Kreditvertragsrecht – Teil 36 – Sonderkündigungsrecht für Bankkunden bei Fusion ihrer Bank
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Alena Kehret
wissenschaftliche Mitarbeiterin
2.6.6. Sonderkündigungsrecht für Bankkunden bei Fusion ihrer Bank
Wie jedes wirtschaftliche Unternehmen können auch Banken untereinander fusionieren. Das bedeutet, dass zwei zunächst rechtlich selbstständige Banken zu einer Einheit verschmelzen, indem entweder eine Bank von der anderen übernommen wird oder indem durch die Verschmelzung eine neue Bank entsteht. Die Verträge mit den Bankkunden gehen dann im Wege der Universalsukzession auf die neu entstandene oder die übernehmende Bank über.
Für Kunden von fusionierenden Banken, kann es aus verschiedenen Gründen von Interesse sein, ob sie sich wegen einer solchen Fusion von ihrem Vertrag mit der Bank lösen können. So ist es einerseits denkbar, dass sie nicht in geschäftlichen Kontakt zu der zweiten an der Fusion beteiligten Bank treten wollen. Andererseits sehen zahlreiche Bankkunden in der Fusion die Chance zu einer außerordentlichen Kündigung ihres Bankvertrages, etwa, weil sie sich aufgrund hoher Zinsen von ihrem Kreditvertrag lösen wollen. Kündigt der Kreditnehmer seinen Vertrag nur ordentlich, ist diese Kündigung zwar in der Regel wirksam, zumeist aber mit einer hohen Vorfälligkeitsentschädigung verbunden. Bei einer außerordentlichen Kündigung hingegen entfällt zugunsten des Kunden die Pflicht zur Vorfälligkeitsentschädigung, weshalb für Kreditnehmer die außerordentliche Kündigung wesentlich leichter und vor allem günstiger ist.
Für eine außerordentliche Kündigung muss jedoch zugunsten des Bankkunden ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn dem Kunden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen das Fortsetzen des Vertrages bis zur vertragsmäßigen Beendigung nicht zugemutet werden kann. Hierbei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und auf Seiten der Bank stets das Interesse an der Fortdauer des Vertrages zu beachten. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist - wie bereits der Name verrät - stets eine Ausnahme.
Ein Bankkunde kann daher wegen der Fusion seiner Bank mit einer anderen nur dann seinen Vertrag kündigen, wenn ihm durch die Fusion Umstände drohen, wegen derer ihm ausnahmsweise eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann. Allein dass der Bankkunde sich aus seinem Kredit lösen will, reicht nicht aus.
Solche gravierenden Umstände können beispielsweise angenommen werden, wenn der Bankkunde sich vor der Aufnahme des Bankkredites bei seiner Bank explizit gegen die Aufnahme eines Kredites bei der Bank entschieden hat, mit der seine Bank nun fusioniert. Hier stellt die Fusion der Banken einen Umstand dar, aufgrund dessen es dem Bankkunden nicht mehr zugemutet werden kann, seinen Vertrag mit der fusionierten Bank fortzusetzen. Andernfalls würde er durch die Fusion dazu gezwungen, mit einer Bank in geschäftlichen Kontakt zu treten, obwohl er sich zuvor ausdrücklich dagegen entschieden hat. Dies widerspräche dem grundlegenden Prinzip der Privatautonomie.
Beispiel
Frau Gille möchte ein Darlehen bei einer Bank aufnehmen. Sie informiert sich zunächst bei der W-Bank und lässt sich ausführlich beraten. Allerdings ist das Personal alles andere als freundlich und übergeht ihr Vorgaben und Vorstellungen. Frau Gille hat das Gefühl, dass sie als bei der W-Bank nicht gut betreut wird. Deshalb entscheidet sie sich gegen das Darlehen bei der W-Bank. Frau Gille nimmt stattdessen ein Darlehen bei der Y-Bank auf. Einige Monate später fusioniert die W-Bank mit der X-Bank.
Frau Gille hatte sich hier ausdrücklich dagegen entschieden, einen Vertrag mit der W-Bank abzuschließen. Würde sie nun durch die Fusion gezwungen, mit der W-Bank geschäftliche Kontakte zu führen, würde dies gegen ihre Privatautonomie verstoßen. Es besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht für Frau Gille.
Es reicht aber nicht aus, dass sich der Kunde gegen die Bank entschieden hat, weil sie schlechtere Zinskonditionen als eine andere angeboten hat. Der Kunde muss sich vielmehr aus solchen Gründen gegen einen Geschäftskontakt zu der Bank entschieden haben, die in der Bank selbst liegen.
Ähnlich ist es, wenn der Bankkunde in der Vergangenheit schon einmal in geschäftlichem Kontakt zu der zweiten, nun mit seiner Bank fusionierenden Bank stand und in dieser Geschäftsbeziehung negative Erfahrungen mit der zweiten Bank gemacht hat. Dann ist es nicht zumutbar, dass der Kunde trotz dieser Erfahrungen wieder zu einem geschäftlichen Kontakt mit der Bank gezwungen wird.
Beispiel
Frau Schnell hat ein Darlehen bei der Y-Bank aufgenommen, die nun mit der W-Bank fusionieren will. Mit der W-Bank musste Frau Schnell in der Vergangenheit sehr negative Erfahrungen machen:
Wegen einer Falschberatung in Anlagefragen hatte Frau Schnell bei der W-Bank Wertpapiere gekauft, die sich im Nachhinein als hoch spekulativ erwiesen hatten, obwohl Frau Schnell eine sichere Anlagen gewünscht hatte. Dadurch hatte Frau Schnell einige Tausend Euro verloren. Besonders geärgert hatte es Frau Schnell dabei, dass die Mitarbeiter der W-Bank sie sehr unfreundlich und ohne jede Hilfsbereitschaft behandelten, als es um die Probleme mit den Anlagen ging.Wegen dieser schlechten Erfahrungen kann es Frau Schnell nicht zugemutet werden, dass sie nun wegen der Fusion der Y-Bank mit der W-Bank erneut geschäftliche Kontakte zur W-Bank führen muss, obwohl sie dies nicht will. Sie hat daher ein außerordentliches Kündigungsrecht bezüglich ihres Darlehensvertrages mit der Y-Bank.
Nicht ausreichend ist hierbei allerdings, dass der Bankkunde nur allgemeine Bedenken hinsichtlich der zweiten Bank hat, zum Beispiel bezüglich ihrer Geschäftspolitik. Die Vertragskonditionen des Bankkunden sind nämlich festgeschrieben und können durch die Fusion nicht mehr abgeändert werden, sodass dem Kunden in dieser Hinsicht keine Nachteile drohen.
Wenn der Bankkunde vor der Fusion geschäftlichen Kontakt zu beiden Banken pflegte, kann es ihm ebenfalls nicht zugemutet werden, an diesen Verträgen festgehalten zu werden. Hier hat der Bankkunde sich in der Regel nämlich ganz bewusst dazu entschieden, mit zwei verschiedenen Banken die Verträge zu führen und nicht nur mit einer einzigen. Würde er an den Verträgen festgehalten, so wäre diese Entscheidung hinfällig, weil beide Verträge nun mit derselben Bank weiterliefen.
Ein Kündigungsrecht ist schließlich dann zu erwägen, wenn der Bankkunde spezifische Nachteile darlegen kann, die ihm aufgrund der Fusion entstünden. So kann es zum Beispiel für den Kunden von Nachteil sein, wenn er mit der zweiten Bank in Geschäftskontakt treten würde, etwa wenn er oder sein Ehepartner zu dieser zweiten Bank in geschäftlichem Kontakt steht und bestimmte Verflechtungen zu befürchten sind, die unerwünscht waren.
Beispiel
Herr Steiner ist Inhaber einer großen Firma. Weil er expandieren will, benötigt er ein größeres Darlehen in Höhe von 2.000.000 EUR. Frau Steiner arbeitet in einer leitenden Position bei der D-Bank. Um Gerede zu vermeiden, entscheidet Herr Steiner sich ganz bewusst dazu, nicht bei der D-Bank das Darlehen aufzunehmen. Er möchte nicht, dass es in der Branche und bei Kunden sonst heißt, er habe das große Darlehen nur wegen seiner Ehefrau bekommen oder würde irgendwelche anderen Vorteile erhalten, nur weil seine Frau bei der D-Bank arbeitet. Herr Steiner nimmt das Darlehen daher bei der Z-Bank auf; die Laufzeit beträgt drei Jahre, der Zinssatz wird alle 6 Monate neu festgelegt. Ein Jahr nach Vertragsschluss fusioniert die Z-Bank mit der D-Bank. Hier drohen der Firma von Herrn Steiner spezifische Nachteile wegen der Verflechtungen mit der D-Bank, die Herr Steiner gerade verhindern wollte. Ihm steht daher wegen der Bankenfusion ein Sonderkündigungsrecht zu.
Es zeigt sich somit, dass nur bei Vorliegen von ganz bestimmten Umständen wegen der Fusion zweier Banken ein außerordentliches Kündigungsrecht der Bankkunden besteht. Sich pauschal auf die Fusion zu berufen genügt nicht. Zu beachten ist darüber hinaus, dass die Gründe vom Bankkunden nachgewiesen werden müssen und durch die Gerichte einzelfallspezifisch überprüft werden können. Der Kunde trägt somit das Risiko, dass seine außerordentliche Kündigung vor Gericht nicht Stand hält.
Ein weiteres Risiko liegt für den Bankkunden darin, dass das Kündigungsrecht verfristen kann, was ebenfalls zur Ablehnung der Kündigung führt. Betroffene Bankkunden dürfen daher mit der Kündigung nicht zu lange warten, sondern müssen sie unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Kündigungsgrundes - hier der Fusion - erklären.
Beispiel
Herr Steiner erhält am 01.10.2014 ein Schreiben der Z-Bank, bei der er sein Darlehen aufgenommen hat. In diesem Schreiben wird er darüber aufgeklärt, dass die Z-Bank ab dem 10.10.2014 mit der D-Bank fusionieren wird. Wegen der Verflechtungen mit der D-Bank, bei der seine Frau in leitender Position tätig ist, entschließt sich Herr Steiner dazu, seinen Darlehensvertrag zu kündigen. Weil er lange überlegt und umplant, schickt er die Kündigung aber erst im Januar 2015 an die D-Bank.Diese Kündigung ist verfristet und daher unwirksam. Herr Steiner hätte die Kündigung unmittelbar nach dem Zugang des Schreibens der Z-Bank an diese versenden müssen. Er hätte sich zwar ein paar Tage Bedenkzeit nehmen können, das Zuwarten mehrere Monate ist aber nicht möglich.
Unter diesen Aspekten sollte vor jeder auf einer Bankenfusion basierenden Kündigung immer genau geprüft werden, ob das Kündigungsrecht im jeweiligen Einzelfall besteht oder nicht. Eine voreilige und unberechtigte Kündigung kann nicht nur dazu führen, dass der Kunde die Prozesskosten trägt, sondern auch dazu, dass die Bank ihrerseits den Kredit kündigt und dann eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung verlangen kann.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditvertragsrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Alena Kehret, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9.
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Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Alena Kehret
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Stand: Dezember 2014
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.
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Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:
- Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
- Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
- Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
- Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
- Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
- Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht
Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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