Erbschaft- und Schenkungsteuer – Teil 02 – Erwerb von Todes wegen
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
4 Erwerb von Todes wegen
Der Erwerb von Todes wegen kann durch
- Erbanfall, d.h. durch gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge
- Vermächtnis
- Geltendmachung eines Pflichtteils oder
- Verträgen zugunsten Dritter
erfolgen.
4.1 Erwerb durch Erbanfall
Beim Erwerb durch Erbanfall wird zwischen
- gesetzlicher und
- gewillkürter (testamentarischer)
Erbfolge unterschieden.
4.1.1 Einführung
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG verweist für den steuerpflichtigen Erwerb durch Erbanfall auf die maßgeblichen Vorschriften des Erbrechts nach §§ 1922 bis 2385 BGB.
4.1.1.1 Erbfolge
Die Erbfolge kann einerseits gesetzlich und andererseits gewillkürt d.h. durch Verfügung von Todes wegen festgelegt werden. Verfügungen von Todes erfassen das Testament und den Erbvertrag, die immer Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge haben.
4.1.1.2 Erbfähigkeit
Bei der Erbfähigkeit wird zwischen Erblasser und Erben unterschieden. Als Erblasser ist nur eine natürliche Person erbfähig. Als Erben sind sowohl natürliche als auch juristische Personen (z.B. eine GmbH oder Aktiengesellschaft), Personengesellschaften (z.B. offene Handelsgesellschaft) oder der Fiskus erbfähig. Erbfähig ist selbst ein noch nicht geborenes Kind, wenn es zur Zeit des Erbfalls bereits gezeugt war.
4.1.1.3 Gesamtrechtsnachfolge
Die im BGB geregelte Erbfolge ist eine Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB, die in der Praxis als Universalsukzession oder Fußstapfentheorie bezeichnet wird. Die Gesamtrechtsnachfolge bewirkt, dass im Erbfall grundsätzlich die gesamten Rechte und Pflichten des Erblassers automatisch auf die Erben übergehen. Es ist keine rechtsgeschäftliche Übertragung der einzelnen vererbten Vermögensgegenstände erforderlich.
Eine Legitimation für eine Berichtigung des Grundbuchs oder die Geltendmachung von Forderungen, z.B. gegenüber Banken, wird durch den Erbschein bewirkt. Ein Erbschein wird dem Erben vom Nachlassgericht zum Nachweis seiner Stellung als Erbe erteilt. Er ist ein Zeugnis über das Erbrecht und den Umfang des Erbteils. Der Erbschein genießt öffentlichen Glauben und begründet die Vermutung, dass dem Inhaber des Erbscheins das angegebene Erbrecht zusteht und er nur durch die angegebenen Anordnungen beschränkt ist. Miterben wird ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt. Jedem einzelnen Erben einer Miterbengemeinschaft kann ein Teilerbschein erteilt werden.
4.1.1.4 Erbengemeinschaft
Die Erbengemeinschaft ist in den §§ 2032 bis 2057a BGB geregelt. Bei einer Erbengemeinschaft handelt sich um eine Gesamthandgemeinschaft, die steuerlich als Bruchteilgemeinschaft behandelt wird. Die Erbengemeinschaft ist keine Gesellschaft, da sie kein freiwilliger Zusammenschluss zur Ausführung eines gemeinschaftlichen Zwecks ist. Das Ziel einer Erbengemeinschaft ist ihre Auseinandersetzung, die durch einen vom Erblasser ernannten Testamentsvollstrecker durchgeführt werden kann. Die Erben sind als Gesamtschuldner zu betrachten.
Die tatsächliche Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben hat keinen Einfluss auf die ErbSt. Für die Berechnung der ErbSt sind allein die Erbquoten maßgeblich. Für die ErbSt ist es daher ohne Bedeutung, wie die Erben das Vermögen untereinander tatsächlich aufteilen, d.h. wer welches Vermögen erhält und dafür eventuell eine Ausgleichszahlung an die Miterben vornimmt.
Beispiel
Ein Vater wird von zwei Kindern (beide über 26 Jahre) zu je 50 % beerbt. Der Nachlass besteht aus:
unbebautes Grundstück mit Verkehrswert | 420.000 EUR |
Kapitalvermögen | 500.000 EUR |
Hypothekenschuld | ./. 80.000 EUR |
Wert des Nachlasses | 840.000 EUR |
Erbanfall (je 50 %) | 420.000 EUR |
Ein Erbe übernimmt das Grundstück und die Hypothek und erhält vom Miterben eine Ausgleichzahlung in Höhe von 80.000 EUR.
- Zur Ermittlung der ErbSt wird der gesamte Erbanfall zum Zeitpunkt der Steuerentstehung erfasst. Die einzelnen Nachlassgegenstände werden zur Berechnung der ErbSt wertgleich auf die Erben aufgeteilt, das bedeutet eine Aufteilung des Vermögensanfalls nach Erbquoten, so dass eine optimale Auswirkung der persönlichen Freibeträge erreicht wird.
Kind 1 | Kind 2 | |
Grundstück | 200.000 EUR | 200.000 EUR |
Übriges Vermögen | 250.000 EUR | 250.000 EUR |
Vermögensanfall | 450.000 EUR | 450.000 EUR |
Hypothekenschuld | - 40.000 EUR | - 40.000 EUR |
Pauschbetrag gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ErbStG | - 5.150 EUR | - 5.150 EUR |
Bereicherung | 404.850 EUR | 404.850 EUR |
persönlicher Freibetrag | - 400.000 EUR | - 400.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb | 4.850 EUR | 4.850 EUR |
Abrundung | 4.800 EUR | 4.800 EUR |
Steuersatz | 7 % | 7 % |
zu zahlende ErbSt | 336 EUR | 336 EUR |
- Die Kinder haben jeweils eine ErbSt in Höhe von 336 EUR zu bezahlen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Erbschaft- und Schenkungsteuer“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und Steuerberateranwärter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-78-6.

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2017