Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 29 – Haftung der Prospektnutzer
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
6.3. Haftung der Prospektnutzer
Einem Anlageberater fehlt in der Regel die Zeit, das Geld und das Wissen, um einen vollständigen und richtigen Prospekt über eine Anlage zu erstellen. Gleichzeitig muss der Anlageberater ausreichend über das empfohlene Anlageprodukt beraten. Deshalb greift er gerne zu einem Prospekt, das umfassend über eine Anlage informiert. Damit macht sich der Anlageberater das verwendete Prospekt zu eigen.
Für Anleger stellt der Prospekt eine wesentliche Informationsquelle für ihre Anlageentscheidung dar. Da sie ihrem Anlageberater vertrauen, gehen sie auch davon aus, dass das Prospekt richtig ist. Schließlich hat ihnen ihr Anlageberater das Prospekt übergeben.
Diese Verbindung von Prospekt und Anlageberater, dem die Anleger wegen seiner Fachkunde vertrauen, führt dazu, dass der Anlageberater für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes haften.
Beispiel
Frau Sonntag interessiert sich für eine Immobilienanlage in Höhe von 150.000 €. Sie lässt sich dazu bei ihrer Bank beraten. Ihre Bank übergibt ihr im Rahmen eines Beratungsgesprächs einen Prospekt über den geschlossenen Immobilienfonds „Berlin 2.0“.
Dieser Fonds plant, Altbauten zu renovieren und in Büros umzuwandeln. Im Prospekt ist angegeben, dass bereits namhafte Firmen Mietverträge über die neu zu vermietenden Büros abgeschlossen hätten. In Wahrheit haben jedoch bis jetzt nur ein paar kleine Firmen Mietverträge abgeschlossen, die nur einen Bruchteil der Bürofläche mieten wollen.
Damit ist der Prospekt falsch und irreführend. Weil die Bank von Frau Sonntag diesen Prospekt benutzt, macht sie sich dessen Informationen zu eigen. Die Bank haftet deshalb für Falschinformationen im Prospekt. Frau Sonntag kann von ihrer Bank Schadensersatz wegen Falschberatung verlangen.
Neben dieser Prospekthaftung kann das Prospekt eine Rolle spielen für den Beginn der Verjährung (siehe 10.2. Subjektive Voraussetzungen).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Beraterhaftung Kapitalmarktrecht
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2015