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40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung – Teil 06 – Grundsatz der Gleichbehandlung



Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


2.5. Betriebliche Altersversorgung und der Grundsatz der Gleichbehandlung § 1b Abs. 1 Satz 4 Alt. 2 BetrAVG

Ein Anspruch auf Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung kann sich auch ohne eine ausdrückliche oder konkludente Zusage ergeben und zwar aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung, § 1b Abs. 1 Satz 4 Betriebsrentengesetz. Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetzes.

Beim Grundsatz der Gleichbehandlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung geht es zumeist um den Anspruch auf Abgabe einer Versorgungszusage. Hier ist zu ermitteln, wann dem Arbeitnehmer unter Beachtung dieses Grundsatzes eine solche betriebliche Versorgungszusage hätte erteilt werden müssen.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet sowohl die willkürlich sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, soweit sie in vergleichbarer Lage sind, als auch eine sachfremde Gruppenbildung.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Dabei erfordert der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz die Bildung einer Gruppe begünstigter Arbeitnehmer. Eine Gruppenbildung liegt vor, wenn der Arbeitgeber Vergünstigungen nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Die Besserstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern muss nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen werden, die bei allen Begünstigten vorliegen. Erfolgt die Besserstellung unabhängig von abstrakten Merkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer. Ist die Anzahl der begünstigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering, kann ein nicht begünstigter Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keine Ansprüche herleiten.

Werden für mehrere Arbeitnehmer-Gruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass diese Unterscheidung sachlich gerechtfertigt ist. Eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung verstößt erst dann gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Maßgeblich für die Beurteilung, ob für die unterschiedliche Behandlung ein hinreichender Sachgrund besteht, ist vor allem der Regelungszweck. Dieser muss die Gruppenbildung rechtfertigen. Gerechtfertigt ist danach eine Gruppenbildung, wenn sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Der Differenzierungsgrund muss die in der Regelung getroffene Rechtsfolge tragen. Somit liegt ein Sachgrund vor, wenn die Regelung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Als solches sind Ziele zu betrachten, die im Allgemeininteresse liegen. Der Europäische Gerichtshof nennt hier unter anderem sozialpolitische Ziele wie aus den Bereichen der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung.

Überdies ist zu bedenken, dass eine Gruppenbildung nach geschlechtsspezifischen Merkmalen diskriminierend ist, da Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/113 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen ist mit Wirkung vom 21.12.2012 ungültig. Es steht fest, dass das mit der Richtlinie 2004/113 im Versicherungssektor verfolgte Ziel, wie in ihrem Art. 5 Abs. 1 zum Ausdruck kommt, in der Anwendung der Regel geschlechtsneutraler Prämien und Leistungen besteht. Somit beruht die Richtlinie 2004/113 auf der Prämisse, dass für die Zwecke der Anwendung des in den Art. 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern die Lage von Frauen und die Lage von Männern in Bezug auf die Prämien und Leistungen der von ihnen abgeschlossenen Versicherungen vergleichbar sind. Umstritten ist lediglich ob dieser Grundsatz nur für Neuverträge oder auch auf bestehende Verträge Anwendung findet.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung“ von Dr. Maren Augustin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter.


 

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Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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