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Die strafbefreiende Selbstanzeige – Teil 03 – Anwendungsbereich der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


3.4 Anwendungsbereich der Selbstanzeige

Der Anwendungsbereich der Selbstanzeige ist einerseits sehr weitläufig und andererseits aber auch nicht auf alle denkbaren Fälle der Steuerhinterziehung anwendbar. Daher wird zwischen der strafbefreienden und der nicht strafbefreienden Wirkung unterschieden.

3.4.1 Strafbefreiende Wirkung

Die Selbst­an­zeige führt nach § 371 Abs. 1 AO zur Straf­freiheit für den Fall der vollen­deten Steuer­hin­ter­ziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO. Überdies erstreckt sich die Wirkung der strafbefreienden Selbst­an­zeige auf die pflicht­widrig unter­lassene Verwendung von Steuer­zeichen oder -stemplern gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO und auf die versuchte Steuer­hin­ter­ziehung nach § 370 Abs. 2 AO. Im Fall des § 370 Abs. 2 AO besteht neben der strafbefreienden Selbst­an­zeige die Möglichkeit des Rücktritts nach § 24 StGB.

Die Regelung findet der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO auf den besonders schweren Fall der Steuer­hin­ter­ziehung gemäß § 370 Abs. 3 AO Anwendung, jedoch mit der Einschränkung nach §§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 398a Abs. 1 AO. D.h., dass der Täter straffrei davon kommt, wenn er einerseits die hinterzogenen Steuern nachzahlt und andererseits einen Zuschlag von 10 % - 20 % mitentrichtet, soweit der diesem Zuschlag unterliegt. Mit anderen Worten: Sollte der Steuerpflichtige über einen Hinterziehungsbetrag von über 25 000 Euro kommen, so unterliegt er dem gestuften Abschlag von 10 % - 25 %.

Die strafbefreiende Selbst­an­zeige erstreckt sich nach § 370 Abs. 6 AO auf die Hinter­ziehung auslän­di­scher Einfuhr­ab­gaben anderer EG-Staaten und der EFTA-Staaten und der mit diesen assozi­ierten Staaten.

Daneben entfaltet die strafbefreiende Selbst­an­zeige Wirkung auf jede Form der Täter­schaft, d.h.

  • Allein­tä­ter- gem. § 25 Abs. 1 1. Alt. StGB
  • Mittä­ter­- gemäß § 25 Abs. 2 StGB und
  • mittelbare Täter­schaft gem. § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB

und Teilnahme, wie

  • Anstiftung gem. § 26 StGB und
  • Beihilfe gem. § 27 StGB.

Die strafbefreiende Wirkung der Selbst­an­zeige ist nicht, auch nicht analog, anzuwenden auf

  • die Begüns­tigung des Täters oder Teilnehmers an einer Steuer­hin­ter­ziehung (§ 369 Abs. 1 Nr. 4 AO, § 257 StGB)
  • die Steuer­heh­lerei (§ 374 AO)
  • die Steuer­zei­chen­fäl­schung (§§ 148, 149 StGB in Verbindung mit § 369 Abs. 1 Nr. 3 AO)
  • den Bannbruch (§§ 372 AO) und
  • den gewerbs­mä­ßigen, gewalt­samen und banden­mä­ßigen Schmuggel (§ 373 AO).

Dagegen kann die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige in den Fällen

  • leichtfertiger Steuerverkürzung § 378 Abs. 3 S. 1 AO
  • der Hinterziehung von Abwasserabgabe § 14 AbwG
  • der Hinterziehung von Abgaben zu Marktordnungszwecken § 12 Abs. 1 MOG
  • des Erschleichens von Bergmannsprämie § 5a Abs. 2 BergPG
  • des Erschleichens von Arbeitnehmersparzulage § 14 Abs. 3 VermBG
  • des Erschleichens von Wohnungsbauprämie § 8 Abs. 2 WoPG

zur Anwendung kommen.

3.4.2 Keine strafbefreiende Wirkung

Im Rahmen der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO werden häufig andere Straftaten (Delikte) mit aufgedeckt bzw. offenbart, wie z.B.

  • Betrugsdelikte nach den §§ 263 ff StGB
  • Untreue nach § 266 StGB
  • Strafvereitelung § 258 StGB
  • Schmier­geld­zahlung
  • Vorent­haltung und Verun­treuung von Arbeits­entgelt § 266a StGB
  • Urkunds­de­likte §§ 267 ff. StGB
  • Insol­venz­straf­taten §§ 283 ff. StGB
  • illegale Beschäf­tigung auslän­di­scher Arbeit­nehmer § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III und
  • Bildung krimi­neller Verei­ni­gungen zum Zwecke der Steuer­hin­ter­ziehung nach § 129 StGB.

Für diese Delikte greift die Strafbefreiung nicht ein.

Beispiel

Der A betreibt einen Handel mit Tupperware. Für die Präsen­tation bei Verkaufse­vents ordert A regel­mäßig Blumen­bou­quets. Die Quittungs­belege des Blumen­händlers fälscht A zur Begehung einer Steuer­hin­ter­ziehung. Da die Entde­ckung droht, entscheidet sich A für eine strafbefreiende Selbst­an­zeige.

  • Die Selbst­an­zeige führt nur bei der Steuer­hin­ter­ziehung zur Straf­be­freiung; eine straf­be­freiende Wirkung in Bezug auf die Urkun­den­fäl­schung, die zu Zwecken der Hinterziehung begangen wurde, tritt nicht ein.

Beispiel

A leitet einen Omnibus­be­trieb in der Form eines Einzel­un­ter­nehmens. An den Wochen­enden bietet er Fahrten zu nahege­le­genen Ausflugs­zielen an. Die Reise­gäste entrichten den Reise­preis bei Reise­an­tritt in bar. A erklärt diesen Umsatz nicht vollständig. Mit dem nicht erklärten Umsatz bezahlt A einen Teil des Lohns seiner Busfahrer schwarz. Das zuständige Haupt­zollamt übersendet A eine formelle Prüfungs­an­ordnung. A fürchtet die Entde­ckung der Schwarz­lohn­zahlung und entscheidet sich, bevor der Prüfer zur Prüfung erscheint, für eine Selbst­an­zeige und meldet die Umsatz­steuer und Lohnsteuer nach.

  • Die Selbst­an­zeige führt gleich­zeitig zur Tatent­de­ckung des strafbaren Vorenthaltens und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB. Die strafbefreiende Selbst­an­zeige entfaltet gegenüber dieser Straftat keine Straf­be­freiung, d.h. das A als Arbeitgeber wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt strafrechtlich verurteilt werden kann, obwohl er steuerstrafrechtlich eine wirksame Selbstanzeige abgegeben hat und zumindest steuerrechtlich wegen der unterlassenen Meldung der Umsatz- und Lohnsteuer nicht belangt werden kann.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die strafbefreiende Selbstanzeige“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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