Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine – Teil 02 – Der Verfassungsstatus des Sports: Stellung im Grundgesetz
1. Der Staat und seine Stellung zum Sport
1.1. Der Verfassungsstatus
1.1.1. Die Stellung im Grundgesetz
Im Grundgesetz (GG) sind unter anderem sogenannte Grundrechte (Artikel 1-19 GG) enthalten. Diese Grundrechte werden auch Eingriffsabwehrrechte genannt. Dem Einzelnen soll dadurch die Möglichkeit erteilt werden, sich gegen ungerechtfertigte Eingriffe des Staats, bspw. in Freiheit oder Eigentum, zur Wehr setzen zu können.
Trotz des mittlerweile enormen Stellenwerts des Sports in der deutschen Gesellschaft, wird dieser weder durch die einzelnen Grundrechte direkt geschützt, noch im Grundgesetz ausdrücklich erwähnt. Dabei ist Deutschland nicht das einzige europäische Land, das den Sportbegriff in der Verfassungsformulierung außen vor lässt. Im Gegenteil, nur in einigen wenigen europäischen Ländern, wie Portugal, Spanien und der Schweiz wird der Begriff ausdrücklich im Grundgesetz genannt und direkt geschützt.(Fußnote) Daraus zu folgern, dass der Sport aus diesem Grund in einem rechtsfreien Raum steht und lediglich die von Verbänden und Vereinen entwickelten Regelwerke gelten sollen, ist allerdings falsch.
Denn obwohl der Begriff des Sports in deutschen Verfassungstexten auf Bundesebene nicht erwähnt wird (anders in den verschiedenen Landesverfassungen(Fußnote)), bilden die bereits vorhandenen verfassungsrechtlichen Grundsätze, sowie die entsprechenden Grundrechte einen ausreichenden Regelungs- und Organisationsrahmen für staatliche Aufgaben und Rechte des Individuums im Sport. Trotz einer entscheidenden Mehrheit von Rechtsexperten und Professoren, welche sich für die Aufnahme des Sportbegriffs in das Grundgesetz bzw. in die Grundrechte ausgesprochen haben, ist nach heutigem Stand eine Änderung bzw. Einführung des Begriffs noch nicht erfolgt.
1.1.2. Schutz der individuellen Sportausübung im Grundgesetz
Die individuelle Sportausübung wird trotz mangelnder direkten, gesetzlichen Verankerung in einigen Artikeln des Grundgesetzes indirekt geschützt.
1.1.2.1. Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit der Sportler durch Art. 2 Abs. 1 GG
Das Recht auf freie sportliche Betätigung eines Individuums (sowohl eines Amateur- als auch Leistungssportlers) ergibt sich aus Artikel 2 Abs.1 GG.
Dieser Artikel regelt die allgemeine Handlungsfreiheit eines Menschen. Sie garantiert im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung die freie Entfaltung jedermanns Persönlichkeit.(Fußnote) Art. 2 Abs.1 GG gewährt also Freiheiten für geistige, künstlerische, wirtschaftliche und eben auch sportliche Betätigungen.(Fußnote) Ein positives Recht des Sportlers auf finanzielle Hilfen bezüglich der sportlichen Aktivität oder eine Mitfinanzierung von Sportanlagen, gewährt Art. 2 Abs.1 GG hingegen nicht.
Das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs.1 GG ist ein sehr weitreichendes Grundrecht. Aufgrund des allgemein gehaltenen Wortlauts, lässt es im ersten Moment einen uneingeschränkten Rechtsschutz vermuten. Diese Schrankenlosigkeit ist allerdings, wie bei allen anderen Grundrechten, nicht zu bejahen. Im Gegenteil, auch die Freiheiten des Art. 2 Abs.1 GG sind beschränkt. Eine konkrete Handlungsfreiheit ist nämlich nur dann gegeben, wenn keine Rechtsverletzung anderer Menschen, sowie kein Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung erfolgt. Für den Staat eröffnet sich damit die Möglichkeit, unter Wahrung der einzelnen Voraussetzungen der Verfassung (Erforderlichkeit u. Verhältnismäßigkeit), eine staatliche Beschränkung der sportlichen Betätigung des Einzelnen herbeizuführen.(Fußnote)
Solche Einschränkungen erfolgen in der Praxis allerdings nicht durch die staatlichen Organe, sondern meist durch die Verbands- oder Vereinsorgane, da die Sportler den entsprechenden Verbänden und Vereinen angehören und somit den jeweiligen Satzungen quasi „unterworfen“ sind.
Trotz dieser indirekten „Abhängigkeit“ ist jedoch auch in einem solchen Verhältnis – meist zwischen Sportler und Verband bei Individualsportarten (z.B. Leichtathletik) und Sportler und Verein bei Mannschaftssportarten (z.B. Fussball) – die Grundrechtsausübung und vor allem die Handlungsfreiheit des einzelnen gewährleistet. Eine solche Gewährleistungspflicht der Verbände gegenüber den Sportlern ergibt sich durch die Auslegung des Art. 9 Abs.1 GG.(Fußnote)
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass weder der Staat noch die Verbände unberechtigt in die Freiheits- bzw. Grundrechte der Sportler – vor allem in Art. 2 Abs.1 GG – eingreifen dürfen.
Es sei denn, der Eingriff ist zur Aufrechterhaltung der Sportorganisation und Durchführung von Wettkämpfen geboten (sog. Schranke eines Grundrechts).(Fußnote) Spielersperren und Vereinsausschlüsse sind zwar als zulässige Regeln anzusehen(Fußnote) müssen jedoch auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung kontrolliert das zuständige Sportgericht, ob die Sperre oder der entsprechende Ausschluss des Sportlers für den zu erreichenden Zweck erforderlich, geeignet und angemessen ist. Entscheidend ist hierbei vor allem, dass das ultima ratio Prinzip, als das am geringsten belastende Mittel für den Betroffenen (Sportler), durch das (Sport-)Gericht Anwendung und Wahrung findet.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine“ von Michael Kaiser, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Franco Caputo, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0.
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Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2015