Grundzüge des Umsatzsteuerrechts – Teil 18 – Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG, Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
6 Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG
Die im Inland steuerbaren Umsätzen können gegebenenfalls umsatzsteuerbefreit sein nach § 4 UStG.
6.1 Allgemeines
Die Steuerbefreiung nach § 4 UStG betrifft nur Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG also aus Lieferungen und sonstigen Leistungen. Für die Umsatzart "innergemeinschaftlicher Erwerb" nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG gilt die Spezialregelung des § 4b UStG.
Voraussetzung für eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG ist, dass ein steuerbarer Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegt. Nur bei steuerbaren Umsätzen kann eine Umsatzsteuerschuld entstehen. Ob eine Umsatzsteuerschuld entsteht, hängt dann davon ab, ob eine der Befreiungsvorschriften des § 4 UStG Anwendung findet. Nur wenn der steuerbare Umsatz nicht steuerfrei ist handelt es sich auch um einen steuerpflichtigen Umsatz und die Umsatzsteuer ist zu berechnen.
Die Befreiungstatbestände der Nr. 1 bis 28 des § 4 UStG greifen grundsätzlich sowohl bei Leistungen, als auch bei den unentgeltlichen Wertabgaben ein. Ausgenommen ist jedoch die Steuerbefreiung für unentgeltliche Wertabgaben bei Ausfuhren gemäß § 6 Abs. 5 UStG und bei Lohnveredelungen an Gegenständen gem. § 7 Abs. 5 UStG.
Die Steuerbefreiung eines Umsatzes kann Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug haben. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG sind steuerfreie Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Hiervon macht jedoch § 15 Abs. 3 UStG wieder eine Ausnahme. Aufgrund dieser Regelungen lassen sich die in § 4 UStG aufgeführten Befreiungstatbestände in zwei Gruppen einteilen:
- Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 1-7 UStG, bei denen der Vorsteuerabzug zulässig ist (§ 15 Abs. 3 UStG),
- Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 8-28 UStG, bei denen ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 UStG).
Den Befreiungstatbeständen des § 4 UStG liegt kein bestimmtes Konzept zugrunde. Wie die Steuerbefreiungen im Einkommensteuerrecht sind sie Ausdruck bestimmter wirtschafts-, sozial- oder kulturpolitischer Ziele des Gesetzgebers.
Da die USt eine allgemeine Verbrauchsteuer ist, stellen Steuerbefreiungen im Grunde einen systematischen Widerspruch dar. Es kann aber nur dann von einer echten Steuerbefreiung gesprochen werden, wenn der Endverbraucher tatsächlich entlastet wird. Dies ist aber nur bei den Steuerbefreiungen der Fall, bei denen der Unternehmer die mit den steuerfreien Umsätzen im Zusammenhang stehende Vorsteuer abziehen kann, also den Fällen des § 4 Nr. 1-7 UStG.
Dagegen handelt es sich in den anderen Fällen um unechte Befreiungen. Die Umsatzsteuerbelastung kann durch die Befreiungstatbestände nach § 4 Nr. 8-28 UStG insgesamt sogar höher sein, als sie ohne die Befreiung wäre, da die mit dem Ausgangsumsatz im Zusammenhang stehenden Vorsteuern nicht abgezogen werden dürfen. Für einzelne Steuerbefreiungstatbestände wurde deshalb in § 9 UStG dem Unternehmer die Optionsmöglichkeit eingeräumt, auf einzelne Steuerbefreiungen zu verzichten, damit im Gegenzug die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs besteht.
6.2 Einzelne Befreiungstatbestände
Die praxisrelevanten Befreiungstatbestände des § 4 UStG sind:
- Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1, §§ 6 ff. UStG
- Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen gem. § 4 Nr. 9a UStG
- Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gem. § 4 Nr. 12a UStG
- Leistungen von Ärzten und anderen Heilberufen gem. § 4 Nr. 14 UStG
- Leistungen bestimmter Gegenstände gem. § 4 Nr. 28 UStG
6.2.1 Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1, §§ 6 ff. UStG
Aus wirtschaftspolitischen Gründen sind Exportleistungen durch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1 UStG steuerlich begünstigt. Hierzu gehören
- gem. § 4 Nr. 1 a UStG die Ausfuhrlieferungen nach § 6 UStG
- gem. § 4 Nr. 1 a UStG die Be- oder Verarbeitung an einem Gegenstand der Ausfuhr nach § 7 UStG und
- gem. § 4 Nr. 1 b UStG die innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6a UStG.
Voraussetzung aller Exportleistungen ist, dass der Warenweg vom Inland (Ort der Leistung) ins Ausland als Bestimmungsland verlaufen muss. Steuerbefreit sind somit ausschließlich Umsätze im Verhältnis zum übrigen Gemeinschaftsgebiet und dem sonstigen Drittlandsgebiet.
Beispiel
Herr Schmidt betreibt in Freiburg ein Autohaus. Dort verkauft er an den Franzosen Herr Bonjour einen neuen Pkw für 20.000 € netto, der den Pkw nach Frankreich fährt. Herr Bonjour ist Verbraucher und hat somit keine USt-IdNr. Herr Bonjour meldet in Frankreich das Fahrzeug an und schickt anschließend die Zulassungsbescheinigung an Herrn Schmidt.
- Es liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor, die für Herrn Schmidt steuerbar ist. Bei entsprechendem Nachweis nach § 4 Nr. 1b i.V.m. § 6a Abs. 1 UStG kann er grundsätzlich Steuerfreiheit erlangen. Der Nachweis wird in der Regel durch Beleg- und Buchnachweis geführt (§§ 17a bis 17c UStDV).
Beispiel(Fußnote)
Der Maschinenhersteller Herr Müller aus Mannheim, verkauft und befördert mit seinem eigenen Lkw eine Maschine für 10.000 € netto zum deutschen Abnehmer Herr Schmidt nach Bern (Schweiz).
- Herr Müller hat den Gegenstand in ein Drittland befördert. Die Lieferung ist im Inland steuerbar § 3 Abs.6 UStG und bei entsprechendem Nachweis nach § 4 Nr. 1a i.V.m. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG steuerfrei.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Grundzüge des Umsatzsteuerrechts“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-64-9.

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Umsatzsteuerrecht
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2017