Steuerberaterhaftung – Teil 02 – Abgrenzung zur Gefälligkeitshandlung und typische Mängel des Steuerberatervertrages
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
2.1.2 Abgrenzung zur Gefälligkeitshandlung
Dadurch, dass ein Steuerberatervertrag durch konkludentes Verhalten zustande kommen kann, ist der Abschluss eines Steuerberatervertrags von einer Gefälligkeitshandlung abzugrenzen. Die Abgrenzung ist sowohl für den Steuerberater als auch für den Beratenden von Bedeutung. Handelt es sich um keinen Steuerberatervertrag, sondern um eine bloße Gefälligkeitshandlung, kommen Haftungsansprüche seitens des Beratenden nur im Rahmen der außervertraglichen Haftung in Betracht (vgl. § 675 Abs. 2 BGB).(Fußnote) Hierdurch ist die Haftung des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten in einem erheblichen Umfang beschränkt.
Die Abgrenzung zwischen dem Steuerberatervertrag und einer Gefälligkeitshandlung erfolgt durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB). Ein wesentliches Abgrenzungskriterium ist der Rechtsbindungswille des Steuerberaters.(Fußnote) Dies ist der Wille, mit dem Mandanten ein Rechtsverhältnis, d.h. eine rechtliche Bindung, einzugehen.
Ein Rechtsbindungswille kann dann angenommen werden, wenn
- die Auskunft für den Steuerberater erkennbar eine erhebliche Bedeutung für den Ratsuchen
- den hat undder Ratsuchende die Auskunft zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will.(Fußnote)
Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Steuerberater für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig ist oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt.(Fußnote) Der Umstand, dass der Steuerberater für seine Tätigkeit keine Vergütung verlangt hat, reicht für die Annahme einer Gefälligkeit alleine nicht aus.(Fußnote)
Bedeutung hat die Frage insbesondere bei einer telefonischen Auskunft. In derartigen Fällen ist die Haftung davon abhängig, ob durch die bloße Frage des Anrufenden und die Antwort des Steuerberaters ein Vertrag zustande gekommen ist oder ob die Antwort aus Freundlichkeit erfolgt und dementsprechend eine Gefälligkeit darstellt.(Fußnote)
Beispiel
Steuerberater B erklärt seinem Mandanten A, er wolle eine weitere Interessenvertretung des A nicht mehr wahrnehmen. A bittet B einige Tage später bei der Verfassung eines Schriftsatzes um Hilfe, die der B leistet.
- Zwischen A und B kommt durch die Hilfeleistung des B kein Vertragsverhältnis durch konkludentes Verhalten zustande. B hat durch eindeutige Erklärung deutlich gemacht, dass er die Interessen des A nicht mehr wahrnehmen möchte. Sein Handeln stellt eine Gefälligkeit dar.
Beispiel
Mandat A ruft bei Steuerberater B an und erklärt, er sei selbstständig und benötige Hilfe bei seiner Einkommensteuererklärung. Seine Fragen teilt er B telefonisch mit. B beantwortet die Fragen in demselben Gespräch.
- Die richtige Erstellung der Einkommensteuererklärung ist für A bedeutend, da er bei einer fehlerhaften Erklärung erhebliche steuerliche Nachteile erleiden und sich ggf. sogar strafbar machen kann. Das Interesse des A an einem sorgfältigen Rat ist für B aufgrund der Berufspraxis erkennbar. Zwischen A und B kommt ein Steuerberatervertrag zustande. Wenn B eine Auskunft erteilt, geht damit die Verpflichtung einher, die Auskunft sorgfältig zu erteilen.
Kein Vertrag kommt zustande, wenn für den Ratsuchenden erkennbar ist, dass es sich bei der Auskunft des Steuerberaters um einen unverbindlichen Rat handelt und er dies akzeptiert hat.(Fußnote) Abzustellen ist auf die Bewertung des Verhaltens des Steuerberaters durch einen verständigen Dritten.(Fußnote) Im Zweifel wird die Entscheidung zugunsten des Mandanten ausgelegt, sodass der Abschluss eines Steuerberatervertrags angenommen wird.
2.1.3 Typische Mängel des Steuerberatervertrages
Leidet der Steuerberatervertrag an Mängeln und wird er dadurch nichtig oder unwirksam, entfallen jegliche vertraglichen Ansprüche des Mandanten. In diesem Fall kommt allein eine außervertragliche Haftung in Betracht.
Mängel des Steuerberatervertrags ergeben sich neben den allgemeinen Mängeln aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (z.B. Minderjährigkeit oder Vertretung ohne Vertretungsmacht), typischerweise aus
- dem Steuerberatungsgesetz(Fußnote)
- der Berufsordnung(Fußnote) oder
- dem Rechtsdienstleistungsgesetz(Fußnote).
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Steuerberater und dem Mandanten wird in diesen Fällen infolge der Mängel bereicherungsrechtlich abgewickelt, d.h. dass die gegenseitig erbrachten Leistungen rückabgewickelt werden. Keine der Vertragsparteien soll einen ungerechtfertigten Vorteil ziehen dürfen.
Beispiel
Der zwischen dem Mandanten A und dem Steuerberater B geschlossene Steuerberatervertrag ist nichtig. A hat bereits ein Honorar in Höhe von 2.000,- € an B entrichtet. B hat noch keine Leistung erbracht.
- B hat das Honorar in Höhe von 2.000,- € ungerechtfertigt erhalten. Dieses Honorar muss er aufgrund der Nichtigkeit des Steuerberatervertrags an A zurückzahlen.
2.1.3.1. Steuerberatungsgesetz und Berufsordnung
Nicht jeder Verstoß gegen das Steuerberatungsgesetz oder die Berufsordnung führt zu Mängeln und dadurch zur Nichtigkeit (§ 134 BGB) des Vertrags.(Fußnote) Stattdessen muss im Einzelfall nach dem Sinn und Zweck der Norm geprüft werden, ob diese die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert.(Fußnote) Zur Nichtigkeit kommt es nur, wenn elementare Berufspflichten verletzt werden.
Eine Ausnahme besteht dann, wenn in einer Norm als Rechtsfolge die Nichtigkeit des Vertrags ausdrücklich angeordnet wird. Ein Beispiel hierfür bildet die fehlende Berufsqualifikation des Beraters (§ 5 StBerG). Hierdurch soll sichergesellt werden, dass die Steuerberatung fachgerecht erfolgt. Dementsprechend ist die Steuerberatung allen Personen verboten, die nicht Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften sind (§§ 3 und 4 StBerG). Schließen sie dennoch einen Steuerberatervertrag ab, ist dieser nichtig.
2.1.3.2. Rechtsdienstleistungsgesetz
Das Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgt den Zweck, den Einzelnen vor unqualifizierten Rechtsberatungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 RDG). Ebenso wie der Gesetzgeber die Steuerberatung nur bei entsprechender Berufsqualifikation erlaubt, ist dies bei der Rechtsberatung der Fall. Steuerberatern ist die Rechtsberatung grundsätzlich nicht erlaubt. Wird gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen, ist der Steuerberatervertrag insgesamt nichtig.(Fußnote)
Steuerberater müssen jedoch im Rahmen wirtschaftsberatender Tätigkeit (§ 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG) häufig allgemeine Rechtsberatung durchführen. Dies ist erlaubt, wenn die Rechtsberatung in unmittelbaren Zusammenhang mit steuerlichen Angelegenheiten steht und ohne die rechtliche Bearbeitung die steuerliche Beratung nicht sachgemäß erfolgen kann.(Fußnote) Darüber hinaus muss die Rechtsdienstleistung zum Berufsbild des Steuerberaters gehören.(Fußnote) Sie darf dabei nur Nebenleistung sein. Dies bedeutet, dass die Rechtsdienstleistung nicht den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerberaters ausmachen darf, sondern untergeordnet bleiben muss.(Fußnote) In diesem Fall wird das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht verletzt und der Steuerberatervertrag ist wirksam.
Dem Steuerberater erlaubte Rechtsberatungen (vgl. § 15 BOStB) sind zum Beispiel
- Prüfung der Insolvenzreife,
- Unternehmensberatung,
- Treuhandtätigkeiten und
- Mediation.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
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Stand: Januar 2016