Besteuerung von Kapitalgesellschaften – Teil 12 – Verdeckte Gewinnausschüttung, Besonderheiten bei beherrschendem Gesellschafter
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4.2.4 Angemessenheit der verdeckten Gewinnausschüttung
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Zuwendung zu prüfen. Die Angemessenheit ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen.(Fußnote) Der BFH stellt darauf ab, ob die Kapitalgesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der dafür sorgen wird, dass der Gesellschaft ein angemessener Gewinn verbleibt, den Vorteil einem Dritten gewährt hätte oder nicht. Es handelt sich hierbei um eine Denkfigur, der nur ein enger Gestaltungsspielraum gelassen wird.
Das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters kann nicht Maßstab sein, wenn ein Rechtsgeschäft zu beurteilen ist, das nur mit Gesellschaftern abgeschlossen werden kann. So ist bei Rechtsgeschäften, die im Rahmen der Erstausstattung einer Kapitalgesellschaft zustande kommen, eine verdeckte Gewinnausschüttung bereits gegeben, wenn die Gestaltung darauf abstellt, den Gewinn der Kapitalgesellschaft nicht über eine angemessene Verzinsung des eingezahlten Nennkapitals und einer Vergütung für das Risiko des nicht eingezahlten Nennkapitals hinaus zu steigern.
4.2.5 Auswirkung auf das Einkommen
Eine weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung ist, dass sich die verdeckte Gewinnausschüttung auf die Höhe des Einkommens des Gesellschafters ausgewirkt hat.
4.2.6 Ohne gesellschaftsrechtlichen Gewinnverwendungsbeschluss
Die Tatbestandsvoraussetzung des fehlenden gesellschaftsrechtlichen Gewinnverwendungsbeschlusses dient der Abgrenzung der verdeckten Gewinnausschüttung zu offenen Ausschüttungen und Vorabausschüttungen, die auf einem Gesellschafterbeschluss beruhen. Handelsrechtlich unzulässige Leistungen, z.B. aufgrund eines nichtigen Ausschüttungsbeschlusses, sind stets verdeckte Gewinnausschüttungen.
4.3 Verdeckte Gewinnausschüttung, Besonderheiten bei beherrschendem Gesellschafter
In den Fällen, in denen eine Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter beherrscht wird, gelten bzgl. des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung Besonderheiten.
Ein Gesellschafter beherrscht eine Kapitalgesellschaft, wenn er den Abschluss des zu beurteilenden Rechtsgeschäftes erzwingen kann. Das ist der Fall, wenn der Gesellschafter aufgrund der ihm aus seiner Gesellschafterstellung zustehenden Stimmrechte den entscheidenden Beschluss durchsetzen kann (Stimmrechte von mehr als 50%). Maßgebender Zeitpunkt für die Frage der Beherrschung ist der Zeitpunkt der zu beurteilenden Vereinbarung (Gehaltserhöhung u.a.).
Bei der Beurteilung einer beherrschenden Stellung können die Stimmrechte mehrerer Gesellschafter zusammengerechnet werden, wenn die Interessen dieser Gesellschafter für das zu beurteilende Rechtsgeschäft so gleich gerichtet sind, dass das Rechtsgeschäft als Ausdruck dieser gleichgerichteten Interessen anzusehen ist. So sind z.B. die beiden einzigen Gesellschafter (jeweils 50 % der Anteile), die zugleich Geschäftsführer der GmbH sind, als beherrschender Gesellschafter anzusehen, wenn sie sich aufgrund einer Vereinbarung gleichzeitig rückwirkend ihre Gehälter in gleichem Umfang erhöhen.
Die Anteile (Stimmrechte) von Ehegatten an einer Kapitalgesellschaft können bei der Beurteilung einer beherrschenden Stellung nur dann zusammengerechnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für gleichgerichtete Interessen der Eheleute bestehen.
Im Verhältnis zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung bereits dann in Betracht, wenn es an einer:
- zivilrechtlich wirksamen,
- klaren und
- im Voraus abgeschlossenen Vereinbarung
- darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters zu zahlen ist, oder
- wenn nicht einer solchen Vereinbarung entsprechend verfahren wird.
Der beherrschende Gesellschafter hat nämlich die Möglichkeit, für seine Leistungen einen gesellschaftsrechtlichen oder einen schuldrechtlichen Ausgleich zu suchen. Um klare Verhältnisse zu schaffen, muss er im Voraus mit der Gesellschaft vereinbaren, welchen Weg er wählt.
Fehlt eine - klare, eindeutige und im Voraus getroffene - Regelung, besteht wegen des fehlenden Interessengegensatzes zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter- Geschäftsführer die Möglichkeit, den Gewinn der Gesellschaft mehr oder weniger beliebig festzusetzen und ihn so zu beeinflussen, wie es bei der steuerlichen Gesamtbetrachtung des Einkommens der Gesellschaft und der Gesellschafter jeweils am günstigsten ist.
Bei Dauerschuldverhältnissen können mündliche Vereinbarungen als klare, eindeutige und im Voraus getroffene Regelungen angesehen werden (z.B. monatliches Gehalt des Geschäftsführers, Mietverträge). Bei derartigen Schuldverhältnissen kann aufgrund der Regelmäßigkeit der Leistungen und des engen zeitlichen Zusammenhangs von Leistung und Gegenleistung aus dem tatsächlichen Leistungsaustausch der Schluss gezogen werden, dass die Gesellschaft ihre Leistung erbringt, weil sie die Gegenleistung erhält.
4.3.1 Zivilrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung
Damit eine Vereinbarung zwischen einem beherrschenden Gesellschafter und der GmbH keine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt, muss sie zivilrechtlich wirksam sein. An der zivilrechtlichen Wirksamkeit fehlt es zum Beispiel dann, wenn die Vereinbarung gegen
- Formvorschriften
- die Regelungen des Insichgeschäfts oder
- Zuständigkeitsvorschriften
verstößt.
4.3.1.1 Verstoß gegen Formvorschriften
Enthält der Geschäftsführervertrag zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter z.B. die Klausel, dass Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen und eine nur mündlich vereinbarte Aufhebung des Schriftformzwanges unwirksam sein soll, so ist eine nur mündlich vereinbarte Gehaltserhöhung zivilrechtlich unwirksam und als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln.(Fußnote)
4.3.1.2 Verstoß gegen die Regelungen zum Insichgeschäft
Neben dem Verstoß gegen Formvorschriften kann eine Vereinbarung zwischen der GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter zivilrechtlich unwirksam sein, wenn sie gegen die Regelungen des Insichgeschäftes verstößt. Nach § 35 Abs. 4 GmbHG ist seit dem 01.01.1981 auf Insichgeschäfte eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH das Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB anzuwenden. Ein In-sich-Geschäft liegt vor, wenn jemand ein Rechtsgeschäft mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten schließt. Vorliegend besteht ein In-sich-Geschäft, wenn ein beherrschender Gesellschafter einen Vertrag zwischen sich als Privatperson und als Vertreter der GmbH schließt. Vereinbarungen zwischen dem Geschäftsführer und der von ihm vertretenen GmbH sind danach unwirksam, es sei denn, dass eine Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB in der Satzung geregelt und in das Handelsregister eingetragen wurde.
In den Fällen, in denen der Alleingesellschafter-Geschäftsführer vor Inkrafttreten des § 35 Abs. 4 GmbHG rechtswirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen ist, sind die Leistungen der Gesellschaft aufgrund später abgeschlossener Verträge nicht allein deshalb als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln, weil die Befreiung erst nach Abschluss dieser Geschäfte in der Satzung geregelt und im Handelsregister eingetragen wurde.
Die dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer mehrgliedrigen GmbH erteilte Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bleibt auch dann wirksam, wenn sich die GmbH in eine Einmann-GmbH verwandelt, soweit dies in der Satzung vorgesehen ist und im Handelsregister eingetragen wurde. Erst dann ist keine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben.
4.3.1.3 Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften
Eine weitere zivilrechtliche Unwirksamkeit einer Vereinbarung zwischen der GmbH und dem beherrschenden Gesellschafter kann sich daraus ergeben, dass sie vom einem unzuständigen Organ vorgenommen worden sind. Die aufgrund dieser zivilrechtlich unwirksamen Vereinbarung geleisteten Vergütungen stellen verdeckte Gewinnausschüttungen dar. Nach der Rechtsprechung des BGH(Fußnote)ist die Gesellschafterversammlung einer GmbH außer für den Abschluss und die Beendigung des Dienstvertrages eines Geschäftsführers auch für dessen Änderung zuständig, soweit keine anderweitige Zuständigkeit bestimmt ist. Daher sind nach höchstrichterlicher Sicht auch weitere Organe befugt, zivil- und steuerrechtlich wirksame Vereinbarungen einzugehen ohne das damit eine verdeckte Gewinnausschüttung ausgelöst wird. Allerdings sollte dabei bedacht werden, dass solche Vereinbarungen nur mit einem steuerlichen Berater abgesprochen vorgenommen werden sollten, um den unterschiedlichen Rechtsfolgen nicht negativ ausgeliefert zu sein.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Besteuerung von Kapitalgesellschaften“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-66-3.

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Carola Ritterbach
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Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2017