Besteuerung Personengesellschaften – Teil 09 – Fiktion des Gewerbebetriebs gem. § 15 Abs. 3 EStG
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4.4 Fiktion des Gewerbebetriebs gem. § 15 Abs. 3 EStG
In § 15 Abs. 3 EStG sind zwei Fallkonstellationen geregelt, die zur Fiktion eines Gewerbebetriebes und somit auch zur Bildung von steuerlichem Betriebsvermögen führen.
4.4.1 Gemischt tätige Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
Übt eine Personengesellschaft auch eine ihrer Art nach gewerbliche Tätigkeit aus d.h. ist sie teils freiberuflich oder land- und forstwirtschaftlich oder vermögensverwaltend und teils gewerblich tätig, so gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ihre mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Weitere Einkünfte, die die Gesellschaft erzielt und die ihrem Charakter nach zu einer anderen Einkunftsart, z. B. zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder Vermietung und Verpachtung zu rechnen sind, stellen danach Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Personengesellschaft dar (sog. Abfärbetheorie).
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG beinhaltet eine Umqualifizierung der nicht gewerblichen Einkünfte, soweit diese den Tatbestand einer der anderen sechs Einkunftsarten erfüllen, in gewerbliche Einkünfte.
Folgende Voraussetzungen müssen für die Umqualifizierung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG erfüllt sein:
- Eine oHG, KG oder andere Personengesellschaft
- übt eine gewerbliche Tätigkeit i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. Abs. 2 EStG aus oder bezieht gewerbliche Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
- und übt eine weitere Tätigkeit im Rahmen einer anderen Einkunftsart aus.
Die freiberufliche und die gewerbliche Tätigkeit sind nicht als einheitlich zu betrachtende Gesamtbetätigung anzusehen. Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus und sind die Tätigkeiten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor. Diese einheitliche Tätigkeit ist steuerrechtlich danach zu qualifizieren, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht.
4.4.1.1 Umfang der gewerblichen Tätigkeit
Grundsätzlich muss die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG angesprochene gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft keinen besonderen Umfang haben. Bereits aus der Formulierung „auch“ ergibt sich, dass schon bei geringfügiger gewerblicher Betätigung die gesamte Tätigkeit der Personengesellschaft als Gewerbebetrieb gilt.
Die Abfärbetheorie ist vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG angesehen worden.(Fußnote)
Allerdings hat der BFH in einem Fall, in dem der gewerbliche Anteil am Umsatz 1,25 % betrug und der Umsatz aus der gewerblichen Tätigkeit unterhalb des gewerbesteuerlichen Freibetrages lag, von einer Umqualifizierung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Abstand genommen und dies auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützt.(Fußnote)
Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften hat der BFH entschieden, dass die Beteiligung an einer anderen gewerblichen Personengesellschaft nicht zur Gewerblichkeit der gesamten Einkünfte der vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt.(Fußnote)
4.4.1.2 nicht erfasste Gesellschaften
Nicht von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG erfasst werden Mitunternehmerschaften, die keine Personengesellschaften sind, wie die Erbengemeinschaft oder die eheliche Gütergemeinschaft. Daraus folgt, dass bei einer teilweise gewerblich tätigen Erbengemeinschaft sich die gewerbliche Tätigkeit auf den zum Nachlass gehörenden Betrieb beschränkt, die Anwendung der Abfärbetheorie kommt nicht in Betracht.
4.4.2 Gewerblich geprägte Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG
Durch § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG soll die vom BFH entwickelte sogenannte Geprägerechtprechung gesetzlich abgesichert werden.
In den Fällen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Betätigung einer Personengesellschaft als Gewerbebetrieb (kraft Rechtsform), d. h. die Gesellschafter beziehen als Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Für das Bestehen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft sind folgende Tatbestandsmerkmale erforderlich:
- Es muss eine Personengesellschaft vorliegen,
- die (eine mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene Betätigung, jedoch) keine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt, d. h. eine Personengesellschaft, die ihren Gesellschaftern - ohne die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG - Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung vermitteln würde.
- bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften oder diesen gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG gleichgestellten gewerblich geprägten Personengesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind.
Damit liegt keine gewerbliche Prägung vor, wenn z. B.
- nur natürliche Personen persönlich haftende Gesellschafter sind neben Kapitalgesellschaften auch natürliche Personen persönlich haftende Gesellschafter sind
- Körperschaften, die keine Kapitalgesellschaften sind, persönlich haftende Gesellschafter sind oder
- Gesellschaften, bei der nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind. Gemeint ist die zivilrechtliche Geschäftsführungsbefugnis z. B. nach §§ 114 bis 117 HGB für die oHG, nach § 164 HGB für die KG, nach den §§ 709 bis 713 BGB für die GbR, nicht die gesetzliche Vertretungsmacht z.B. nach den Vorschriften der §§ 125 bis 127 HGB. Bei einer GmbH & Co. KG, deren alleinige Geschäftsführerin die Komplementär-GmbH ist, ist der zur Führung der Geschäfte der GmbH berufene Kommanditist nicht wegen dieser Geschäftsführungsbefugnis auch als zur Führung der Geschäfte der KG berufen anzusehen. Der BFH knüpft bei der Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG insoweit an gesellschaftsrechtliche Grundlagen an. Maßgebend ist die gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche organschaftliche Befugnis im Innenverhältnis der Gesellschafter zu einander. Allerdings ist § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG bereits dann nicht anwendbar, wenn ein Kommanditist (natürliche Person) neben einer Kapitalgesellschaft geschäftsführungsbefugt ist. Um die Außenwirkung einer solchen Bevollmächtigung zu gewährleisten, muss der Kommanditist zusätzlich seine Namensunterschrift unter Angabe der Firma zur Aufbewahrung beim Registergericht zeichnen, vgl. § 161 Abs. 2 iVm. §§ 106 bis 108 HGB.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Besteuerung Personengesellschaften“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6.
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Carola Ritterbach
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Monika Dibbelt
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LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
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Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28
Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema
- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
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