust erweisen
- Abwehr von Ansprüchen aus sittenwidrigen Angehörigen-Bürgschaften oder Darlehensmitübernahmen
- Abwehr von Forderungen aus unzulässigen Klauseln in Bankverträgen
- Rückabwicklung unberechtigter Gebührenzahlungen an Banken
- Widerruf und Rückabwicklung von Immobiliendarlehen aufgrund fehlerhafter Widerrufserklärungen
- Abwicklung von Leasingverträgen
- Begleitung bei Sanierungen notleidender Finanzierungen
- Unterstützung bei allen Fragen rund um das Girokonto, Sparbuch und dem elektronischen Zahlungsverkehr Wahrung des Bankgeheimnisses und Beanspruchung von Bankauskünften
- Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings
Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:
- Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
- Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
- Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
- Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
- Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
- Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht
Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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- Der Verkauf von notleidenden Krediten – Was darf Ihre Bank und was nicht
- Datenschutz im Bankrecht – Bankgeheimnis und Bankauskünfte: Wer erfährt was?
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