Besteuerung Personengesellschaften – Teil 04 – Mitunternehmerschaft: Gesellschafter, Initiative und Risiko
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4.2 Mitunternehmerschaft
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind Einkünfte aus Gewerbetrieb die Gewinnanteile der Gesellschafter einer oHG und KG sowie anderer Personengesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind.
Was unter dem Begriff „Mitunternehmer“ zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht definiert. Aus der Tatsache der Verwendung des Begriffs „Mitunternehmer“ ergibt sich jedoch, dass nicht jeder Gesellschafter einer Personengesellschaft als Mitunternehmer anzusehen ist.
Da eine gesetzliche Definition nicht existiert, ist der Begriff des Mitunternehmens durch die Rechtsprechung entwickelt worden.
4.2.1 Gesellschafter
Voraussetzung für einen Mitunternehmer ist, dass die betreffende Person Gesellschafter einer Personengesellschaft ist. Dies ist nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Grundsätzlich muss ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis bestehen, wie dies im Einzelnen ausgestaltet ist, ist nicht entscheidend. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob eine Mindestbeteiligung vorliegt. Letztlich kann Mitunternehmer auch ein Gesellschafter einer Gesellschaft sein, der nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist. Die Mitunternehmerschaft setzt allerdings ein Verhältnis mit mindestens zwei Personen voraus.
Voraussetzung ist weiterhin, dass eine unmittelbare Beteiligung an der Gesellschaft besteht, eine nur mittelbar bestehende gesellschaftsrechtliche Verbindung begründet grundsätzlich keine Mitunternehmerschaft.[1]
4.2.1.1 gewerbliche Personengesellschaft
Da die Regelung zur Mitunternehmerschaft in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu finden ist, ist eine gewerbliche Personengesellschaft erforderlich.
Die Gewerblichkeit der Mitunternehmerschaft entsteht daher entweder durch
- originär gewerbliche Tätigkeit, vgl. § 15 Abs. 2 EStG
- Abfärbung, vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG oder
- eine gewerbliche Prägung im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist jedoch nicht dahingehend zu verstehen, dass eine Personengesellschaft immer dann gewerbliche Einkünfte erzielt, wenn ihre Gesellschafter als Mitunternehmer tätig sind. Diese Auslegung würde dazu führen, dass auch Personengesellschaften, die ausschließlich Land- und Forstwirtschaftliche Einkünfte oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen, der Gewerblichkeit unterfallen würden. Diese Auslegung ist nicht vom Gesetzgeber gewollt. § 13 Abs. 7 EStG und § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG weisen darauf hin, dass lediglich der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch auf andere Personengesellschaften, die Gewinneinkünfte erzielen, anzuwenden ist. Die Vorschriften des § 13 Abs. 7 und des § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG wären überflüssig, wenn derartige Gesellschaften ohnehin von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst würden. Das Vorhandensein einer Mitunternehmerstellung hat somit keine unmittelbare Auswirkung auf die Qualifizierung der Einkünfte der entsprechenden Personengesellschaft.
Es kann auch Mitunternehmerschaften geben, die ausschließlich Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen.
4.2.1.2 wirtschaftlich vergleichbare Gebilde
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG kann auf wirtschaftlich vergleichbare Gebilde angewendet werden, bei denen die Beteiligten keine Gesellschafter einer zivilrechtlichen Gesellschaft sind. Zu nennen ist hier etwa die Erbengemeinschaft. Die erweiterte Anwendung der Regeln über die Mitunternehmerschaft wird durch eine teleologische Auslegung der Vorschrift gerechtfertigt. Würde hier am Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG festgehalten werden, so würden bestimmte Personenmehrheiten (etwa die Erbengemeinschaft), obwohl sie wirtschaftlich mit einer Personengesellschaft vergleichbar sind, steuerlich nicht entsprechend erfasst werden. Der Zweck der Regelung, die Einkünfte eines einzelnen Steuerpflichtigen bei einem gemeinschaftlichen Bezug von Einkünften aus einem gewerblichen Unternehmen zu bestimmen, würde insoweit nicht erreicht werden.[2]
4.2.2 Mitunternehmerinitiative
Mitunternehmer kann nur sein, wer zusammen mit anderen Personen eine Mitunternehmerinitiative entfaltet. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführer, Prokuristen oder leitenden Angestellten obliegen.
Sofern Gesellschafter nicht in führender Position in der Gesellschaft mitarbeiten, genügt allerdings bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschaftsrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen, oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen, um eine Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen begründen zu können.
Der BFH orientiert sich regelmäßig an den, Kommanditisten nach § 166 HGB, zustehenden Kontrollrechten, die nach § 233 HGB auch ein stiller Gesellschafter hat.[3] Dabei ist die Frage, ob ein Gesellschafter Mitunternehmerinitiative hat nicht nur nach der rechtlichen Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses, sondern auch nach einer im konkreten Einzelfall bestehenden tatsächlichen Möglichkeit zur Ergreifung einer Initiative zu beurteilen.[4]
4.2.3 Mitunternehmerrisiko
Weiterhin kann Mitunternehmer nur sein, wer ein Mitunternehmerrisiko trägt. Mitunternehmerrisiko bedeutet die gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbaren Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens.
Dieses Risiko wird in aller Regel bereits durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven in den Wertansätzen des Betriebsvermögens (einschl. eines Geschäftswertes) vermittelt.
Wenn keine Beteiligung am laufenden Gewinn oder zumindest am Gesamtgewinn besteht, wird in den Fällen keine Mitunternehmerschaft begründet, in denen - wie z. B. bei einer typisch stillen Beteiligung - die Möglichkeit für die Entfaltung von Mitunternehmerinitiative praktisch nicht besteht.
Dies bedeutet, dass sowohl Mitunternehmerinitiative als auch Mitunternehmerrisiko bestehen müssen, um eine Mitunternehmerstellung annehmen zu können.
Die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein, so dass bei besonders stark ausgeprägtem Mitunternehmerrisiko eine etwas weniger stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative nicht schädlich ist und umgekehrt.
Ein Fehlen einer Beteiligung am Gewinn, Verlust, Vermögen oder an den stillen Reserven kann durch eine besondere Ausprägung der Initiativrechte kompensiert werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist beispielsweise ein Komplementär einer KG, der weder am Gewinn noch am Verlust noch am Vermögen der KG beteiligt ist, dennoch Mitunternehmer der KG.[5]
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Besteuerung Personengesellschaften“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6.

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Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016