DIE HANDELSVERTRETERPROVISION - EINFÜHRUNG - Teil 11 - Entstehung des Provisionsanspruchs: Nicht vertragsgemäße Geschäftsausführung
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
4. Nicht vertragsgemäße Geschäftsausführung
Führt der Unternehmer das Geschäft nicht so aus, wie es vom Handelsvertreter vermittelt wurde, greift die Regelung des § 87a Abs. 3 HGB. Der Handelsvertreter hat auch dann einen Anspruch auf Die Handelsvertreterprovision. Auf folgende Problemkreise soll hier näher eingegangen werden:
- Grundgedanke und gesetzliche Regelung (Fußnote)
- Entstehung des Provisionsanspruchs (Fußnote)
- Nichtausführung nicht vom Unternehmer zu vertreten (Fußnote)
- Beweislastverteilung (Fußnote)
- vertraglich abweichende Regelungen (Fußnote)
4.1. Grundgedanke und gesetzliche Regelung
Nach § 87a Abs. 3 HGB hat der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht (Fußnote) oder nicht so ausführt (Fußnote), wie es abgeschlossen worden ist.
Von diesem Grundsatz gibt es eine Ausnahme: Der Anspruch auf Provision entfällt, wenn die Nichtausführung auf Umstände zurückzuführen ist, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind (Fußnote).
Die Vorschrift des Absatz 3 stellt damit eine Schutzvorschrift zugunsten des Handelsvertreters auf: Er soll durch Umstände, auf die er keinen Einfluss hat und die allein im Risikobereich des Unternehmers liegen, seinen Provisionsanspruch nicht verlieren .
4.2. Der Provisionsanspruch
Beim Provisionsanspruch nach § 87a Abs. 3 HGB sind die Voraussetzungen der Nichtausführung (Fußnote) und der abweichenden Ausführung durch den Unternehmer (4.2.2.) zu unterscheiden. Ferner muss die Nichtausführung durch den Unternehmer feststehen (Fußnote).
4.2.1. Nichtausführung durch den Unternehmer
Nach § 87a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 HGB hängt die Entstehung des Provisionsanspruchs von der Feststellung ab, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht ausführt.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 87 a Abs. 3 Satz 1 ist, dass ein rechtswirksam abgeschlossenes Geschäft in dem Zeitpunkt vorliegt, aus dem der Unternehmer zur Leistung verpflichtet ist.
Beispiel: Anfechtung
Das ursprünglich abgeschlossene Geschäft wird angefochten (Fußnote). Somit ist das Geschäft von Anfang an als nichtig anzusehen.
In einem derartigen Fall scheidet eine Anwendung des § 87 a Abs. 3 Satz 1 HGB aus.
Was bedeutet „Nichtausführung durch Unternehmer“?
Eine Nichtausführung liegt vor, wenn der Unternehmer die ihm obliegende vertragliche Leistung insgesamt unterlässt. Eine teilweise Nichtausführung liegt demnach in den Fällen vor, in denen der Unternehmer seine Leistung nur zum Teil erbringt.
- Die Gründe, weshalb der Unternehmer das Geschäft nicht ausführt, sind für die Anwendung des § 87a Abs. 3 HGB unerheblich.
- Der Handelsvertreter hat keinen Anspruch darauf, dass der Unternehmer diejenigen Geschäfte ausführt, die auf einer Vermittlung des Handelsvertreters beruhen.
In der Rechtsprechung wird hierzu ausgeführt: „Der Unternehmer ist nämlich nur seinem Vertragspartner, nicht aber dem Vertreter gegenüber zur Ausführung des abgeschlossenen Geschäfts verpflichtet.“ Allerdings ist der Unternehmer dem Handelsvertreter gegenüber zur Provisionszahlung verpflichtet, so wie das vermittelte Geschäft abgeschlossen wurde.
- Der Wunsch eines Kunden, ein Geschäft zu streichen, macht für sich allein dessen Ausführung für den Unternehmer noch nicht unzumutbar.
In diesen Fällen wird der Provisionsanspruch des Handelsvertreters nicht berührt. Es handelt sich um eine Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, die dieser zu vertreten hat. Der Bitte um Stornierung eines Geschäfts muss der Unternehmer nicht nachkommen. Kommt er ihr dennoch nach bleibt es bei der Provision des Handelsvertreters. Mit dem Geschäftsabschluss durch den Unternehmer entsteht die Provisionsanwartschaft des Handelsvertreters. Nur unter engen Voraussetzungen wird diese Vorstufe des endgültigen Provisionsanspruchs wieder beseitigt. Nämlich dann, wenn die Nichtausführung vom Unternehmer nicht zu vertreten ist.
4.2.2. Abweichende Ausführung durch Unternehmer
§ 87a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 HGB regelt die abweichende bzw. nicht vertragsgemäße Geschäftsausführung durch den Unternehmer: Der Handelsvertreter hat auch dann Anspruch auf Provision, wenn der Unternehmer das Geschäft nicht so ausführt wie es abgeschlossen ist.
Was fällt unter eine „nicht vertragsgemäße Ausführung des Geschäfts“?
Eine vertragswidrige Ausführung liegt vor, wenn der Unternehmer die Leistung nicht in der Art und Weise und zu der Zeit erbringt, wie er sie dem Vertrag nach eigentlich hätte erbringen müssen. Der Unternehmer handelt gegenüber dem Kunden nicht vertragsgemäß, wenn er vorzeitig, verspätet, mangelhaft, unvollständig oder etwas anderes leistet und der Kunde die Leistung aus diesem Grund zurückweist oder Gewährleistungsrechte geltend macht.
Beispiel:
Der Handelsvertreter erwirbt den Provisionsanspruch zu dem Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer nach der vertraglichen Vereinbarung eigentlich hätte liefern müssen .
4.2.3. Feststellung der Nichtausführung
Die unterbleibende oder nicht vertragsgemäße Ausführung des Kundengeschäfts durch den Unternehmer muss objektiv und endgültig feststehen - nur dann entsteht der Provisionsanspruch des Handelsvertreters.
Beispiele für das Feststehen einer Nichtausführung:
- Die Parteien heben einvernehmlich den Kundenvertrag auf.
- Vertragliche bzw. gesetzliche Rücktrittsrechte werden ausgeübt.
- Kunde und Unternehmer haben sich auf eine Nichtdurchführung des Geschäftes geeinigt.
- Der Unternehmer weigert sich seine Leistung zu erbringen und der Dritte lässt es dabei bewenden.
Nicht erforderlich ist die rechtskräftige Feststellung, dass die vertragsmäßige Leistung ausbleibt.
4.3. Wegfall des Provisionsanspruchs
Bei Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer bleibt der Provisionsanspruch des Handelsvertreters grundsätzlich erhalten (Fußnote)
Hiervon gibt es eine Ausnahme, die in § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB eine gesetzliche Regelung findet: Der Provisionsanspruch entfällt, wenn die Nichtausführung des Geschäftes auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind.
4.3.1. Nichtvertretenmüssen durch Unternehmer
Zunächst ist zu klären, was der Gesetzeswortlaut mit „...vom Unternehmer nicht zu vertreten...“ bedeutet.
Was hat der Unternehmer zu vertreten?
- eigenes Verschulden des Unternehmers (Fußnote) wie z.B. Vorsatz und Fahrlässigkeit.
- das Verschulden von Erfüllungsgehilfen (Fußnote).
Darüber hinaus hat der Unternehmer solche Umstände zu vertreten, die in seine Risikosphäre fallen.
Was ist die Risikosphäre eines Unternehmers?
Hierunter fallen neben den unmittelbaren Handlungen des Unternehmers auch alle sonstigen Umstände, die im Betrieb seines Handelsgewerbes und in seiner Person liegen. Im Zweifel hat der Unternehmer die Nichtausführung bzw. die nicht vertragsgemäße Ausführung zu vertreten. Es kommt auf den konkreten Einzelfall an.
Beispiele für vom Unternehmer zu vertretende Umstände:
- Nichtausführung des Geschäfts wegen
- Arbeitskräftemangel;
- Arbeitsüberlastung;
- Lieferschwierigkeiten bei Vorlieferanten;
- Rohstoffmangel;
- Nichtausführung auf Grund der Insolvenz des Unternehmers;
- Unterlassen der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Kunden;
- Auftragsstornierung auf Wunsch des Kunden;
- Fehlerhafte Kalkulation
Folge: Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht dennoch - er fällt also nicht weg.
4.3.2. Kein Vertretenmüssen durch den Unternehmer
Vom Unternehmer nicht zu vertretende Umstände liegen vor, wenn der Unternehmer unverschuldet außerstande ist, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen.
Beispiele:
- Unvorhersehbare Betriebsstörungen wie
- Streik;
- Import- oder Export-Verbote;
- höhere Gewalt;
- Die vom Unternehmer zu liefernde Ware kann infolge Diebstahls oder eines Betriebsbrandes nicht mehr geliefert werden.
- Zahlungsschwierigkeiten beim Kunden;
- Nichtausführung aufgrund nachträglicher behördlicher Beschränkungen;
Folge: Hat der Unternehmer die Umstände, auf denen die Nichtausführung des Geschäfts beruht, nicht zu vertreten, entfällt der Provisionsanspruch des Handelsvertreters.
4.4. Beweislast
Im Prozess hat derjenige die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die seinen Anspruch stützen. Will der Handelsvertreter seinen Provisionsanspruch einklagen, müsste er darlegen und beweisen, dass der Unternehmer die Nichtausführung des Geschäfts zu vertreten hat. Der Handelsvertreter hat jedoch von den innerbetrieblichen Vorgängen des Unternehmers regelmäßig kein Wissen und könnte den Beweis nicht oder nur schwer erbringen. Hier hilft das Gesetz dem Handelsvertreter weiter und bürdet dem Unternehmer die Beweislast dafür auf, dass er die Nichtausführung des Geschäfts nicht zu vertreten hat.
Der Handelsvertreter hat im Streitfall darzulegen und zu beweisen,
- dass ein provisionspflichtiges Geschäft zustande gekommen ist,
- der Unternehmer dieses Geschäft aber ganz oder teilweise nicht oder nicht vertragsgemäß ausgeführt hat.
Der Unternehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Nicht- oder die nicht vertragsgemäße Geschäftsausführung auf Umständen beruht, die von ihm nicht zu vertreten sind .
4.5. Abweichende Vereinbarungen
Nachteilige Vereinbarungen zu Lasten des Handelsvertreters sind unzulässig. Gemäß § 87 a Abs. 5 HGB handelt es sich bei Absatz 3 um eine zwingende Regelung.
Beispiele für unwirksame Vertragsvereinbarungen:
- "Für Aufträge, die nicht zur Ausführung gelangen oder rückgängig gemacht werden, wird eine Provision nicht vergütet."
- "Bei Auflösung eines abgeschlossenen Geschäfts entfällt der Anspruch des Handelsvertreters auf Provision, ohne dass es auf den Grund der Geschäftsauflösung ankommt."
Vom Gesetz abweichende Vereinbarungen, die den Handelsvertreter begünstigen, können dagegen wirksam vereinbart werden.
Beispiel:
Unternehmer und Handelsvertreter vereinbaren, dass der Provisionsanspruch bereits durch die Vermittlung des Auftrags und ohne die Einschränkung des § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB unbedingt entstehen soll.
Der Provisionsanspruch entsteht hier also auch bei vom Unternehmer nicht zu vertretenden Umständen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung" von Harald Brennecke und Kathrin Stipp, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de.
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Stand: Juli 2007
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