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Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis – Teil 33 – Annahme- und Leistungsfrist


Herausgeber / Autor(-en):
Michael Kaiser
Rechtsanwalt

Sebastian Galle
wissenschaftlicher Mitarbeiter


4.4 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit

Klauseln, die in den Katalog des § 308 BGB fallen, sind nicht grundsätzlich unwirksam. Ihre Unwirksamkeit ergibt sich erst in Verbindung mit dem konkreten Vertrag. Das bloße Verwenden einer § 308 BGB unterliegenden AGB-Bestimmung stellt jedoch bereits eine starke Indizwirkung dar, dass die Klausel unwirksam sein könnte.
Die Prüfung setzt sich aus der objektiven Bewertung (AGB-Klausel) und einer subjektiven Bewertung (der Vertrag, die Umstände) zusammen.
Grundsätzlich findet bei diesen Klauseln eine Abwägung der gegenseitigen Interessen statt. Hieraus ergibt sich dann die (Un-)Wirksamkeit.


4.4.1 Nr. 1 – Annahme- und Leistungsfrist

Nach Nr. 1 können Klauseln unwirksam sein, die es dem Verwender ermöglichen, sich zu lange oder unbestimmte Fristen vorzubehalten, um ein Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Sofern keine Rechtfertigung vorliegt, ist es unangemessen, den Vertragspartner länger an dessen Angebot zu binden oder die Leistungserbringungsfrist für den Verwender länger auszudehnen, als gesetzlich vorgesehen.
Ist die Frist nicht hinreichend bestimmt, kann sie neben § 308 Nr. 1 BGB nach §§ 307 in Verbindung mit 305 c II BGB unwirksam sein. Unbestimmt ist eine Frist, deren Beginn, Dauer oder Ende nicht berechnet werden kann. So ist die Bindung an ein Angebot „bis zum Eingang einer sachlichen Antwort“ zu unbestimmt , da der Vertragspartner hieraus keine Bindungsfrist errechnen kann. Diese Klausel ist folglich unwirksam.


4.4.1.1 Annahmefrist

Grundsätzlich kann die Annahme unter Anwesenden nur sofort, unter Abwesenden nur im Zeitrahmen, innerhalb dessen unter gewöhnlichen Umständen mit einer Annahme zu rechnen ist (§ 147 BGB), erfolgen.
Die Möglichkeit des Antragenden, eine Bindungsfrist für sein Angebot zu bestimmen, ist unproblematisch (§ 148 BGB). Nr. 1 hat jedoch die Bindungsfrist des Vertragspartners des Verwenders an sein Angebot in den AGB des Verwenders im Visier.Die Länge der Frist bemisst sich an den Interessen der Vertragsparteien. Der Verwender kann sich nur dann längere Fristen per AGB vorbehalten, wenn er daran ein schutzwürdiges Interesse hat.
Dies lässt sich nur im konkreten Einzelfall entscheiden, auch wenn dieser wiederum typisiert werden muss. Es werden die typisierten Umstände, die gewöhnlich bei Fällen vergleichbarer Art anfallen, herangezogen. So liegt es in der Natur der Sache, dass umfangreichere oder wirtschaftlich bedeutende Entscheidungen eine längere Frist erfordern. So ist der Antrag zum Bau eines Gebäudes regelmäßig nicht sofort annehmbar, da der Annehmende zuerst überprüfen muss, ob er leistungsfähig genug ist, den angetragenen Vertrag zu erfüllen.Folglich bemisst sich die Angemessenheit einer Bindungsfrist des Vertragspartners an den Antrag vor allem daran, wie groß der Zeitaufwand des Verwenders zur Informationsbeschaffung im typisierten Fall ist.
Schutzwürdig ist sein Interesse, wenn der Verwender vorher einen Probelauf oder eine Bonitätsprüfung durchführen oder sich bei Dritten mit entsprechenden Deckungsgeschäften versorgen muss.
Bei Geschäften des täglichen Bedarfs ist eine längere Bindungsfrist, als gesetzlich
vorgesehen, unwirksam.
Die Frist muss sich in ihrem Beginn, ihrer Länge und ihrem Ende vom Vertragspartner ohne Schwierigkeiten und rechtliche Beratung bestimmen lassen.


4.4.1.2 Leistungsfrist

Bis zum Ablauf einer Leistungsfrist kann der Vertragspartner den Leistungserbringer nicht in Verzug setzen, da vorher die Leistung nicht fällig wird. Erst danach kann er auf seine gesetzlich gegebenen Möglichkeiten zurückgreifen (Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt, Schadensersatz).
Hieran wird ein strenger Prüfungsmaßstab angelegt, da dem Verwender jederzeit frei steht, durch eine Individualvereinbarung eine längere Frist zu vereinbaren, anstatt sich diese allgemein immer per AGB zu sichern.
Ob eine Leistungsfrist angemessen ist, bemisst sich nach ihrer Gesamtdauer. So werden die Fristen aus dem Vertrag und die der AGB-Regelung zusammen addiert. Problematisch wird dies, wenn sich per Vertrag auf eine einmonatige Frist geeinigt wird, per AGB hierzu weitere vier Monate kommen können. Folglich bemisst sich die Leistungsfrist für das dem Vertrag unterliegende Geschäft auf fünf Monate. Gerade im Möbelgeschäft finden sich hierzu Beispiele. So ist die Lieferung innerhalb von sechs Monaten angemessen, wenn das Möbelstück erst hergestellt werden muss und die Herstellung aufwendig ist, während bei vorrätiger Ware bereits eine zweimonatige Lieferfrist zu lang sein kann.


4.4.1.3 Ausnahme Widerrufs-/Rückgabefrist bei Verbrauchergeschäften

Nr. 1 gilt nicht für Klauseln, mit denen sich der Verwender vorbehält, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Absatz 1 und 2 BGB zu leisten. Praktische Auswirkungen hat die Ausnahme insbesondere für Teilzeit-Wohnrechteverträge, Haustürgeschäfte, Verbraucherdarlehensverträge, Geschäften über Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge, die nicht außerhalb von Geschäftsräumen oder im Wege des Fernabsatzes geschlossen wurden. Insbesondere bei Fernabsatzgeschäften hingegen beginnt die Widerrufsfrist nach § 356 Absatz 2 BGB „nicht vor Erhalt der Sache“, so dass der Verwender schlecht den Ablauf der Widerrufsfrist abwarten kann, bevor er leistet.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis“ von Michael Kaiser, auf AGB-Recht spezialisierter Rechtsanwalt, und Sebastian Galle, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-36-6.


 

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Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Dezmber 2014


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