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Die Änderung von Steuerbescheiden – Teil 02 – Festsetzungsfrist, Ablaufhemmungen, Außenprüfung

3.3 Dauer und regelmäßiges Ende der Festsetzungsfrist

Die Dauer bzw. das Ende der Festsetzungsfrist unterscheidet sich je nach Art der Steuer:

  • bei Verbrauchersteuern und Verbrauchersteuervergütungen beträgt sie ein Jahr
  • bei allen anderen Steuern beträgt sie vier Jahre
  • soweit Steuern hinterzogen worden, beträgt sie zehn Jahre und
  • wenn Steuern leichtfertig verkürzt wurden fünf Jahre.

3.4 Ablaufhemmungen nach § 171 I-XIV AO

In einigen Fällen ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt. Die Ablaufhemmung führt zur Verlängerung der Frist für einen bestimmten Steuerbetrag. Die Frist kann nicht ablaufen, solange die Festsetzung in den folgenden Fällen gehemmt ist:

  • Höherer Gewalt nach § 171 I AO
  • Offenbare Unrichtigkeit nach § 171 II AO
  • Außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens nach § 171 III AO
  • Innerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens nach § 171 III a AO
  • Außenprüfung nach § 171 IV AO
  • Maßnahmen der Fahndungsstellen nach § 171 V AO
  • Verfolgungsverjährung nach § 171 VII AO
  • Vorläufige und ausgesetzte Steuerfestsetzungen nach § 171 VIII AO
  • Berichtigungs- und Selbstanzeige nach § 171 IX AO
  • Folgebescheide nach § 171 X AO
  • Zahlungsverjährung nach § 171 XIV AO

Die Ablaufhemmung betrifft nicht immer den Steueranspruch im Ganzen. Er kann sich auch nur auf einen bestimmten Teil des Betrages beziehen.

3.4.1 Höherer Gewalt nach § 171 I AO

Die Festsetzungsfrist ist gehemmt, wenn die Steuerfestsetzung in den letzten sechs Monaten der Frist wegen höherer Gewalt nicht erfolgen konnte.

Unter Höhere Gewalt versteht man

  • Krieg
  • Naturkatastrophen und
  • andere unabwendbare Zufälle.

Die Frist verlängert sich um den Ruhezeitraum, der höchstens sechs Monate betragen darf.

3.4.2 Offenbare Unrichtigkeit nach § 171 II AO

Liegt eine offenbare Unrichtigkeit gem. § 129 AO (also etwa Schreib- oder Rechenfehler) beim Erlass des Streuerbescheides vor, endet die Festsetzungsfrist nicht vor einem Jahr ab Bekanntgabe der fehlerhaften Verfügung. Spätere Änderungen des Bescheides bleiben unberücksichtigt.

Das gilt nicht für den gesamten Bescheid, sondern nur für den Teil, der einem Fehler bzw. einer offenbaren Unrichtigkeit unterliegt.

3.4.3 Außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens nach § 171 III AO

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist, außerhalb eines Einspruchs- und Klageverfahren, ein Antrag auf

  • Steuerfestsetzung
  • Aufhebung
  • Änderung der Steuerfestsetzung oder
  • Berichtigung nach § 129 AO gestellt

läuft diese nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden wurde.

„Stellen“ im Sinne von § 129 AO bedeutet der Eingang bei der Behörde. Das bloße Einreichen einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung oder -anmeldung ist kein Antrag. Vielmehr meint ein Antrag im Sinne des § 171 III AO ein Begehren, welches sich auf jede belastende oder begünstigende Entscheidung, auf welche die Vorschriften zur Steuerfestsetzung anwendbar sind, richten kann. Gemeint sind damit alle Erklärungen des Steuerpflichtigen, die das berechtigte Interesse auf Durchführung einer Veranlagung bzw. Änderung mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen.

Beispiel

Die Unternehmerin Frau Winter gibt ihre Unternehmenssteuer-Jahreserklärung, die eine Überzahlung zu ihren Gunsten ausweist, wenige Tage vor Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 II Nr. 2 AO ab. Ein Bescheid des Finanzamtes erfolgt allerdings nicht mehr vor Ablauf der Frist.

Da die Einreichung der Jahreserklärung nicht als Antrag nach § 171 III AO gilt und keine Ablaufhemmung herbeiführt, tritt die Festsetzungsverjährung ein.

Die Hemmung bestimmt sich nach dem Antrag. Bevor über diesen entschieden worden ist, läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, wie durch den Antrag eine Berichtigung, Änderung etc. begehrt ist. Eine Erweiterung des Antrags nach Ablauf der Festsetzungsfrist ist nicht möglich.

Eine Verböserung durch das Finanzamt zulasten des Steuerpflichtigen ist nicht möglich.

3.4.4 Innerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens nach § 171 III a AO

Die Anfechtung des Steuerbescheids mit einem Einspruch oder einer Klage hemmt die Festsetzungsfrist. Wird erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ein Rechtsbehelf fristgerecht eingelegt, führt dies zu einer Wiedereröffnung der Frist.

Diese läuft nicht ab, bevor nicht unanfechtbar über den Rechtsbehelf entschieden wurde. Diese Hemmung endet mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf. Unter Unanfechtbarkeit ist zu verstehen, dass gegen die Entscheidung nicht mehr mit ordentlichen Rechtsbehelfen vorgegangen werden kann.

Die Festsetzungsfrist ist wegen des gesamten Steueranspruchs gehemmt, wenn der Rechtsbehelf zulässig ist.

Erstreckt sich die Hemmung über den gesamten Steueranspruch, kann das Finanzamt unter den Voraussetzungen des § 367 II 2 AO den Steuerbescheid - gegenüber dem ursprünglichen - zu Lasten des Steuerpflichtigen verschlechtern, wenn der Steuerpflichtige angehört wurde. Dafür muss der Steuerpflichtige auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angaben von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sein. Der Steuerpflichtige kann dann den Einspruch zurück nehmen, um die Verböserung zu vermeiden.

3.4.5 Außenprüfung nach § 171 IV AO

Die Festsetzungsfrist wird durch eine Außenprüfung gehemmt, wenn

  • mit der Prüfung vor Fristablauf tatsächlich begonnen wurde oder
  • der Beginn der Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen gem. §197 II AO hinausgeschoben wurde.

Außenprüfungen im Sinne des § 171 IV AO sind

  • angeordnete
  • umfassende Ermittlungen
  • der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse,
  • die für die Besteuerung und
  • die Bemessung der Steuer maßgebend sind.

Sie umfasst

  • sowohl einen turnusmäßigen Prüfdienst, z.B. im abgekürzten Außenprüfungsverfahren gem. § 193 AO
  • als auch eine Sonderprüfung der Lohn- oder Umsatzsteuer.

Keine Außenprüfung im Sinne der Vorschrift sind jedoch einzelne, gezielte Ermittlungshandlungen der Finanzbehörde, wie etwa die Einsichtnahme in einzelne Konten oder in bestimmte Geschäftspapiere.

Die Außenprüfung ist wegen eventuell verjährten Steuern möglich, denn nur durch sie kann die Verjährung abschließend beurteilt werden.

3.4.5.1 Beginn

Die Außenprüfung beginnt durch konkrete Prüfungsmaßnahmen des Prüfers. Der Prüfer muss beim Steuerpflichtigen tatsächlich und ernsthaft erscheinen und die vorgelegten Akten sichten und prüfen.

Vorbereitungsmaßnahmen im Finanzamt, Terminabsprachen oder die Bekanntgabe der Prüfungsordnung führen nicht zum Beginn der Prüfung.

Nach § 171 IV 2 AO entfällt die Hemmung rückwirkend, wenn

  • die Außenprüfung unmittelbar nach dem Beginn für sechs Monate unterbrochen wird und
  • das Finanzamt die Gründe für die Unterbrechung zu vertreten hat.

Beantragt der Steuerpflichtige eine Verschiebung des Prüfungsbeginn gem. § 197 II AO tritt eine Ablaufhemmung nach § 171 IV AO von dem Tag an ein, an dem der Antrag gestellt wurde.

3.4.5.2 Umfang

Die Hemmung gilt für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung bezieht. Der Inhalt der Prüfungsordnung, die nach § 196 AO den zeitlichen und sachlichen Umfang festgelegt hat, bildet den äußeren Rahmen der Ablaufhemmung. Die Ablaufhemmung tritt aber nur für diejenigen Steueransprüche ein, welche aufgrund dieser Prüfungsordnung tatsächlich geprüft wurden. Somit kann die Ablaufhemmung hinter dem Umfang der Prüfungsanordnung zurückbleiben, da zum Eintritt der Hemmung neben der Anordnung eben auch die tatsächliche Prüfung hinzukommen muss.

Soll die Außenprüfung über die festgelegte Prüfungsordnung hinaus erweitert werden, muss sie innerhalb der Festsetzungsfrist geändert werden. Ein Hinweis allein, dass der Prüfer verpflichtet ist, auf Tatbestandsmerkmale zu achten, die für andere Steuern von Bedeutung sein können, bewirkt keine Hemmung.

3.4.5.3 Grundlagen- und Folgebescheide

Nach §§ 181 I, 171 IV AO hemmt die Außenprüfung nur die Festsetzungsfrist für die Grundlagenbescheide, nicht für Folgebescheide. Für sie gilt § 171 X AO. Die Frist für Folgebescheid wird im Ausmaß der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe hinausgeschoben. Sie läuft nicht ab, wenn die Frist des von der Bindungswirkung des Grundlagenbescheides nicht erfassten Teils der Steuer auf Grund der Außenprüfung gehemmt ist. Dadurch kann eine Anpassung des Folgebescheids an dem Grundlagenbescheid und der Auswertung der Ergebnisse der Außenprüfung erreicht werden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Änderung von Steuerbescheiden“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-46-5.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Herausgeber / Autor(-en):

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 181 AO, § 171 AO, § 197 AO, § 129 AO

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