Steuerberaterhaftung – Teil 22 – Verjährung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
6 Verjährung
Ist der Anspruch des Mandanten verjährt, hat der Steuerberater das Recht, die Leistung an den Mandanten zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). In diesem Fall kann der Mandant seinen bestehenden Anspruch auf Schadensersatz gegen den Steuerberater nicht mehr durchsetzen. Verjährungsregelungen sollen - durch möglichst zeitnahe Klärung der Rechtsstreitigkeit - der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit dienen.[1] Die Verjährung richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften (vgl. §§ 194 ff. BGB).
6.1 Verjährungsfrist
Schadensersatzansprüche des Mandanten gegen seinen Steuerberater verjähren regelmäßig nach drei Jahren (§ 195 BGB) nach Entstehung des Anspruchs[2] und Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen.[3]
Hiervon gibt es Ausnahmen. Die Ansprüche verjähren
- spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Anspruchs unabhängig von der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB).
- spätestens 30 Jahre nach Begehung der Pflichtverletzung unabhängig von der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB).
- 30 Jahren nach der Entstehung des Anspruchs, wenn Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit verletzt wurden (§ 199 Abs. 2 BGB).
Für alle Schäden, die durch ein- und dieselbe Pflichtverletzung entstanden sind, gilt eine einheitliche Verjährungsfrist.[4] Wenn ein Schaden aus mehreren Pflichtverletzungen entstanden ist, können die Ansprüche zu unterschiedlichen Zeitpunkten verjähren.
6.2 Beginn der Verjährung
Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Mandant von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Beispiel
Steuerberater B verletzt am 05.04.2015 seine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag mit Mandant A. Von den anspruchsbegründenden Umständen erhält A am 16.07.2015 Kenntnis.
- Die Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt mit Schluss des Jahres 2015, d.h. am 31.12.2015. Der Anspruch des A gegen B ist folglich am 31.12.2018 verjährt.
6.2.1 Entstehung des Anspruchs
Der Anspruch des Mandanten auf Schadensersatz entsteht in dem Zeitpunkt, in dem sich dessen Vermögenslage durch die Pflichtverletzung objektiv verschlechtert hat.[5] Dies ist in der Regel mit der Bekanntgabe[6] des belastenden Steuerbescheides der Fall.[7]
Ferner kann es Spezialfälle geben:
- Fehlerhafter Gewerbesteuermessbescheid (Steuerbescheid stellt nur die Bemessungsgrundlage selbstständig fest, aber enthält noch keine Steuerfestsetzung): Der Anspruch entsteht mit Bekanntgabe.[8]
- Fehlerhafte Jahresumsatzsteuervoranmeldung: Der Anspruch entsteht mit der Einreichung der Steuermeldung beim Finanzamt, da die Steuervoranmeldung einer Steuererklärung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 S. 1 AO).[9]
- Fehlender Einspruch gegen Steuerbescheid: Der Anspruch entsteht mit Bestandskraft des Bescheids.
- Fehlerhafte Begründung des Einspruchs: Der Anspruch entsteht mit Bekanntgabe des Steuerbescheids.[10]
- Keine Begründung des Einspruchs und der Klage: Der Anspruch entsteht mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.[11]
6.2.2 Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände
Der Mandant muss von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Kenntnis erlangen muss der geschädigte Mandant über
- die anspruchsbegründenden Umstände und
- die Person des Schuldners.[12]
Hierzu muss der Mandant von dem Schaden und dessen Urheber so viel erfahren haben, dass er eine hinreichend aussichtsreiche und zumutbare Ersatzklage gegen den Steuerberater erheben kann. Hinsichtlich der anspruchsbegründenden Umstände bedeutet dies, dass der Mandant über die Tatsachen Kenntnis erlangt.[13] Hierzu müssen ihm allerdings weder alle Einzelheiten bekannt sein noch muss er die zutreffenden rechtlichen Schlüsse ziehen.[14]
Beispiel
Steuerberater B erstellt für seinen Mandanten A den Jahresabschluss für das Jahr 2014 fehlerhaft. Mitte 2015 wird A durch einen Hinweis seines Mitarbeiters C bekannt, dass der Jahresabschluss Fehler aufweist. A werden einige Beispiele genannt. Eine Konkretisierung der Fehler hat noch nicht stattgefunden.
- Über die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses erlangt A zum Zeitpunkt des Hinweises des C Kenntnis. Die Verjährung beginnt nur dann nicht zu laufen, wenn zum Zeitpunkt des Hinweises noch unklar ist, ob die Fehler überhaupt geeignet sind, einen Haftungsanspruch gegen B zu begründen.
Unter Umständen muss sich der Mandant die Kenntnis eines Dritten zurechnen lassen. Hierunter fällt die Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters[15] und das Wissen, das derjenige erlangt, der von dem Mandanten mit der Erledigung seiner Aufgaben betraut wird, beispielsweise das Wissen seines Steuerberaters.
[1] BGH, Urteil vom 16.06.1972, I ZR 154/70.
[2] Vgl. zur Entstehung des Anspruchs Kapitel 6.2.1.
[3] Vgl. zur Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen Kapitel 6.2.2.
[4] Vgl. BGH, Urteil vom 7.02.2008, IX ZR 198/06.
[5] BGH, Urteil vom 29.05.2008, IX ZR 222/06.
[6] Vgl. zur Bekanntgabe eines Steuerbescheid Kapitel 3.2.1.1.2.1.
[7] BGH, Urteil vom 7.02.2008, IX ZR 198/06.
[8] Vgl. BGH, Urteil vom 7.02.2008, IX ZR 198/06.
[9] BGH, Urteil vom 14.07.2005, IX ZR 284/01.
[10] Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.11. 2004, I-23 U 101/04.
[11] BGH, Urteil vom 12.02.1998, IX ZR 190/97.
[12] BGH, Urteil vom 27.5.2008, XI ZR 132/07.
[13] Vgl. BGH, Urteil vom 3.06.2008, XI ZR 319/06.
[14] Vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.12.2008, 17 U 197/08.
[15] Vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2004, IX ZR 421/00.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.
Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Steuerberaterhaftung
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2016
Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28
Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema
- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Dibbelt unter:
Mail: dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0421-2241987-0