Grundzüge des Umsatzsteuerrechts – Teil 19 – Einzelne Befreiungstatbestände
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
6.2.2 Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen gem. § 4 Nr. 9a UStG
Die Grunderwerbsteuer ist wie die USt eine Objektsteuer. Unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen nach § 1 GrEStG Rechtsgeschäfte, die in Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks stehen (Kaufvertrag, Auflassung, Meistgebot im Zwangsvollstreckungsverfahren etc.)
Durch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9a UStG soll eine Doppelbelastung vermieden werden. Die Umsatzsteuerbefreiung greift bei Grundstückslieferungen auch dann ein, wenn tatsächlich keine Grunderwerbsteuer anfällt (z.B. wegen Grunderwerbsteuerbefreiungen).
Zu einem Grundstück i. S. d. § 4 Nr. 9a UStG gehören neben Grund und Boden auch darauf stehende Gebäude und andere wesentliche Grundstücksbestandteile nach §§ 93, 94 BGB (Auffahrten, Bepflanzungen, Umzäunungen etc.), nicht jedoch Betriebsvorrichtungen (Maschinen, Hebebühnen, Lastenaufzug etc.). Werden Betriebsvorrichtungen zusammen mit einem Grundstück geliefert, so handelt es sich hierbei vielmehr um selbständig zu beurteilende Lieferungen. Diese sind nicht von der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 9a UStG erfasst.
6.2.3 Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gem. § 4 Nr. 12a UStG
Der Begriff des Grundstücks bestimmt sich nach den Regeln des BGB. Neben Grund und Boden gehören auch die wesentlichen Bestandteile nach §§ 93, 94 BGB dazu. Von der Steuerbefreiung sind auch einzelne Grundstücksteile erfasst, sodass sie auch für die Vermietung von Wohnungen und einzelnen Räumen einschlägig ist. Neben der Vermietung, also der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung des Grundstücks vom Vermieter an den Mieter, sind auch die üblichen Nebenleistungen wie Wärmelieferung, Hausmeisterservice, Mobiliarüberlassung und Ähnliches von der Steuerbefreiungsvorschrift mit erfasst (Nebenleistungen teilen das Schicksal des Hauptleistung).
Vermietungen und Verpachtungen von Maschinen und anderen Betriebsvorrichtungen sind dagegen selbst dann ausgenommen, wenn diese mit dem Grundstück fest verbunden und damit zum Grundstücksbestandteil geworden sind (§ 4 Nr. 12 S. 2 UStG). Werden solche Gegenstände trotzdem im Rahmen eines einheitlichen Miet- und Pachtverhältnisses überlassen (gemischter Vertrag), so hat eine Aufteilung des Entgeltes in einen steuerpflichtigen und ein steuerfreien Anteil zu erfolgen.
Ausgeschlossen von der Steuerbefreiung sind nach § 14 Nr. 12 S. 2 UStG die:
- Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehalten werden
- Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen (Parkplatz, Einstellplätze in Parkhäusern, Einzelgaragen)
- kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen
- Vermietung/Verpachtung von Maschinen und sonstigen Betriebsvorrichtungen.
Beispiel[1]
Herr Maier erzielt mit seinem Karlsruher gemischt genutzten Grundstück Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen an Privatpersonen in Höhe von 6.000 € netto.
- Herr Maier übt mit seiner Vermietung eine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 2 UStG aus. Seine Wohnungsvermietung erfüllt den Tatbestand der inländischen Steuerbarkeit. Aufgrund des § 4 Nr. 12a UStG ist der Umsatz jedoch steuerfrei.
6.2.4 Leistungen von Ärzten und anderen Heilberufen gem. § 4 Nr. 14 UStG
Voraussetzung einer Steuerbefreiung ist eine freiberufliche Tätigkeit oder bei Leistungen der unter § 4 Nr. 14b-d UStG genannten Einrichtungen eine Leistung nach bestimmten Regelungen des SGB bzw. Strafvollzugsgesetzes oder Vertrages. Die Befreiung gilt mithin rechtsformunabhängig.
In § 4 Nr. 14b-d UStG ist im Wesentlichen geregelt, dass u.a.:
- Krankenhausbehandlungen
- Einrichtungen der Gefängnisse
- Rehabilitationseinrichtungen
steuerbefreit sind.
Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift soll die medizinische Versorgung der Bevölkerung nicht mit Umsatzsteuer belastet werden. § 4 Nr. 14a UStG bezieht sich deshalb explizit nur auf den Bereich der Humanmedizin. Es muss sich um eine heilbehandelnde Tätigkeit eines in § 4 Nr. 14a UStG genannten Berufsträgers handeln. Nebentätigkeiten (Vorträge, Lehrveranstaltungen, schriftstellerische Tätigkeiten, Hilfsgeschäfte etc.) sind von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG nicht umfasst, können unter Umständen aber von anderen Befreiungsvorschriften erfasst sein.
Für Zahnärzte gilt die Sonderregelung des § 4 Nr. 14a S. 2 UStG. Hiernach ist die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten, soweit sie der Zahnarzt selbst hergestellt hat, nicht von der Steuerbefreiung erfasst.
6.2.5 Leistungen bestimmter Gegenstände gem. § 4 Nr. 28 UStG
Bei dieser Steuerbefreiungsvorschrift handelt es sich um einen Ergänzungstatbestand zu den Vorschriften in § 4 Nr. 8-27 und § 15 Abs. 1a UStG. Sinn und Zweck ist eine Steuervereinfachung für Unternehmer denen der Vorsteuerabzug auf Grund dieser Vorschriften beim Erwerb von Anlagevermögen verwehrt bleibt. Hat ein Unternehmer Gegenstände angeschafft, die er ausschließlich für steuerbefreite Umsätze verwendet, so kann er hinsichtlich der von ihm bei der Anschaffung gezahlten Umsatzsteuer keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Genauso bleibt ihm der Vorsteuerabzug bei Anschaffungen verwehrt, bei denen ein Abzugsverbot nach § 15 Abs. 1a UStG besteht. Die Wiederveräußerung solcher Gegenstände (Lieferung) ist steuerbar und würde ohne die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 28 UStG erneut die Umsatzsteuer auslösen. Durch die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 28 UStG soll eine doppelte Steuerbelastung vermieden werden.
Für unentgeltliche Lieferungen nach § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG kommt eine Anwendung dieser Befreiungsvorschrift nicht in Betracht. Unentgeltliche Lieferungen nach § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG unterliegen bei VSt-Ausschluss wegen § 3 Abs. 1b S. 2 UStG schon nicht der Steuerbarkeit.
[1] Vgl. Bornhofen, Steuerlehre 1, Stand 2016, Seite 265.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Grundzüge des Umsatzsteuerrechts“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-64-9.

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Carola Ritterbach
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Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2017