Die strafbefreiende Selbstanzeige – Teil 05 – Berichtigungserklärung nach § 371 AO: Gegenstand, Anforderungen, Form
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4 Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige
An die Selbstanzeige werden hohe gesetzliche Anforderungen gestellt.
4.1 Überblick
Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige setzt voraus, dass der Anzeigenerstatter gegenüber der Finanzbehörde
- zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart
- in vollem Umfang
- die unrichtigen Angaben berichtigt oder
- die unvollständige Angaben ergänzt bzw.
- die unterlassene Angaben nachholt (§ 371 Abs. 1 AO) und
- bei bereits eingetretener Steuerverkürzung
- die zu seinen Gunsten hinterzogenen bzw. verkürzten Steuern
- sowie Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und
- Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Zinsen nach § 235 Abs. 4 angerechnet werden,
- innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist
- nachentrichtet (§ 371 Abs. 3 AO).
Die wirksame Berichtigungserklärung muss rechtzeitig, d.h. vor Eintritt der in § 371 Abs. 2 S. 1 AO genannten Sperr-/Ausschlussgründe erstattet worden sein, damit der Steuerhinterzieher Straffreiheit erlangt.
4.2 Berichtigungserklärung (§ 371 Abs. 1 AO)
Die Berichtigungserklärung beziehungsweise die Selbstanzeige setzt ein aktives Tun voraus. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige gem. § 371 Abs. 1 AO
- zu allen unverjährten Steuerstraftaten
- mind. aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart der letzten zehn Kalenderjahre
- in vollem Umfang
- die unrichtigen oder unvollständigen Angaben
- bei der Finanzbehörde
- zu berichtigen oder zu ergänzen hat oder
- die unterlassenen Angaben nachzuholen hat.
4.2.1 Gegenstand der Berichtigung
Die Regelungen über die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO knüpft zum einen an eine Verletzung von Steuererklärungspflichten gem. §§ 149 ff. AO in Verbindung mit den Einzelsteuergesetzen an, durch die die richtige Festsetzung der geschuldeten Steuern verhindert wurde.
Zum anderen erfasst § 371 AO Fälle, in denen der Steuerpflichtige gegenüber einer Finanzbehörde unrichtige Angaben außerhalb einer förmlichen Steuererklärung gemacht hat, die zu einer Steuerverkürzung führen, wie z.B. im Rahmen
- einer Stundung § 222 AOe
- inem Erlass § 227 AO sowie
- der Vereitelung oder Verzögerung von Vollstreckungsmaßnahmen nach den §§ 249 ff. AO.
Diese unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben müssen Gegenstand der Berichtigungserklärung sein.
4.2.2 Anforderungen an eine Berichtigung
Die Berichtigung muss keine neuen Umstände enthalten, die der Finanzbehörde noch unbekannt sind oder die der Anzeigenerstatter zumindest für unbekannt hält. Denn "Berichtigen" heißt, unrichtige, unvollständige oder fehlende Angaben durch die richtigen und vollständigen zu ersetzen. Inwiefern die der Finanzbehörde gegebene Information für diese neu ist, ist erst im Rahmen der Sperrgründe wichtig.[1]
Sie muss sich auf steuerlich erhebliche Tatsachen erstrecken. Erforderlich ist daher, dass der Anzeigenerstatter der Finanzbehörde den steuerlich relevanten Sachverhalt darlegt, d.h. die von ihm verwirklichten Besteuerungsgrundlagen offenlegt. Bei den steuerlichen erheblichen Tatsachen sind in der Regel Zahlenangaben vorzunehmen. Eine Ausnahme ist unter anderem dann gegeben, wenn die Zuordnung von Besteuerungsgrundlagen zu bestimmten Personen- oder Vermögensmassen vorzunehmen ist, denn die Finanzbehörde kennt den Umfang der Zahlen bereits und kann dementsprechend berichtigen. Die steuerrechtliche Beurteilung des Sachverhalts ist dann der Finanzbehörde überlassen.
4.2.3 Form der Selbstanzeige
Im Folgenden geben wir Ihnen einen Einblick zu der Form einer Selbstanzeige. Besonders hervorzuheben ist die Abgabeform der Selbstanzeige sowie deren Nachweis.
4.2.3.1 Allgemeines zur Form der Selbstanzeige
Eine besondere Form für die strafbefreiende Selbstanzeige sieht die Abgabenordnung (AO) nicht vor, insbesondere muss sie nicht - wie etwa die Steuererklärung - auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck abgegeben werden.
Das bedeutet, dass die Berichtigungserklärung in jeder Form erfolgen kann, sei es
- schriftlich
- mündlich
- zu Protokoll bei der zuständigen Finanzbehörde
- telefonisch
- per Telefax oder
- per Email.
Zur Dokumentation der Übermittlung beziehungsweise des Zugangs bei der Finanzbehörde empfiehlt es sich, die Selbstanzeige schriftlich abzugeben. Im Fall der Abgabe der strafbefreienden Selbstanzeige per Telefax sollte das Telefaxgerät so eingestellt sein, dass die erste Seite des gesendeten Dokuments auf dem Sendebericht abgedruckt ist, sodass nachgewiesen werden kann, welches Dokument gefaxt wurde.
Es sollte vermieden werden die strafbefreiende Selbstanzeige als „strafbefreiende Selbstanzeige“ zu bezeichnen oder auf § 371 AO Bezug zu nehmen. In der Praxis wird daher mit den Begriffen der „Nacherklärung“ oder „Nachmeldung“ gearbeitet.
Weiterhin braucht die Selbstanzeige keinen Hinweis auf die strafrechtliche Seite zu erhalten. Deshalb ist eine Selbstbezichtigung nicht erforderlich. Die Selbstanzeige sollte neutral abgefasst werden.
Im Übrigen braucht die schriftliche Selbstanzeige nicht unterschrieben sein, wenn sich die Identität des Anzeigenerstatters aus dem Inhalt ergibt.[2]
4.2.3.2 Jahressteuererklärung
Die Selbstanzeige kann in Form einer (Jahres-) Steuererklärung (Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerjahreserklärung) abgegeben werden. Eine Steuererklärung reicht - in den Fällen, in denen die Steuerhinterziehung durch eine Nichtabgabe der Steuererklärung begangen wurde - als Selbstanzeige aus, wenn der Steuerpflichtige der Finanzbehörde noch nicht bekannt war.[3] Mit anderen Worten. Nicht jede Person ist zwangsläufig zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Werden nämlich nur Lohneinkünfte erzielt, bei dem der Arbeitgeber die Lohnsteuer bereits an das Finanzamt abgeführt hat, so braucht der Arbeitnehmer keine Steuererklärung einzureichen. Erzielt eine Person jedoch nur Einkünfte aus Geldvermögen, so ist er durchaus genötigt eine Steuererklärung abzugeben.
Wenn der Steuerpflichtige allerdings zuvor eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung eingereicht hat, muss in der abweichenden Steuererklärung der Wille zum Ausdruck kommen, dass diese Erklärung an die Stelle der ursprünglichen Steuererklärung treten soll. Hierzu ist ausreichend, dass sich aus der neuen Erklärung eine höhere Steuer ergibt. Die Einreichung einer korrigierten Umsatzsteuerjahreserklärung als Selbstanzeige sollte mit einer Aufstellung der Umsätze nach Monaten oder Kalendervierteljahren erfolgen, wenn man das Risiko einer unwirksamen strafbefreienden Selbstanzeige in Hinblick auf die Gesetzesänderung vermeiden will, denn nach wie vor verlangt der Gesetzgeber und auch die Rechtsprechung das die Selbstanzeige vollständig sein muss, d.h. also auch mit gewissen Zahlen versehen sein sollte.
[1] Fußnote
[2] Fußnote
[3] Fußnote
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die strafbefreiende Selbstanzeige“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen mt Fußnoten im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2.
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Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
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Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28
Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
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