Erbschaft- und Schenkungsteuer – Teil 03 – Gesetzliche Erbfolge
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
4.1.2 Gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge ist in den §§ 1924 bis 1936 BGB geregelt. Wesensmerkmal der gesetzlichen Erbfolge ist die sogenannte Familienerbfolge. Danach können grundsätzlich nur
- Verwandte (Verwandtenerbrecht) und
- der Ehegatte (Ehegattenerbrecht)
des Erblassers gesetzliche Erben werden. Ist kein Erbe mehr innerhalb der Familie vorhanden, so erbt der Fiskus.
4.1.2.1 Verwandtenerbrecht
Das Verwandtenerbrecht wird durch das sogenannte Ordnungssystem geregelt. Danach tritt ein Verwandter dann nicht in die Erbfolge ein, wenn ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist.
4.1.2.1.1 Erste Ordnung (§ 1924 BGB)
Die erste Ordnung umfasst die Abkömmlinge des Erblassers, also Verwandte, die vom Erblasser abstammen, d.h. Kinder und Enkelkinder. Die Erbfolge erfolgt nach Stämmen. Jedes Kind bildet einen Stamm. Alle Kinder erben zu gleichen Teilen. Tote Kinder ohne Abkömmlinge nehmen nicht an der Erbfolge teil.
Jedes Kind bildet mit seinen Abkömmlingen einen Stamm. Lebende Kinder schließen eigene Abkömmlinge in ihrem Stamm aus, sogenanntes Repräsentationsprinzip. Ist ein Kind vorverstorben und hinterlässt es selber Kinder, so treten diese Enkelkinder in den Anteil der toten Kinder ein, sogenanntes Eintrittsrecht.
Adoptivkinder sind Kindern gleichgestellt, so dass sie vom gesetzlichen Erbrecht erfasst werden. Es ist allerdings zwischen der Adoption von Minderjährigen (Volladoption) und der Adoption von Volljährigen zu unterscheiden. Die Annahme eines Minderjährigen als Kind hat die Begründung vollwertiger verwandtschaftlicher Beziehungen mit den oder dem Annehmenden und dessen Verwandten zur Folge. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den leiblichen Verwandten erlöschen.
Bei der Adoption eines Volljährigen bleiben nach § 1770 Abs. 2 BGB die verwandtschaftlichen Beziehungen des Angenommenen grundsätzlich unberührt (BGH vom 8.2.2017 - XII ZB 586/15, Tz. 43), sie erlöschen gerade nicht.
Stiefkinder sind keine Erben der ersten Ordnung. Sie treten nicht in die Verwandtenerbfolge ein, da sie nicht vom Erblasser abstammen.
Beispiel
Ein verstorbener Erblasser (E) hat vier Kinder (K1 bis K4), wovon drei Kinder bereits verstorben sind (K2 bis K4). Es lebt nur noch K1. K1 hat ein noch lebendes Kind, das Enkelkind 1. Der verstorbene K2 hinterlässt zwei lebende Kinder (Enkelkind 2 und 3). Der verstorbene K3 hat ein verstorbenes Kind (Enkelkind 4). Enkelkind 4 hinterlässt einen Urenkel 1 und Urenkel 2. K3 hat ein noch lebendes Kind, Enkelkind 5, der keine Kinder hat. Der verstorbene K4 hinterlässt keine eigenen Kinder.
- Die Kinder von E sind Erben der ersten Ordnung. Jedes von ihnen erbt grundsätzlich zu gleichen Teilen. Da tote Kinder ohne Abkömmlinge nicht an der Erbfolge teilnehmen, wird der Erblasser E nur von den Kinder K1 bis K3 beerbt.
- Jedes Kind bildet mit seinen Abkömmlingen einen Stamm. Lebende Kinder schließen eigene Abkömmlinge in ihrem Stamm aus.
- In den Anteil der toten Kinder K2 und K3 treten die eigenen Abkömmlinge ein, so dass der Anteil von K2 auf seine Kinder Enkelkind 2 und 3 entfällt und der Anteil von K3 auf Enkelkind 5 und Urenkel 1 und 2.
- Im Ergebnis erben K1 zu 1/3, Enkelkind 2 und 3 zu je 1/6, Enkelkind 5 zu 1/6 und die Urenkel 1 und 2 zu je 1/12.
Beispiel
A verstarb nach einem Unfall im September 2015. Seine familiären Verhältnisse stellen sich wie folgt dar: Er hinterlässt seine Freundin B, mit der er schon seit Jahren liiert ist. Außerdem hinterlässt er C, der gemeinsame Sohn von A und B. Zudem hatte er einen Bruder D und eine Schwester E. D lebte mit Ehefrau F und Sohn G in einem Einfamilienhaus, bis er 2012 tödlich verunglückte. F ist wieder schwanger. Im Dezember 2015 soll das Kind voraussichtlich zur Welt kommen und auf den Namen H getauft werden. Vater des Kindes ist A. Des Weiteren hatte er eine Halbschwester I, die mit A einen gemeinsamen Vater hat. As Vater war mit K im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Sie verstarb bereits vor Jahren. Sie ist die Mutter von A, D und E.
- Die Söhne C und H von A sind Erben der ersten Ordnung. Obwohl H noch nicht auf der Welt ist, ist er erbfähig. Beide erben zu je 1/2.
- Alle anderen Verwandten sind von der Erbfolge ausgeschlossen. Freundin B erbt nicht, da sie nicht mit A verheiratet war.
- Im Ergebnis erben C und H als Gesamtrechtsnachfolger zu je 1/2. Sie bilden eine Erbengemeinschaft.
4.1.2.1.2 Zweite Ordnung (§ 1925 BGB)
Zu den Erben zweiter Ordnung gehören die Eltern des Erblassers, von denen der Erblasser abstammt und gegebenenfalls deren Abkömmlinge. Die Erbfolge wird hier nach Linien und Stämmen bestimmt. Die Eltern des Erblassers und seine Geschwister werden nur Erben, wenn keine Erben der ersten Ordnung vorhanden sind. Leben zur Zeit des Erbfalls beide Elternteile, erben sie allein zu gleichen Teilen. Lebt nur ein Elternteil, so erbt er zur Hälfte. An die Stelle des verstorbenen Elternteils treten die Geschwister (beziehungsweise deren Kinder) des Erblassers und erben zu gleichen Teilen.
Beispiel
Der verstorbene Erblasser (E) hinterlässt seine verstorbenen Eltern (M und V) und seine beiden Brüder (B1 und B2). B1 lebt noch. B2 ist bereits verstorben. Von den beiden Brüdern hat nur B2 ein Kind (Neffe N). Darüber hinaus hat der verstorbene V, aus einer früheren Ehe, ein verstorbenes Kind (H). Der verstorbene H hinterlässt zwei eigene Kinder (H1 und H2).
- Die Eltern von E sind Erben der zweiten Ordnung. Jeder der Beiden würde zu gleichen Teilen erben. Jeder Elternteil bildet mit seinen Abkömmlingen eine Linie; innerhalb jeder Linie ist jedes Kind gegebenenfalls mit seinen Abkömmlingen ein Stamm. In den Anteil der toten Eltern treten die eigenen Abkömmlinge ein; sog. Eintrittsrecht
- Danach erben hier B1, die Kinder H1 und H2 sowie der Neffe N. Im Ergebnis erhalten B1 1/4 (von M) + 1/6 (von V), N 1/4 + 1/6 (von B2) und H1 und H2 jeweils 1/12.
4.1.2.1.3 Dritte Ordnung (§ 1926 BGB)
Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern, Onkel und Tanten des Erblassers. Sie erben nur, wenn keine Erben der ersten und zweiten Ordnung zur Erbfolge gelangen. Leben die vier Großeltern, erben sie allein zu gleichen Teilen. Fällt einer der Großeltern aus, treten an dessen Stelle seine Abkömmlinge (Onkel, Tanten, deren Kinder usw.). Fehlen Abkömmlinge, fällt der Anteil an den Ehepartner des Großelternteils. Ist dieser ebenfalls nicht mehr vorhanden, so erben die anderen beiden Großeltern beziehungsweise deren Abkömmlinge zu gleichen Teilen.
Beispiel
Der verstorbene Erblasser (E) hinterlässt seine verstorbenen Eltern (M und V).
Der verstorbene Vater hinterlässt eine lebende Mutter (GM 1) und einen verstorbenen Vater (GV 1). Beide haben keine weiteren Nachkömmlinge.
Die verstorbene Mutter hinterlässt die bereits verstorbenen Eltern (GM 2 und GV 2). GM 2 und GV 2 hinterlassen einen gemeinsamen Sohn, den Onkel des Erblassers. Die verstorbene GM 2 hinterlässt zusätzlich noch eine Tochter, die (Halb)Tante von E.
- Die Großeltern sind Erben der dritten Ordnung. Jeder erbt zu gleichen Teilen. Da vom Großelternpaar 1 der Großvater bereits verstorben ist und keine Abkömmlinge hinterlässt, fällt sein Anteil (1/4) GM 1 zu.
- Jedes Großelternpaarteil 2 mit seinen Abkömmlingen bildet eine Linie; innerhalb jeder Linie ist jedes Kind ein Stamm. In den Anteil der toten Eltern treten die eigenen Abkömmlinge ein, sogenanntes Eintrittsrechts.
- Danach erben die Großmutter 1 als gesetzlicher Erbe der dritten Ordnung jeweils 1/4 + 1/4, der Onkel 1/4 (von GV 2) + 1/8 (von GM 2) und die (Halb)Tante 1/8 (von GM 2).
4.1.2.1.4 Vierte Ordnung (§§ 1928, 1929 BGB)
In die vierte Ordnung fallen die entfernteren Voreltern und gegebenenfalls deren Abkömmlinge, von denen der Erblasser abstammt. Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern, für die die Regelung der dritten Ordnung gilt. Hier gilt das Gradsystem, so dass Grad nähere Verwandte entferntere Verwandte derselben Ordnung ausschließen, § 1928 Abs. 3 BGB. Leben zur Zeit des Erbfalls keine Urgroßeltern mehr, erbt von ihren Abkömmlingen derjenige allein, der mit dem Erblasser am nächsten verwandt ist.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Erbschaft- und Schenkungsteuer“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und Steuerberateranwärter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-78-6.
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Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2017
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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
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Monika Dibbelt, Rechtsanwältin
Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.
Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.
Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema
- Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
- Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
- Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
- Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz
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