Grundzüge des Umsatzsteuerrechts – Teil 32 – Innergemeinschaftliche Lieferungen: Versandhandel
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
14.2 Innergemeinschaftliche Lieferungen
Auf Grundlage des Bestimmungslandprinzips gibt es im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, wie auch beim Warenverkehr mit dem Drittlandsgebiet (EUSt), einen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb korrespondierenden Steuerbefreiungstatbestand. Während reine Inlandslieferungen i.d.R. steuerbar und steuerpflichtig sind, Lieferungen in Drittländer dagegen als Ausfuhren steuerfrei bleiben, sind hinsichtlich innergemeinschaftlicher Umsätze drei verschiedene Fallgestaltungen zu unterscheiden:
- Gewerblicher Warenverkehr
- Abholfälle
- Versandhandel.
Der gewerbliche Warenverkehr ist die eigentliche „innergemeinschaftliche Lieferung“ nach § 6a UStG. Abhollieferungen und Versandhandel sind innergemeinschaftliche Umsatzarten, die vorliegen, wenn eine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG tatbestandlich nicht eingreift.
Der Status des Erwerbers (Abnehmers) ist maßgeblich dafür, unter welcher dieser drei Fallgruppen ein innergemeinschaftlicher Umsatz einzuordnen ist. Um einen Fall des gewerblichen Warenverkehrs handelt es sich, wenn der Abnehmer mit dem Erwerb des Gegenstandes der Besteuerung in seinem Land unterliegt (Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland).
Gehört der Abnehmer dagegen zu dem Erwerberkreis, für den eine Erwerbsbesteuerung nicht durchzuführen ist (Privatpersonen), so kann nur ein Abholfall oder eine Lieferung im Versandhandel vorliegen. Besondere Vorschriften gelten bei der Lieferung von neuen Fahrzeugen.
14.2.1 Gewerblicher Warenverkehr
Innergemeinschaftliche Lieferungen an Abnehmer, die der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland unterliegen, sind gem. § 4 Nr. 1b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei. Tatbestandsmerkmale einer innergemeinschaftlichen Lieferung im gewerblichen Warenverkehr nach § 6a UStG sind:
- Lieferung eines Gegenstandes
- durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens
- gegen Entgelt
- Warenbewegung durch den Unternehmer oder den Abnehmer
- vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet
- Abnehmer ist Unternehmer und erwirbt für sein Unternehmen oder eine jurist. Person, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erworben hat oder auch jeder Erwerber eines neuen Fahrzeugs (auch Privatpersonen)
- Abnehmer unterliegt der Erwerbsbesteuerung des jeweiligen Mitgliedstaates.
Die Erwerbsbesteuerung für Erwerber eines neuen Fahrzeugs ergibt sich aus § 1b UStG. Der Erwerbsbesteuerung nach § 1a UStG können auch sog. atypische Unternehmer unterliegen (vgl. § 1a Abs. 3 und 4 UStG). Dies ist für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung ausreichend. Verwendet der Erwerber (Abnehmer) beim Einkauf seine ausländische USt-Identifikationsnummer (§ 27a UStG), so kann der Lieferer davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung auf Seiten des Erwerbers vorliegen. Bei Zweifeln an der Gültigkeit der ausländischen USt-Identifikationsnummer kann der deutsche Lieferer diese beim Bundeszentralamt für Steuern bestätigen lassen. Diese USt-Id.-Nr. hat der Lieferer auf der Rechnung festzuhalten (§ 14a Abs. 2 UStG) und auf die Steuerfreiheit der Lieferung hinzuweisen (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 8 UStG).
Des Weiteren ist auch hier gem. § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a-17c UStDV ein Beleg- und Buchnachweis für den Nachweis des Vorliegens einer innergemeinschaftlichen Lieferung erforderlich.
14.2.2 Abholfälle
Abhollieferungen erfolgen durch Privatpersonen oder sog. Schwellenerwerber, die nicht der Erwerbsbesteuerung unterliegen. Voraussetzungen einer Abhollieferung sind:
- der Abnehmer ist Privatperson oder ein Schwellenerwerber, der ohne USt-Identifikationsnummer einkauft und
- der Abnehmer transportiert die Ware (selbst oder durch einen Beauftragten) und
- Warenbewegung vom Inland in einen anderen EU-Mitgliedsstaat.
Neben der Abnehmereigenschaft kommt es entscheidend darauf an, dass der Transport der Ware in einen anderen EU-Staat durch den Abnehmer erfolgt. Es muss sich um einen Fall des Beförderns/Versendens durch den Abnehmer handeln (Abhollieferung). Der Ort der Abhollieferung bestimmt sich gem. § 3 Abs. 6 UStG danach, wo die Ware dem Abnehmer (befördern) oder seinem Beauftragten (versenden) übergeben wird. Befördert oder versendet dagegen der Lieferer den Gegenstand in einen anderen EU-Mitgliedsstaat für den (Privaten/Schwellen-) Erwerber, so kann die Versandhandelsregelung nach § 3c UStG eingreifen.
Liegt der Ort einer Abhollieferung im Inland, so ist diese steuerbar und in jedem Fall auch steuerpflichtig nach dem sog. Ursprungslandprinzip. Die Besteuerung hat also nach den inländischen Besteuerungsvorschriften und zu dem hiesigen Steuersatz zu erfolgen. Diese Ausnahme vom Bestimmungslandprinzip ist notwendig um die Besteuerung des Umsatzes zu sichern. Im Bestimmungsland sind schließlich nur Unternehmer erwerbssteuerpflichtig.
14.2.3 Versandhandel
Bei der Versandhandelsregelung nach § 3c UStG gilt wieder das Bestimmungslandprinzip. Sie soll aber erst ab einer bestimmten Umsatzhöhe eingreifen. Wird diese nicht erreicht gilt auch hier das Ursprungslandprinzip. Voraussetzungen einer Lieferung im Versandhandel sind:
- Lieferung eines Gegenstandes
- Warenbewegung (Befördern oder Versenden)
- durch den liefernden Unternehmer
- im Rahmen seines Unternehmens
- vom Inland in ein anderes EU-Land
- Abnehmer ist Privatperson oder Schwellenerwerber (§ 1a Abs. 3 UStG) der nicht der Erwerbsbesteuerung unterliegt und
- der liefernde Unternehmer hat im Bestimmungsland die Lieferschwelle überschritten (§ 3c Abs. 3 UStG) oder optiert (§ 3c Abs. 4 UStG).
Auf Seiten des Erwerbers ist zu berücksichtigen:
- Kauft der ausländische Kunde mit einer ausländischen USt-Id.-Nr. ein, so unterliegt er der Erwerbsbesteuerung in seinem Land. Es handelt sich um eine normale innergemeinschaftliche Lieferung.
- Ohne Angabe einer USt-Id.-Nr. findet dagegen die Versandhandelsregelung Anwendung.
Der Ort der Lieferung wird abweichend von § 3 Abs. 6-8 UStG bei der Versandhandelsregelung durch § 3c UStG fiktiv in das Bestimmungsland verlagert. Der deutsche Lieferer wird dort umsatzsteuerpflichtig, von der deutschen USt hingegen befreit, da der Lieferort nicht im Inland belegen ist und die Lieferung damit gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht steuerbar ist.
Die Regelung des § 3c UStG findet nur Anwendung, wenn die Lieferungen des inländischen (deutschen) Lieferers in dem anderen EU-Land eine bestimmte Höhe überschreiten, die sog. Lieferschwelle, § 3c Abs. 3 UStG.
Eine Besonderheit besteht bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren i. S. d. § 1a Abs. 5 S. 2 UStG. Bei einer
- Lieferung an Schwellenerwerber (die Versandhandelsregelung hat keine Bedeutung, da Schwellenerwerber verbrauchsteuerpflichtige Waren ohnehin immer der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland zu unterwerfen haben (§ 1a Abs. 3 UStG gilt nach § 1a Abs. 5 S. 1 UStG nicht).
- Lieferung an Privatpersonen (die Lieferschwelle hat keine Bedeutung, da diese Lieferungen immer der Versandhandelsregelung unterliegen (§ 3c Abs. 3 UStG gilt nach § 3c Abs. 5 UStG nicht).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Grundzüge des Umsatzsteuerrechts“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-64-9.

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Carola Ritterbach
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Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2017