Arbeitnehmerüberlassung – Teil 16 – Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Dienstvertrag
4.2 Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Dienstvertrag
Die Abgrenzung zwischen der Arbeitnehmerüberlassung und dem Dienstvertrag ist auf theoretischer Ebene verhältnismäßig einfach:
- Beim Dienstvertrag gem. § 611 BGB schuldet der Dienstnehmer eine bestimmte Dienstleistung und nicht wie der Werkunternehmer einen bestimmten Erfolg. Die Leistung kann er durch einen Erfüllungsgehilfen erbringen.
- Bei der Arbeitnehmerüberlassung stellt der Verleiher den Leiharbeitnehmer für bestimmte Dienstleistungen zur Verfügung. Der Leiharbeitnehmer verrichtet die entsprechenden Tätigkeiten nach Weisung des Entleihers.
In der Praxis können sich allerdings Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben. Die Rechtsprechung wendet dabei zur Lösung überwiegend die bei der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Werkvertrag dargestellten Kriterien an. Eigene Abgrenzungskriterien für die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Dienstvertrag sind nicht vorhanden.
Maßgeblich sind insbesondere
- die vollständige Eingliederung in den Betrieb,
- das Weisungsrecht, und
- die Organisationshoheit.
Die anderen Kriterien scheiden aufgrund des unterschiedlichen Vertragsinhalts bei einem Dienstvertrag und einem Werkvertrag aus.
Auf den erfolgsorientierten Leistungsgegenstand kann nicht abgestellt werden, da der Dienstnehmer schuldet keine erfolgsbezogene, sondern eine tätigkeitsbezogene Leistung.
Vertragsinhalt der Arbeitnehmerüberlassung ist die Überlassung eines Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung. Der Verleiher ermöglicht dem Entleiher bei vertragsgemäßer Erfüllung, die Arbeitsleistung des Leiharbeitnehmers für dessen Betriebszweck zu nutzen. Die Leiharbeiter sind keine Erfüllungsgehilfen des Verleihers, da der Verleiher selbst keine Arbeitsleistung schuldet.
Die Dienstleistung kann sich auf Tätigkeiten jeder Art beziehen. Der Lohnanspruch ist tätigkeitsbezogen.
Im Unterschied zur Arbeitnehmerüberlassung wird bei einem Fremdpersonaleinsatz auf Grundlage eines Dienstvertrags eine selbständige Tätigkeit durch den Dienstunternehmer geschuldet. Bei der Arbeitnehmerüberlassung verpflichtet sich der Verleiher zur Verschaffung abhängiger Dienstleistungen.
Die Berücksichtigung des geschuldeten Vertragsinhalts lässt keine eindeutige Abgrenzung zu. Die Arbeitsleistungen, die von einem Fremdpersonal mithilfe eines Dienstvertrags vorgenommen werden können, gleichen den Tätigkeiten des Leiharbeiters bei einer Arbeitnehmerüberlassung.
4.2.1 Vollständige Eingliederung in den Betrieb und Weisungsrecht
Für die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Dienstvertrag ist entscheidend, ob das Fremdpersonal vollständig in den Betrieb des Dritten eingegliedert wurde.
Eine Arbeitnehmerüberlassung ist anzunehmen, wenn der Fremdarbeitnehmer in den Beschäftigungsbetrieb des Dritten tatsächlich eingegliedert wurde und der Dritte das Weisungsrecht ausübt.
Indizien für die Eingliederung des Fremdpersonals im Betrieb des Dritten ist die Nutzung der Betriebsräume, Materialien, Werkzeuge, Arbeitskleidung und die Arbeitszeiterfassung. Relevant sind die Zusammenarbeit des Leiharbeiters mit den Arbeitnehmern des Beschäftigungsunternehmens und die Miterfüllung des (unmittelbaren) Betriebszwecks.
4.2.2 Organisationshoheit
Ein Dienstvertrag liegt vor, wenn der Dienstunternehmer die Organisationsgewalt ausübt und er eine unternehmerische Entscheidungsmöglichkeit innehat. Der Dienstunternehmer muss über den Einsatz seines Personals, die Anzahl der Arbeitnehmer, die Arbeitsschichten, sowie die Urlaubs- und Freizeitzeit disponieren können.
Dagegen ist eine Arbeitnehmerüberlassung anzunehmen, wenn der Dritte die jeweils zu erbringende Leistung so detailliert regelt, dass der Dienstunternehmer bis auf die Personalauswahl keinen eigenen Entscheidungsspielraum hinsichtlich des Arbeitseinsatzes hat.
4.2.3 Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit
Nach der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit (Stand: Februar 2014) zum AÜG liegt ein Dienstvertrag nur vor, wenn der dienstleistende Unternehmer die geschuldeten Dienste entweder in eigener Person oder mittels eines Erfüllungsgehilfen unter eigener Verantwortung ausführt.
Ein Dienstvertrag kann in Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung nur vorliegen, wenn die Dienstleistung nach eigenem Plan und eigener Verantwortung des Dienstverpflichteten ausgeübt wird. Dafür muss der Dienstverpflichtete über die Organisation der Dienstleistung, die zeitliche Disposition, die Zahl der Erfüllungsgehilfen und deren Eignung bestimmen können. Die eingesetzten Arbeitnehmer müssen frei von Weisungen des Dienstberechtigten arbeiten und die Dienstleistungen müssen gegenständlich beschrieben sein.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.
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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2016