40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung – Teil 12 – Wertgleichheit und Zillmerung
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
3.4.2. Wertgleichheit
Zutreffend sieht die herrschende Meinung in § 1 Abs. 2 Nr. 3 Betriebsrentengesetz keine Definitionsnorm für den Begriff der betrieblichen Altersversorgung, sondern ein auf Wertgleichheit gerichtetes Gebot.
Mit dem Erfordernis der Umwandlung in eine wertgleiche Anwartschaft bei der Entgeltumwandlung soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer für das umgewandelte Entgelt den Gegenwert in Gestalt einer Versorgungsanwartschaft erhält.Der Begriff der Wertgleichheit kann nur so ausgelegt werden, dass hiermit das Austauschverhältnis zwischen dem zuvor bestehenden Entgelt- und dem neu begründeten Versorgungsanspruch gemeint ist.
Eine betriebliche Altersversorgung kann auch dann vorliegen, wenn dieses Gebot nicht eingehalten ist. Daran ändert der missverständliche Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift nichts. Entscheidend ist der sich aus den Regelungszusammen-hängen und der Entstehungsgeschichte ergebende Gesetzeszweck. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits in älteren Urteilen entschieden, dass für eine Einschränkung des Begriffs der betrieblichen Altersversorgung bei Entgeltumwandlungen auch kein stichhaltiger Grund besteht. So wollte der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zum Begriff der betrieblichen auch nur bestätigen und den betriebsrentenrechtlichen Arbeitnehmerschutz nicht verringern, sondern verstärken. Damit sollte unter anderem (auch) sichergestellt werden, dass „Gehaltsumwandlungen ... grds. im gleichen Umfang wie Zusagen nach bisherigen Recht dem gesetzlichen Insolvenzschutz unterliegen“. Diesem gesetzlichen Ziel entspricht es, dass der in der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelte Begriff der betrieblichen Altersversorgung nicht durch zusätzliche, neue Merkmale eingeschränkt wird. Ebenso wie nach der früheren Rechtsprechung liegt eine betriebliche Altersversorgung auch dann vor, wenn das umgewandelte Entgelt und die an dessen Stelle tretende Versorgungsanwartschaft nicht wertgleich sind. Das gesetzliche Erfordernis der Wertgleichheit dient dem Schutz des Arbeitnehmers. Dem entsprechend handelt es sich um ein gesetzliches Gebot. Von ihm kann nach § 17 Abs. 3 Betriebsrentengesetz nicht abgewichen werden, auch nicht durch Tarifverträge.
Eine Definition der Wertgleichheit enthält das Betriebsrentengesetz nicht. Die Frage, ob dem Erfordernis der Wertgleichheit Rechnung getragen ist, muss bei Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung beantwortet werden. In diesem Zeitpunkt müssen die künftigen Entgeltansprüche einerseits und die durch die Entgeltumwandlung zu erzielende Anwartschaft auf Versorgungsleistungen andererseits mit-einander verglichen werden. Deren Wert muss sich bei objektiver wirtschaftlicher Betrachtung entsprechen und damit „gleich“ sein. Zum Teil wird die Wertgleichheit subjektiv betrachtet. Wertgleich sei, was die Parteien bei Abschluss des Entgeltumwandlungsvertrags als wertgleich angesehen hätten. Nach dieser Auffassung würde das dem Arbeitnehmerschutz dienende, nach § 17 Abs. 3 Betriebsrentengesetz zwingende Gebot weitgehend leerlaufen und bedeutungslos sein. Dem Sinn und Zweck des Gebots wird nur eine objektive Betrachtung gerecht, die der Vertragsgestaltung Grenzen setzt.
Der Begriff „gleichwertig“ deutet jedoch darauf hin, dass eine wirtschaftliche Betrachtung geboten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass versicherungsförmige Leistungen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnen sind. Folgerichtig ist es, diese Grundsätze auch beim erforderlichen Wertvergleich zugrunde zu legen.
Das Vorliegen von Wertgleichheit bedeutet jedoch nicht, dass die Entgeltumwandlungsvereinbarung der gebotenen umfassenden Rechtskontrolle standhält. Die Entgeltumwandlungsvereinbarung ist nicht nur am Gleichwertigkeitsgebot zu messen, sondern insbesondere auch anhand der §§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch zu überprüfen. Es spricht einiges dafür, dass eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Bürgerliches Gesetzbuch vorliegt, wenn bei einer auf Entgeltumwandlung beruhenden betriebliche Altersversorgung ein gezillmerter Versicherungstarif verwendet wird und dadurch den vorzeitig ausscheidenden Versorgungs-berechtigten erhebliche Nachteile entstehen können.
3.4.3. Zillmerung
Bei der Zillmerung handelt es sich um ein Kostenverteilungsverfahren, dass von dem Versicherungsmathematikern Dr. August Zillmer entwickelt wurde. Die beim Zustandekommen des Versicherungsvertrags anfallenden einmaligen Abschluss- und Vertriebskosten werden mit den sogenannten Sparanteilen der ersten Versicherungsprämien verrechnet. Dies führt dazu, dass der Rückkaufswert anfangs sehr gering, in den ersten beiden Jahren häufig sogar gleich Null ist. Die Zillmerung wirkt sich zwar nicht zwangsläufig auf den Rückkaufswert aus, weil dessen Höhe vertraglich vereinbart werden muss. In der Regel sind aber die Vereinbarungen so ausgestaltet, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung an die nach dem Zillmerungsverfahren gebildete Deckungsrückstellung anknüpft. Die Zillmerung wirkt sich jedoch nicht nur auf den Rückkaufswert, sondern auch auf eine beitragsfreie Versicherung nachteilig aus.
Die Zillmerung ist eine versicherungsmathematisch anerkannte Methode zur Verrechnung der Abschluss- und Vertriebskosten, die vom Versicherungsnehmer und wirtschaftlich vom Bezugsberechtigten Arbeitnehmer zu tragen sind. Bei der Zillmerung handelt es sich um ein in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Versicherungsaufsichtsgesetz, § 4 Abs. 1 Deckungsrückstellungsverordnung geregeltes Verfahren, das aufsichtsrechtlich ohne weiteres zulässig ist.
Es ist rechtlich problematisch, wenn der Arbeitgeber bei einer Entgeltumwandlung dem Arbeitnehmer anstelle von Barlohn einen gezillmerten Tarif zusagt. Angemessen könnte es sein, die bei der Direktversicherung anfallenden einmaligen Abschluss- und Vertriebskosten auf fünf Jahre zu verteilen.
Ob die Vereinbarung gezillmerter Verträge gegen das Wertgleichheitsgebot im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 Betriebsrentengesetz verstößt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Das Bundesarbeitsgericht teilt die Auffassung, dass eine Zillmerung nicht am Wertgleichheitsgebot scheitert. Soweit die Verwendung gezillmerter Versicherungstarife bei einer Entgeltumwandlung der Rechtskontrolle nicht standhält, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Entgeltumwandlungsvereinbarung und nicht zur Nachzahlung von Arbeitsentgelt, sondern zu einer höheren betrieblichen Altersversorgung.
Wenn bei einer Entgeltumwandlung die erteilte Versorgungszusage auf einen sogenannten gezillmerten Versicherungstarif abstellt, kann dies bei frühzeitiger Beitragsfreistellung zu rechtlich problematischen Einbußen des versorgungs-berechtigten Arbeitnehmers führen. Dabei hängt die Höhe der dem Kläger zugesagten Betriebsrente vom gewählten Versicherungstarif ab.
Zweifelhaft erscheint es, ob die Zillmerung des Versicherungstarifs, die bei frühzeitigen Beitragsfreistellungen zu Nullleistungen oder sehr geringen Leistungen führt, mit der betriebsrentenrechtlichen Regelungskonzeption und dem Zweck der durch Entgeltumwandlung erworbenen betrieblichen Altersversorgung zu vereinbaren ist.
Mit der grundsätzlichen Zulässigkeit der Zillmerung ist jedoch weder gesagt, dass Versicherungsunternehmen im Verhältnis zu ihren Vertragspartnern, den Versicherungsnehmern, von der Möglichkeit dieser Art der Verrechnung der Abschluss- und Vertriebskosten stets und unbegrenzt Gebrauch machen durften, noch ist es ausgeschlossen, bei besonderen Formen der Lebensversicherung Anforderungen zu stellen, die den rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten gerecht wurden.
Soweit die (volle) Zillmerung einer Rechtskontrolle nicht standhält, ist zu prüfen, wie mit den einmaligen Abschluss- und Vertriebskosten zu verfahren ist. Da diese Kosten durch Leistungen des Versicherungsunternehmens ausgelöst werden und die Versicherung dem Arbeitnehmer zugutekommt, ist es angemessen, dass diese Kosten letztlich der bezugsberechtigte Arbeitnehmer trägt. Wie der Bundesgerichthof näher ausgeführt hat, ist es sachgerecht, dass auch die einmaligen Abschluss- und Vertriebskosten in die Prämienkalkulationen einfließen. Problematisch ist lediglich, wie diese Kosten bei Entgeltumwandlungen zu verrechnen sind.
Der Bundesgerichtshof hat für die private Lebensversicherung ein Lösungsmodell entwickelt. Weder der Rückkaufswert noch die beitragsfreie Versicherungssumme dürfen einen Mindestbetrag unterschreiten. Insoweit hat der Bundesgerichtshof den Vorschlag der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts übernommen. Danach beläuft sich der Mindestbetrag auf die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals, das nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundsätzen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnet wird. Danach müssen grundsätzlich die in Ansatz gebrachten Abschluss- und Vertriebskosten über einen längeren Zeitraum in gleichmäßigen Jahresbeträgen verteilt werden. Dieser Zeitraum belief sich bis zum 31.12.2004 auf zehn Jahre und beläuft sich seit dem 01.01.2005 auf fünf Jahre. § 169 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz n.F. enthält mit Wirkung zum 01.01.2008 eine inhaltsgleiche Regelung für den Rückkaufswert von Lebensversicherungen. Nach § 165 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz n.F. wirkt sich dieser Wert auch auf die Höhe einer prämienfreien Versicherungsleistung aus.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung“ von Dr. Maren Augustin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter.
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Stand: Januar 2015