Grundzüge des Umsatzsteuerrechts – Teil 15 – Unentgeltliche Wertabgaben
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
5 Unentgeltliche Wertabgaben
Leistungen, die ein Unternehmer für seinen außerunternehmerischen Bereich erbringt, begründen mangels Entgelt keinen Leistungsaustausch und würden deshalb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerlich nicht erfasst werden.
Die Entnahme und unentgeltliche Zuwendung von Unternehmensgegenständen wird einer Lieferung nach § 3 Abs. 1b UStG gleichgestellt.
Die Verwendung von dem Unternehmen zugeordneter Gegenstände für private Zwecke oder den privaten Bedarf des Personals, sowie die unentgeltliche Erbringung einer sonstigen Leistung für außerunternehmerische Zwecke, ist einer sonstigen Leistung gem. § 3 Abs. 9a UStG gleichgestellt.
Die Gleichstellung der unentgeltlichen Wertabgaben mit Leistungen soll bewirken, dass ein Unternehmer wie ein privater Verbraucher behandelt wird, so dass er auf eine Leistung wie jeder andere Endverbraucher Umsatzsteuer bezahlt. Eine Gleichstellung der unentgeltlichen Wertabgaben ist jedoch nur notwendig, wenn der Unternehmer die bei Erwerb des Gegenstandes gezahlte USt als Vorsteuer in Abzug gebracht hat (§ 3 Abs. 1b S. 2 und § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG).
Die unentgeltlichen Wertabgaben werden jedoch nicht völlig den Leistungen gegen Entgelt gleichgestellt. So kommen eine Option zur Steuerpflicht bei steuerbefreiten Leistungen nach § 9 UStG und eine Rechnungserteilung mit entsprechendem Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Dies würde schließlich der Behandlung des Unternehmers als Endverbraucher zuwiderlaufen, da einem Verbraucher auch kein Vorsteuerabzug gewährt wird.
5.1 Lieferungen gleichgestellte Wertabgaben gem. § 3 Abs. 1b UStG
§ 3 Abs. 1b UStG unterscheidet drei Fälle, in denen die Entnahme bzw. die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes (Wertabgabe) durch einen Unternehmer einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt werden:
- § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG: die Entnahme für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen
- § 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG: die unentgeltliche Zuwendung an sein Personal für dessen privaten Bedarf
- § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG: jede andere unentgeltliche Zuwendung für Zwecke des Unternehmens
5.1.1 Gemeinsamkeiten
Für alle drei Fälle ist Voraussetzung, dass der Gegenstand den unternehmerischen Bereich verlässt. Er muss also zunächst zum Umfang und Rahmen des Unternehmens gehört haben.
Nach § 3 Abs. 1b S. 2 UStG ist weitere Voraussetzung, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum teilweisen oder vollen VSt-Abzug berechtigt haben.
Hat der Unternehmer den Gegenstand erworben, kann sich eine fehlende VSt-Abzugsberechtigung daraus ergeben, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG nicht vorlagen. Sie kann sich aber auch aus den VSt-Abzugsverboten nach § 15 Abs. 1a und Abs. 2 UStG ergeben.
Lag bei Erwerb des Gegenstandes keine VSt-Abzugsberechtigung vor, hat der Unternehmer aber einen Ausbau oder Umbau dessen vorgenommen, kommt es auf den Charakter der eingefügten Gegenstände an. Die beim Umbau verwendeten Gegenstände müssten dann als Bestandteile i. S. d. § 3 Abs. 1b S. 2 UStG angesehen werden und zum VSt-Abzug berechtigt haben.
Bestandteile i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG sind diejenigen gelieferten Wirtschaftsgüter, die
- aufgrund ihres Einbaus ihre körperliche und wirtschaftliche Eigenart endgültig verloren haben und
- zu einer dauerhaften, im Zeitpunkt der Entnahme nicht vollständig verbrauchten Werterhöhung des Gegenstandes geführt haben.
Hierzu zählen z.B. bei einem Kraftfahrzeug der nachträgliche Einbau einer Klimaanlage, eines Katalysators oder eines Austauschmotors.(Fußnote)
Keine Bestandteile sind hingegen:
- sonstige Leistungen einschließlich derjenigen, für die zusätzlich kleinere Lieferungen von Gegenständen erforderlich sind, z.B. Karosserie- und Lackarbeiten an einem Fahrzeug.(Fußnote) Hat der Unternehmer für derartige sonstige Leistungen Vorsteuern abgezogen und unterliegt die Entnahme des Gegenstandes nicht der Wertabgabenbesteuerung, so ist der VSt-Abzug unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 Satz 3 UStG zu berichtigen.
- nachträglich in einen Gegenstand eingebaute Wirtschaftsgüter, die leicht von dem Gegenstand getrennt werden und Gegenstand unabhängiger Geschäfte sein können, also Wirtschaftsgüter, die (trotz Einbau) ihre körperliche und wirtschaftliche Eigenart behalten. Hierzu gehört z.B. der nachträgliche Einbau eines Autotelefons oder -radios. Bei der Entnahme des Gegenstandes bilden diese Wirtschaftsgüter einen eigenen Entnahmevorgang, der umsatzsteuerlich gesondert zu beurteilen ist;
- nachträglich in einen Gegenstand eingebaute Wirtschaftsgüter, die zwar mit dem Einbau ihre körperliche und wirtschaftliche Eigenart verlieren, aber lediglich einen werterhaltenden Charakter haben; bei einem Kfz z.B. Bremsbeläge, Zündkerzen, Wischerblätter, Autobatterie. Aus Vereinfachungsgründen nimmt die Finanzverwaltung eine lediglich werterhaltende Maßnahme an, wenn die vorsteuerentlasteten Aufwendungen für den Einbau des Wirtschaftsgutes (= das Netto-Entgelt) 20 % der Anschaffungskosten des Gegenstands und einen Betrag von 1.000 EUR nicht übersteigen. Dabei ist jedes Wirtschaftsgut für sich zu betrachten, auch wenn es in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit anderen Wirtschaftsgütern eingebaut wird.(Fußnote)
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Grundzüge des Umsatzsteuerrechts“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-64-9.

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Carola Ritterbach
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Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2017