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Arbeitnehmerüberlassung – Teil 17 – Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Geschäftsbesorgungsvertrag, Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von der Verschaffung freien Dienste, Besondere Fallgruppen

4.3 Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Geschäftsbesorgungsvertrag

Die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Geschäftsbesorgungsvertrag erfolgt ebenfalls nach denselben Abgrenzungskriterien wie die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Werk- und Dienstvertrag.
Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist gem. § 675 BGB ein atypischer Dienst- oder Werkvertrag, bei dem eine Geschäftsbesorgung geschuldet wird. Unter Geschäftsbesorgung ist eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlichen Charakters im Interesse eines anderen.

Beispiel 1
Der Spediteur Herr Maier wird von der Schlosser und Stahl GmbH beauftragt, Güter zu versenden.

  • Hier liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne eines Speditionsvertrages nach § 453 ff HGB vor.

Beispiel 2
Die Bus und Fahrt OHG bedient für eine städtische Verkehrsgesellschaft eine Omnibuslinie. Es führt dabei die Dienstplanung und die Personalzuordnung eigenverantwortlich aus.

  • Hier liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter vor.

Die gegenüber dem Geschäftsherrn zu erfüllende Tätigkeit ist selbständiger Natur. Die vom Geschäftsbesorger eingesetzten Hilfspersonen können nicht den Weisungen des Geschäftsherrn unterliegen. Ferner bedarf es zur ordnungsgemäßen Besorgung des Geschäfts keiner (tatsächlichen) Eingliederung des Hilfspersonals in die Betriebsorganisation des Geschäftsherrn.
In der Praxis kommt der Abgrenzungsproblematik daher keine große Bedeutung zu.

4.4 Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von der Verschaffung freien Dienste

Bei der Verschaffung freier Dienste verpflichtet sich der Auftraggeber die Dienste eines Handelsvertreters, Wirtschaftsprüfers, Unternehmensberaters, Architekten oder Ingenieurs zu verschaffen. Von besonderer praktischer Bedeutung ist das sog. Interimsmanagement. Danach setzt ein Unternehmen externe Krisenmanager ein, die Sanierungs- und Restrukturierungsprozesse begleiten und selbständig planen und durchführen.
Diese Personen stehen in einem freien Mitarbeiterverhältnis zum Dienstverpflichteten und werden als Selbständige tätig.
Eine Arbeitnehmerüberlassung ist hier nicht denkbar. Der Selbständige ist in der Erledigung seines Auftrags grundsätzlich frei und unterliegt weder Weisungen seines Vertragspartners, noch einem Dritten.
Der Charakter der Selbständigkeit gem. § 84 I 2 HGB ist unvereinbar mit der erforderlichen Übertragung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts bei der Arbeitnehmerüberlassung.

5. Besondere Fallgruppen

5.1 Arbeitsgemeinschaft

Die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft kann unter Umständen eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung darstellen.
Eine Arbeitsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmen auf vertraglicher Grundlage zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks. Ursprünglich wurde sie auf Verlangen der Bauwirtschaft eingeführt, um die Zusammenarbeit bei der Herstellung von Großanlagen und Großbauten zu erleichtern.
§ 1 I 3 AÜG normiert eine Privilegierung für Arbeitsgemeinschaften, nach denen keine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt und das AÜG keine Anwendung findet. Heute gilt die Privilegierung auch für jeden anderen Wirtschaftszweig.

Die Privilegierung der Arbeitsgemeinschaft greift nur, wenn sie zur Herstellung eines Werkes gegründet wurde.

Beispiel 1
Mehrere Bauunternehmen schließen sich zusammen, um einen großen Bürokomplex zu errichten.

  • Die beteiligten Bauunternehmen dürfen untereinander Arbeitnehmer ohne Erlaubnis überlassen.

In Abgrenzung dazu, ist eine Arbeitnehmerüberlassung anzunehmen, wenn der Verleiher, der nicht Teil der Arbeitsgemeinschaft ist, einen Leiharbeiter an eine Arbeitsgemeinschaft überlässt. Reine Verleihunternehmen können keine privilegierte Arbeitsgemeinschaft nach § 1 I 3 AÜG bilden.

Ferner liegt eine Arbeitnehmerüberlassung innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft vor, wenn ein Tarifvertrag desselben Wirtschaftszweiges nicht für alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft gilt und eine gemischte Arbeitsgemeinschaft vorliegt.

Beispiel 2
In der Arbeitsgemeinschaft der Bauunternehmer sind neben den Handwerkern auch Architekten und Bauingenieure beteiligt. Alle drei Berufsgruppen unterliegen anderen Tarifverträgen.

  • Die Privilegierung nach § 1 I 3 AÜG greift nicht. Eine Arbeitnehmerüberlassung innerhalb der Arbeitsgemeinschaft ist nur mit einer Erlaubnis nach § 1 I 1 AÜG möglich.

Zudem kommt das AÜG zur Anwendung, wenn nicht alle Mitglieder aufgrund des Arbeitsgemeinschaftsvertrags zur selbständigen Erbringung von Vertragsleistungen verpflichtet sind.

Beispiel 3
In der Arbeitsgemeinschaft der Bauunternehmer sind nicht nur selbständige Bauunternehmer Mitglieder, sondern auch angestellte Handwerker.

  • Eine Arbeitnehmerüberlassung kann nur mit einer Erlaubnis erfolgen, da die Privilegierung nach § 1 I 3 AÜG nicht greift.

Eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung liegt somit, bei allen Zusammenschlüssen in den Dienstleistungsbereichen oder reinen Kooperationsverträgen zwischen verschiedenen Unternehmen und joint ventures vor.

Beispiel 4
Mehrere Architekten schließen sich zusammen, um ein großes Bauprojekt zu planen.

  • Ihre Tätigkeit liegt im Dienstleistungsbereich. Damit ist eine Arbeitnehmerüberlassung erlaubnispflichtig.

5.2 Personalführungsgesellschaften

Konzerninterne Personalführungsgesellschaften übernehmen die Personalbeschaffung und -führung für Konzerngesellschaften.
Ein Konzern liegt vor, wenn mindestens zwei rechtlich selbständige Unternehmen unter einheitlicher und planmäßig auf Dauer angelegter Leitung stehen.
Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn diese Personenführungsgesellschaften am konzerninternen Einsatz von Arbeitnehmern als Arbeitgeber beteiligt sind und die Arbeitnehmer je nach Personalbedarf an andere Konzernunternehmen überlassen. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer nach Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern in konzerninternen Beschäftigungs- oder Auffanggesellschaften beschäftigt werden, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.
§ 1 III Nr. 2 AÜG erlaubt eine konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird.

Für diese konzerninternen Personenführungsgesellschaften greift die Ausnahmeregelung nach § 1 III Nr. 2 AÜG nicht, selbst wenn die Personalführungsgesellschaften neben der Arbeitnehmerüberlassung auch andere Unternehmensaufgaben wahrnehmen. Andernfalls kann das Unternehmen zur konzerninternen Beschäftigungs- oder Auffangunternehmen nach Ansicht des BAG(Fußnote) dazu genutzt werden, das AÜG zu umgehen.

Der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des § 1 III Nr. 2 AÜG klargestellt, dass die Privilegierung der Konzernleihe nicht für die Arbeitnehmerüberlassung durch Personalgesellschaften gilt.

Ausgenommen von der Geltung des AÜG ist gem. § 1 III Nr. 2 AÜG die vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung eines Unternehmens an ein anderes Unternehmen desselben Konzerns. Ausschlaggebend ist, dass der betroffene Arbeitnehmer später wieder an seinen Stammarbeitsplatz im überlassenden Unternehmen zurückkehrt. Bei der konzerninternen Personalführungsgesellschaft ist im Gegensatz dazu eine spätere Rückkehr der betroffenen Arbeitnehmer an das überlassene Konzernunternehmen nicht geplant. Hier fehlt es regelmäßig am Merkmal der vorrübergehenden Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 I 2 AÜG

Der Einsatz einer konzerninternen Personalführungsgesellschaft dient in der Praxis häufig dazu, Arbeitnehmer über die Verleihgesellschaft zu den für den Konzern günstigeren Tarifbedingungen der Zeitarbeitsbranche in den entleihenden Konzernunternehmen zu beschäftigen.

Insbesondere mit Einführung der Überlassung „im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit“ gem. § 1 I 1 AÜG ist für die Erlaubnispflicht der Arbeitnehmerüberlassung nur die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr maßgebend, unabhängig davon, ob die Arbeitnehmerüberlassung gewerbsmäßig bzw. mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt. Damit benötigen auch konzerninterne Personalführungsgesellschaften eine Erlaubnispflicht nach § 1 AÜG, die Leiharbeitnehmer zum Selbstkostenpreis an andere Konzernunternehmen überlassen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Herausgeber / Autor(-en):

Portrait Tilo-Schindele  Rechtsanwalt Tilo Schindele

Normen: § 1 Abs. 3 AÜG, § 84 I 2 HGB

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