Bilanzierung – Teil 03 – Bilanzierung dem Grunde nach: abstrakte Bilanzierungsfähigkeit
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
2 Bilanzierung dem Grunde nach, der Höhe nach und dem Ausweis nach
Die Posten, die in die Bilanz aufzunehmen sind, sind
- dem Grunde nach
- der Höhe nach und
- dem Ausweis nach
zu bilanzieren.
Unter Bilanzierung dem Grund nach versteht man die Bilanzierungsfähigkeit bzw. Bilanzierungspflicht von Vermögensgegenständen und Schulden. Es geht also um die Frage, ob ein Sachverhalt überhaupt in die Bilanz aufgenommen werden kann bzw. muss. In der Praxis spricht man oft vom Bilanzansatz bzw. Aktivierung und Passivierung von Vermögensgegenständen und Schulden.
Bei der Bilanzierung der Höhe nach geht es um die Frage mit welchem Betrag der Vermögensgegenstand oder die Schuld in der Bilanz zu erfassen ist. Es geht also um die Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden, die in der Bilanz anzusetzen sind.
Bei der Bilanzierung dem Ausweis nach geht es darum wo bzw. an welcher Stelle der Vermögensgegenstand bzw. die Schuld in der Bilanz auszuweisen ist d.h. unter welchen Bilanzposten ist der Sachverhalt in der Bilanz zu erfassen. Im Übrigen bestimmt der Ausweis den Bewertungsansatz.
2.1 Bilanzierung dem Grunde nach (Bilanzansatz)
Im Folgenden wird dargestellt, welche Güter grundsätzlich in eine Bilanz aufgenommen werden können bzw. müssen. Soweit ein Sachverhalt die Charakteristika eines Vermögensgegenstandes oder einer Schuld erfüllt, liegt eine sog. "abstrakte Bilanzierungsfähigkeit" vor. Unter Berücksichtigung gesetzlicher oder durch GoB gewährter Bilanzierungswahlrechte oder -verbote ergibt sich die sog. "konkrete Bilanzierungsfähigkeit", d.h. der durchzuführende Bilanzansatz.
2.1.1 abstrakte Bilanzierungsfähigkeit
Bei der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit wird beurteilt, ob ein Vermögensgegenstand bzw. eine Schuld überhaupt vorliegt. Soweit ein Sachverhalt die Charakteristika eines Vermögensgegenstandes oder einer Schuld erfüllt, liegt eine sogenannte abstrakte Bilanzierungsfähigkeit vor. Die Beurteilung, ob ein Vermögensgegenstand oder eine Schuld vorliegt, erfolgt nach der jeweiligen Definition von Vermögensgegenständen und Schulden.
2.1.1.1 Definition Vermögensgegenstand
Der Begriff Vermögensgegenstand ist nicht im Gesetz definiert, sondern leitet sich aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ab. Der Begriff Vermögensgegenstand umfasst nicht nur Sachen und Rechte im zivilrechtlichen Sinne, sondern ganz allgemein Sachen und Rechte die im allgemeinen Sprachgebrauch als Vermögensgegenstände angesehen werden. Ein Vermögensgegenstand in diesem Sinne muss folgende Kriterien kumulativ erfüllen:
- (erwartbarer) wirtschaftliche Werte, die
- selbstständig bewertbar und
- selbstständig verkehrsfähig d.h. einzeln verwertbar sind.
Während der wirtschaftliche Wert durch seinen zukünftigen Nutzen für das Unternehmen charakterisiert ist, fordert das Merkmal der selbstständigen Bewertbarkeit das Vorliegen eines geeigneten Wertmaßstabes d.h. das Vorliegen von Aufwendungen. Für die Verwertbarkeit reicht es aus, dass das Gut seinem Wesen nach einzeln verwertbar sein muss.
Beispiel 1
Geschäftsführer A der X-GmbH in Gründung (i.G.). kauft vor Eintragung der GmbH ins Handelsregister, im Namen der GmbH zwei Maschinen bei L. Ebenfalls beauftragt er den Prokuristen Z, beim Lieferanten Y zwei Maschinen für die GmbH i.G. zu kaufen. Z führt die Weisung ordnungsgemäß aus und schließt einen Kaufvertrag mit Lieferant Y. Kurz darauf wird die X-GmbH i.G. unter Änderung der Firma in XX-GmbH ins Handelsregister eingetragen.
- Die fraglichen Ansprüche können nur noch gegen die X-GmbH geltend gemacht werden. Die Änderung der Firma von der X-GmbH in die XX-GmbH ist unerheblich. Es handelt sich um dieselbe Gesellschaft. Mit anderen Worten: Die Ansprüche des Y und L gegen die ehemalige X-GmbH i.G gehen auf die neue XX-GmbH über und sind gegen diese geltend zu machen. Auf eine persönliche Haftung des A oder Z kann verzichtet werden, da diese nur persönlich haften würden, wenn die X-GmbH i.G. nicht in das HGB eingetragen worden wäre.
Beispiel 2
Unternehmer Müller beauftragt eine Beratungsgesellschaft mit der Konzeption einer Marketingstrategie. Die Ergebnisse werden in einer 200 seitigen Stellungnahme präsentiert. Müller zahlt hierfür 50.000,- €. Liegt ein Vermögensgegenstand vor?
- Ein Vermögensgegenstand liegt vor, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind:
1. erwartbarer wirtschaftlicher Wert (Nutzbarkeit) (+) Marketingstrategien bringen dem Unternehmen einen nutzen; zumindest einen erwarteten nutzen.
2. selbständige Bewertbarkeit (Anschaffungskosten etc.) (+) ist erfüllt, da Aufwendungen in Höhe von 50.000,- € Aufwendungen zugeordnet werden können.
3. selbständige Verkehrsfähigkeit (die Sache muss einzeln verwertbar sein) (-)
Fraglich bleibt, ob eine selbständige Verkehrsfähigkeit gegeben ist. Das muss hier verneint werden, da die Marketingstrategien nicht isoliert vom Unternehmen verwertet werden kann. Somit nicht aktivierungsfähig.
Ergebnis: Es liegt hier somit kein Vermögensgegenstand vor, da alle 3 Kriterien kumulativ (gemeinsam) existieren müssen; also keine Aktivierung sondern eher als Aufwendungen buchen.
Buchungssatz: Aufwand an Verbindlichkeiten aus Leistungen und Lieferungen 50.000,- €
2.1.1.2 Definition Schulden
Der Begriff Schulden ist ebenfalls nicht im Gesetz definiert. Eine Schuld ist durch folgende Kriterien gekennzeichnet, die ebenfalls kumulativ vorliegen müssen:
- Es muss sich um eine rechtliche oder wirtschaftliche Verpflichtung handeln,
- die Verpflichtung muss eine wirtschaftliche Belastung darstellen, die zu einer künftigen Bruttovermögensminderung führt, und
- die Verpflichtung muss zumindest im Rahmen einer Bandbreite quantifizierbar sein.[1]
Beispiel
Unternehmer Müller nimmt einen Kredit in Höhe von 100.000,- € bei der Bank auf. Liegt eine Schuld vor?
- Es liegt eine erwartbare wirtschaftliche Belastung (zukünftige Vermögensminderung) vor, denn Müller muss den Kredit tilgen. Die Kreditaufnahme stellt auch eine selbständige Bewertbarkeit dar, d.h. die Verpflichtung muss quantifizierbar sein. Dies ist in Höhe des Kreditbetrages von 100.000,- € der Fall. Die Leistungsverpflichtung des Unternehmens liegt in der vertraglichen Verpflichtung den Kreditvertrag zu tilgen; er kann sich dem nicht entziehen. Ergebnis: Mithin liegt eine Schuld vor.
[1] Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 12. Auflage S. 131.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bilanzierung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6.
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LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016