Grundzüge des Umsatzsteuerrechts – Teil 13 – Besondere Formen von Lieferungen und sonstigen Leistungen
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4.7 Besondere Formen von Lieferungen und sonstigen Leistungen
Bei den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Lieferungen und sonstigen Leistungen gibt es noch eine Vielzahl von besonderen Formen. Dies betrifft insbesondere
- das Reihengeschäft
- Werklieferungen/-leistungen und
- die Kommission.
4.7.1 Reihengeschäft
Wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und diese dadurch erfüllt werden, dass der Gegenstand der Lieferungen unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer befördert oder versendet wird, spricht man aus Gründen der Übersichtlichkeit immer von einem Reihengeschäft, auch wenn der Begriff so nicht im Gesetz zu finden ist.
In einem solchen Fall liegen zwar so viele Lieferungen wie Umsatzgeschäfte vor, jedoch nur eine dieser Lieferungen ist eine Beförderungs- oder Versendungslieferung, für die der Ort nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG zu bestimmen ist. Bei dieser Lieferung kommen die Steuerbefreiungen für Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) oder für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 6a UStG) ebenfalls in Betracht.
Welche der erfolgten Lieferungen nunmehr als warenbewegte Lieferung zu behandeln ist, bestimmt sich danach, wer den Transport des Gegenstandes übernommen bzw. diesen in Auftrag gegeben hat. Soweit der erste Unternehmer in der Lieferkette den Transport selbst übernommen oder einen Dritten dazu beauftragt hat, ist die von ihm ausgeführte Lieferung als warenbewegte Lieferung zu behandeln. Hat hingegen der letzte Abnehmer in der Reihe den Transport selbst ausgeführt bzw. in Auftrag gegeben, ist die an ihn erfolgte Lieferung als warenbewegte Lieferung zu behandeln.
Dementsprechend beurteilt es sich auch, wenn ein Unternehmer in der Mitte der Lieferkette als Abnehmer der Vorlieferung oder als Lieferer der Nachlieferung den Lieferauftrag gibt bzw. den Transport selbst ausführt. Im ersten Fall ist die an ihn erbrachte Lieferung die warenbewegte (wie beim letzten Abnehmer) und im zweiten ist die von ihm erbrachte Lieferung die warenbewegte (wie beim ersten Unternehmer). Für diesen Fall enthält § 3 Abs. 6 S. 6 UStG zudem die gesetzliche Vermutung, dass der Mittelsmann den Gegenstand grundsätzlich als Abnehmer transportieren lässt, sodass die Vorlieferung als warenbewegte Lieferung anzusehen ist. Diese Vermutung kann er durch entsprechenden Nachweis widerlegen.
Die andere oder - bei einem Reihengeschäft mit mehr als zwei Umsatzgeschäften - die weiteren Lieferungen sind „ruhende“ Lieferungen, für die der Ort nach § 3 Abs. 7 S. 2 UStG zu bestimmen ist.
Für Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung im Reihengeschäft vorangehen, gilt nach § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG der Abgangsort als Lieferort; für Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung nachfolgen, gilt der Ankunftsort als Lieferort nach § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG.
Beispiel(Fußnote)
Der Abnehmer A in Essen bestellt beim Einzelhändler U2 in Köln Maschinenteile. U2 hat die Teile nicht auf Lager und bestellt sie beim Großhändler U1 in Koblenz. U2 beauftragt den Großhändler U1, die Maschinenteile unmittelbar mit eigenem Lkw an A zu befördern. U1 führt den Auftrag vereinbarungsgemäß aus.
o Es liegt ein Reihengeschäft i.S.d. § 3 Abs. 6 S. 5 UStG vor, da mehrere Unternehmer über dieselben Maschinenteile Umsatzgeschäfte abschließen und die Maschinenteile im Rahmen einer Beförderung unmittelbar vom ersten Unternehmer U1 an den letzten Abnehmer A gelangen. Da der Gegenstand der Lieferung durch den ersten Unternehmer U1 in der Reihe befördert (durchgeführt) wird, ist die Beförderung der ersten Lieferung (U1 an U2) zuzuordnen.(Fußnote)2] Zwischen U2 und A liegt eine Lieferung ohne Warenbewegung (ruhende Lieferung) vor.
4.7.2 Kommission gem. § 3 Abs. 3 UStG
Eine weitere Besonderheit bildet das Kommissionsgeschäft. Dieses wird unterteilt in die Verkaufs- und Einkaufskommission.
4.7.2.1 Verkaufskommission
Bei der Verkaufskommission liegt nach § 3 Abs. 3 S. 2 UStG eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär vor. Diese Lieferung wird in dem Augenblick ausgeführt, in dem das Kommissionsgut vom Kommissionär an den Abnehmer geliefert wird.(Fußnote) Die Bemessungsgrundlage für die von dem Kommittenten abzuführende USt ergibt sich aus dem vom Kommissionär erzielten Preis, abzgl. dessen Provision und abzgl. USt.
4.7.2.2 Einkaufskommission
Bei der Einkaufskommission liegt eine Lieferung des Kommissionärs an den Kommittenten vor. Für den Zeitpunkt der Lieferung gilt, dass mit der Lieferung durch den Dritten an den Einkaufskommissionär gleichzeitig eine Lieferung des Einkaufskommissionärs an den Kommittenten vorliegt. Gleichgültig ist, ob die Übergabe bereits erfolgt ist oder nicht. Der Kommittent wird unmittelbar wirtschaftlicher Eigentümer. Die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ergibt sich aus dem Betrag, den der Einkaufskommissionär an den Dritten gezahlt hat, zzgl. evtl. sonstiger Kosten, zzgl. Provision abzgl. USt.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Grundzüge des Umsatzsteuerrechts“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-64-9.

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Carola Ritterbach
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Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2017