Die Änderung von Steuerbescheiden – Teil 07 – Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden nach § 172 AO
5. Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden nach § 172 AO
5.1 Allgemeines
Gem. § 172 AO kann ein Steuerbescheid und diesem gleichgestellte Bescheide unter den dort normierten Voraussetzungen aufgehoben oder geändert werden.
Dem Steuerbescheid gleichgestellte Bescheide sind Bescheide, auf die die Vorschriften über die Steuerfestsetzung angewendet werden, wie z.B.:
- Freistellungs- und Vergütungsbescheide § 155 I 3, IV AO
- Feststellungbescheide § 181 I AO
- Messbescheide § 184 I AO
- Zerlegungsbescheide § 188 AO
- Zinsbescheide § 239 AO
Nicht darunter zu fassen sind Haftungsbescheide. Diese können demnach nicht nach § 172 AO geändert werden.
Von einer Aufhebung spricht man, wenn der Steuerbescheid ersatzlos wegfällt, sodass er seine Wirkung verliert. Zahlungen, die der Steuerpflichtige auf Grund dieses Steuerbescheides gezahlt hat, sind ihm zurück zu erstatten.
Eine Änderung liegt vor, wenn ein Verwaltungsakt bzw. Steuerbescheid einen anderen sachlichen Inhalt erhält. Der geänderte Bescheid umfasst zwar den ursprünglichen Bescheid und dessen Regelungsinhalt, allerdings entfaltet der ursprüngliche Bescheid keine Wirkung, solange der Änderungsbescheid wirksam ist.
5.2 Voraussetzungen
Voraussetzung für eine Änderung oder Aufhebung nach § 172 AO ist, dass der Steuerbescheid endgültig ist. Es darf kein Fall des Vorbehalts der Nachprüfung oder der Vorläufigkeit nach §§ 164, 165 AO vorliegen.
5.2.1 Verbrauchssteuern nach § 172 I Nr. 1 AO
Betrifft der Steuerbescheid Verbrauchssteuern, wie
- Tabaksteuer
- Kaffeesteuer und
- Einfuhrumsatzsteuer
kann er uneingeschränkt aufgehoben bzw. geändert werden, wenn die Festsetzungsfrist von einem Jahr noch nicht abgelaufen ist.
5.2.2 andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes oder Verbrauchsteuern nach § 172 I Nr. 2 AO
Andere Steuerbescheide, die keine Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes oder Verbrauchsteuern nach § 172 I Nr. 2 AO betreffen, können nur aufgehoben bzw. geändert werden, soweit
- der Steuerpflichtige zustimmt
- der Steuerpflichtige die Änderung beantragt hat
- der Steuerbescheid von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist
- der Steuerbescheid durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist
- die Änderung oder Aufhebung sonst gesetzlich zugelassen ist.
5.2.2.1 Zustimmung oder Antrag des Steuerpflichtigen nach § 172 I Nr. 2 a AO
Nach § 172 I 1 Nr. 2 a AO kann ein Steuerbescheid sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen auf Antrag bzw. mit Zustimmung des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert werden.[1]
Die Zustimmung als Einverständniserklärung des Steuerpflichtigen mit einer von der Finanzbehörde beabsichtigten Aufhebung oder Änderung des Bescheids ist nicht formgebunden. Sie ist vor Erlass des Änderungsbescheids zu erklären.
Nur im Rahmen des Antrags des Steuerpflichtigen ist eine Änderung des Steuerbescheids möglich. Hinsichtlich der anderen Besteuerungsgrundlagen können Änderungen nur noch vorgenommen werden, wenn eine andere Korrekturvorschrift einschlägig ist. Der Steuerpflichtige muss die Änderung eines bestimmten Lebenssachverhaltes beantragen. Der Antrag kann formlos erfolgen.
Über den Antrag des Steuerpflichtigen muss innerhalb der Ablaufhemmung des § 171 III AO entschieden werden. Mit dem Änderungsantrag kann keine Aussetzung der Vollziehung beantragt werden, da der Änderungsantrag keine Anfechtung des Steuerbescheides gem. § 361 AO beinhaltet.
Übt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht aus, indem er seine Erklärungen nach § 153 AO berichtigt, kann das nicht als Zustimmung zur Änderung.
Beispiel
Frau Becker berichtigt ihre Steuererklärung gem. §§ 153, 371 AO aufgrund einer Selbstanzeige.
- Diese Erklärung entspricht ihrer Mitwirkungspflicht. Sie kann nicht als Zustimmung zur Änderung zu ihren Lasten nach § 172 I 1 Nr. 2 a AO verstanden werden.
5.2.2.2 Sachlich unzuständigen Behörde nach § 172 I Nr. 2 b AO
Bescheide einer sachlich unzuständigen Behörde können nach § 172 I Nr. 2 b AO ohne weitere Voraussetzungen aufgehoben oder geändert werden. Bei Steuerbescheiden ist diese Vorschrift allerdings ohne Bedeutung, da in einem solchen Fall regelmäßig die Nichtigkeit des Steuerbescheides nach § 125 AO eintritt.
5.2.2.3 Unlautere Mittel nach § 172 I Nr. 2 c AO
Ein Steuerbescheid darf gem. § 172 I Nr. 2c AO aufgehoben oder geändert werden, wenn er durch unlautere Mittel wie
- arglistige Täuschung
- Drohung oder
- Bestechung
erwirkt worden ist.
Steuerbescheide werden in der Regel durch unlautere Mittel erwirkte, wenn eine Steuerhinterziehung gem. § 370 AO vorliegt.
Die leichtfertige Steuerverkürzung gem. § 378 AO kommt dagegen als unlauteres Mittel nicht in Betracht, da steuererhebliche Tatsachen bewusst falsch erklärt bzw. verschwiegen sein müssen.
Beispiel
Der Steuerpflichtige Herr Maurer droht dem zuständigen Sachbearbeiter seines Finanzamtes, Enthüllungen aus seinem Privatleben an die Öffentlichkeit zu tragen, wenn er den Steuerbescheid nicht wie gewünscht erstellt. Unter dieser Drohung erlässt der zuständige Sachbearbeiter den gewünschten Steuerbescheid.
- Der Steuerbescheid kann nach § 172 I Nr. 2c AO aufgehoben werden.
5.2.2.4 Sonstige Korrekturnormen nach § 172 I Nr. 2 d AO
Sonstige Korrekturnormen sind
- §§ 129, 173 ff. AO
- § 10 d EStG
- §§ 15 a, 17 UStG
- § 35 b GewStG
- § 34 EStG.
[1] Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO): Zu § 172 AO Nr. 3.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Änderung von Steuerbescheiden“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-46-5.

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2016