Grundzüge des Umsatzsteuerrechts – Teil 06 – Lieferungen und sonstige Leistungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4 Lieferungen und sonstige Leistungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG
Haupttatbestandsmerkmal des UStG sind die "Lieferungen und sonstigen Leistungen" nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG. Eine Lieferung ist eine Leistung, wie sich aus dem Begriff "sonstige Leistung" schließen lässt. Die Unterscheidung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung ermöglicht eine differenzierte Besteuerung der Leistung und hat Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsortes.
4.1 Oberbegriff der Leistung
Der Begriff der Leistung ist mit dem des § 241 BGB identisch. Jedes vom Willen beherrschte wirtschaftliche Verhalten (Tun, Dulden oder Unterlassen) ist eine Leistung, der in der Regel ein Vertrag zugrunde liegt. Die zivilrechtliche Wirksamkeit dieses Vertrages, des Verpflichtungs- oder des Erfüllungsgeschäftes, ist umsatzsteuerlich irrelevant. Als Verkehrssteuer knüpft die USt an den tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgang an.
Nur Leistungen im wirtschaftlichen Sinne werden von der USt erfasst. Es muss durch ein bestimmtes Verhalten ein wirtschaftlich eigenständiger Effekt erzielt werden, d.h. ein - über die reine Entgeltentrichtung hinausgehendes - eigenes wirtschaftliches Interesse des Entrichtenden verfolgt werden.(Fußnote) Dies ist nicht der Fall bei der bloßen Bezahlung einer Ware oder Dienstleistung. Die Entgeltzahlung ist dann also nicht selbst Gegenstand einer Lieferung (Geld). Unbeachtlich sind Gründe, die einen Unternehmer zur Leistung veranlasst haben. Voraussetzung ist jedoch ein Leistungswille des Unternehmers und dass die Leistung gegenüber einem Dritten erfolgt.
4.2 Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung
Jeweils die einzelne Leistung ist der USt zu unterwerfen. Der Umfang einer Leistung ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Einheitliche wirtschaftliche Vorgänge, die ein einheitliches Ganzes bilden, dürfen nicht in mehrere Teile zerlegt werden, sondern müssen als ein einheitlicher Leistungsvorgang beurteilt werden (Einheitlichkeit der Leistung). Diese Beurteilung ist für die Bestimmung des Ortes, des Zeitpunktes der Leistung, des Steuersatzes und für die Anwendung von Befreiungsvorschriften von besonderer Bedeutung. Wenn eine umsatzsteuerliche Leistung in eine Haupt- und mehrere Nebenleistungen aufgeteilt werden kann, gibt es dennoch für den gesamten Vorgang nur einen Ort und einen Zeitpunkt der Leistung. Die Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptleistung.
Ob ein wirtschaftlicher Vorgang ein einheitliches wirtschaftliches Ganzes bildet oder zwei voneinander unabhängige Hauptleistungen vorliegen, ist nach der Verkehrsauffassung und dem Horizont des Leistungsempfängers zu beurteilen. Eine Leistung ist grundsätzlich dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie im Vergleich zu der Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. So kann der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung dazu führen, dass Vorgänge, die bürgerlich-rechtlich selbständig und damit unabhängig voneinander betrachtet werden, nach umsatzsteuerrechtlichen Gesichtspunkten als ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang behandelt werden müssen.
Beispiel
Die A-GmbH - eine Kieler Maschinenfabrik - verkauft und übereignet eine Maschine an die B-GmbH und befördert sie nach München.
- Der Verkauf und die Beförderung stellen einen einheitlichen Vorgang mit einer Haupt- und einer Nebenleistung dar. Die Hauptleistung ist die Lieferung der Maschine. Die Nebenleistung ist der Transport nach München. Der Transport nach München tritt gegenüber der der Lieferung der Maschine zurück. Der Transport als Nebenleistungen teilt umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung. Es liegt insgesamt eine Lieferung vor.
4.2.1 Abzahlungsgeschäfte
Bei Abzahlungsgeschäften im Sinne der §§ 499 ff. BGB erbringt der Verkäufer zwei Leistungen, und zwar einerseits die Warenlieferung und andererseits die Bewilligung der Teilzahlung gegen jeweils gesondert vereinbartes und berechnetes Entgelt. Die Teilzahlungszuschläge sind daher das Entgelt für eine gesondert zu beurteilende Kreditleistung. Die Kreditgewährung als selbständige Leistung ist nach § 4 Nr. 8a UStG umsatzsteuerfrei.
In den Fällen, in denen ein Unternehmer im Zusammenhang mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung einen Kredit gewährt, kann diese nur dann als gesonderte Leistung angesehen werden, wenn eine eindeutige Trennung zwischen dem Kreditgeschäft und der Lieferung/sonstigen Leistung vorliegt.
Eine andere Beurteilung gilt für Abzahlungsgeschäfte zum Katalogpreis und bei der Gewährung von Skonto auf den ausgezeichneten Preis bei vorzeitiger Zahlung. Abzahlungsgeschäfte sind jedenfalls als einheitliche Warenlieferung zu qualifizieren, wenn dem Käufer im Fall der unverzüglichen Zahlung des Kaufpreises lediglich ein Rabatt auf den Katalogpreis gewährt wird. Bei einem solchen Abzahlungsgeschäft tritt die Teilzahlungsvereinbarung hinter den Warenverkauf derart zurück, dass eine einheitliche Warenlieferung anzunehmen ist. Ebenso bewirkt der Unternehmer keine Kreditleistung, wenn der Leistungsempfänger den angebotenen Skonto nicht in Anspruch nimmt und den Kaufpreis erst mit Ablauf der Zahlungsfrist entrichtet.(Fußnote)
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Grundzüge des Umsatzsteuerrechts“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-64-9.
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LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2017
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28
Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema
- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
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