Besteuerung Personengesellschaften – Teil 05 – Besonderheiten eines stillen Gesellschafters; Doppelstöckige Mitunternehmerschaften
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4.2.4 Besonderheiten eines stillen Gesellschafters
Von einer stillen Gesellschaft spricht man, wenn eine Gesellschaft nach außen nicht als solche in Erscheinung tritt, sondern der Betrieb vielmehr nach außen als Einzelunternehmen (oder als Gesellschaft ohne Beteiligung des stillen Gesellschafters) geführt wird. Der stille Gesellschafter muss sich an dem Unternehmen mit einer Vermögenseinlage beteiligen, die in das Vermögen des Gesellschaftsinhabers übergeht, vgl. § 230 Abs. 1 HGB.
Die Besonderheit der stillen Gesellschaft liegt darin, dass zwischen dem Inhaber (unabhängig davon, ob es sich um ein Einzelunternehmen oder um eine Gesellschaft handelt) und dem jeweiligen stillen Gesellschafter kein Gesamthandsvermögen gebildet wird. Das Vermögen ist zivilrechtlich allein dem Inhaber zuzurechnen.
Bei der steuerrechtlichen Beurteilung einer stillen Gesellschaft wird zwischen der typisch stillen Gesellschaft und der atypisch stillen Gesellschaft unterschieden. Nach der danach zu treffenden Beurteilung sind dann die Einkünfte der stillen Gesellschafter zu qualifizieren, indem darauf abzustellen ist, ob der stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Ist er Mitunternehmer, d. h., hat er sowohl Mitunternehmerrisiko als auch Mitunternehmerinitiative, so erzielt er gewerbliche Einkünfte. Hat der stille Gesellschafter keine Mitunternehmerstellung, so erzielt er - wenn er seine Beteiligung im Privatvermögen hält - Einkünfte aus Kapitalvermögen.
4.2.4.1 Typisch stiller Gesellschafter
Eine typisch stille Gesellschaft liegt vor, wenn folgende Merkmale gegeben sind:
- Der typisch stille Gesellschafter beteiligt sich am Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage, diese Einlage geht in das Vermögen des anderen über, § 230 Abs. 1 HGB.
- Der stille Gesellschafter ist nicht an den stillen Reserven des Handelsgeschäftes, die in den Wertansätzen des Betriebsvermögens stecken, beteiligt.
- Der stille Gesellschafter ist am laufenden Gewinn und einem eventuellen Verlust beteiligt, § 232 Abs. 1 HGB. Die Verlustbeteiligung ist auf die geleistete Einlage begrenzt, § 232 Abs. 2 HGB.
- Der stille Gesellschafter ist wirtschaftlich wie ein Darlehensgeber mit Gewinnbeteiligung anzusehen.
- Der stille Gesellschafter ist nicht zur Geschäftsführung befugt und hat nur Kontrollrechte, wie die Einsicht in die Bücher und Papiere sowie den Jahresabschluss, § 233 Abs. 1 HGB.
- Bei Auflösung der stillen Gesellschaft erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Inhaber des Handelsgewerbes. Der stille Gesellschafter wird in Geld (Rückzahlung der Vermögenseinlage) abgefunden, § 235 HGB.
- Der typisch stille Gesellschafter erzielt Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG (unter der Voraussetzung, dass er seine Beteiligung im Privatvermögen hält).
4.2.4.2 Atypisch stiller Gesellschafter
Der atypisch stille Gesellschafter ist dagegen als Mitunternehmer des Betriebes im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen. Er erzielt grundsätzlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der atypisch stille Gesellschafter erbringt zwar - wie der typisch stille Gesellschafter - aufgrund des Beteiligungsvertrages eine Einlage in das Vermögen des Inhabers auf Grundlage des § 230 Abs. 1 HGB. Das bedeutet, dass auch der atypisch stille Gesellschafter nicht dinglich am Vermögen des Inhabers beteiligt wird. Aber aufgrund der Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsvertrages wird der atypisch stille Gesellschafter schuldrechtlich so gestellt, als wäre er dinglich am Vermögen des Inhabers beteiligt.
Dies erfolgt dadurch, dass er nicht nur am Gewinn und Verlust beteiligt wird, sondern in der Regel bei Beendigung der Gesellschaft auch an den stillen Reserven in den Wertansätzen des Anlagevermögens und am Geschäftswert beteiligt ist. Daraus folgt, dass ein atypisch stiller Gesellschafter Mitunternehmer i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist, wenn ihm schuldrechtlich die Vermögensrechte eingeräumt werden, die ein Kommanditist erlangen muss, um als Mitunternehmer angesehen zu werden. D.h., er muss annähernd die Rechte haben, die ein Kommanditist nach den Regelungen des HGB hat. Anders als bei den Personengesellschaften, die nach der Auflösung regelmäßig als Liquidationsgesellschaften fortbestehen, findet bei der atypisch stillen Gesellschaft eine Abwicklung nicht statt. Da zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem stillen Gesellschafter lediglich schuldrechtliche Beziehungen bestehen, geht die stille Gesellschaft mit ihrer Auflösung sofort unter, unabhängig davon ist der atypisch stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen, da er aufgrund der schuldrechtlichen Abreden wirtschaftlich die Rolle eines Kommanditisten innehat und somit als Mitunternehmer anzusehen ist.
4.2.5 Doppelstöckige Mitunternehmerschaften
Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG können nicht nur natürliche oder juristische Personen, sondern auch andere Personengesellschaften sein.
Bei einer doppelstöckigen Mitunternehmerschaft kann der Gesellschafter einer Obergesellschaft als Mitunternehmer der Untergesellschaft anzusehen sein. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG enthält die erforderlichen Tatbestandsmerkmale:
- Es muss eine gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Personengesellschaft - gleichgültig welcher Rechtsform - als Untergesellschaft vorhanden sein, wobei die teilweise Gewerblichkeit gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ausreichend ist.
- Darüber hinaus muss eine Personengesellschaft, die an der Untergesellschaft unmittelbar beteiligt ist (=Obergesellschaft) oder an einer Personengesellschaft, die ihrerseits wieder Obergesellschaft ist (=mehrstöckige Mitunternehmerschaft) vorhanden sein, die damit ihren Gesellschaftern die Beteiligung an der Untergesellschaft vermittelt.
- Eine ununterbrochene Mitunternehmerkette ist zwingende Voraussetzung für eine doppelstöckige (oder mehrstöckige) Mitunternehmerschaft, d. h. die Obergesellschaft und deren Gesellschafter müssen jeweils Mitunternehmer der Untergesellschaften sein, an denen sie unmittelbar beteiligt sind.
Beispiel
Gesellschafter der ABC oHG sind A (25% Anteil), B (35% Anteil) und C (40% Anteil). Die ABC oHG ist ihrerseits (einzige) Kommanditistin der gewerblich tätigen D GmbH & Co. KG. Komplementärin der D GmbH & Co. KG ist die D GmbH. Der Gewinn der D GmbH & Co. KG beträgt 100.000 €, die Komplementärin erhält einen Gewinnanteil von 10%.
- Bei einer solchen Gesellschaftskonstruktion wird die ABC-oHG als Obergesellschaft und die D-GmbH & Co. KG als Untergesellschaft bezeichnet. Es liegt eine doppelstöckige Mitunternehmerschaft vor.
Die Besteuerungsgrundlagen der KG sind gesondert und einheitlich mit 100.000 € festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO) und (entsprechend dem vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel) den beiden Mitunternehmern D GmbH mit 10.000 € und der ABC-oHG mit 90.000 € zuzurechnen.
Der Gewinn/ Verlust der ABC-oHG ist ebenfalls gesondert und einheitlich festzustellen und den Mitunternehmern A, B und C entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen: A: 25 % von 90.000 € = 22.500 €; B: 35 % von 90.000 € = 31.500 €; C: 40 % von 90.000 € = 36.000 €.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Besteuerung Personengesellschaften“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6.

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Carola Ritterbach
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Monika Dibbelt
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Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016