Steuerberaterhaftung – Teil 11 – Verschulden
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
4.2 Verschulden
Haftung setzt regelmäßig Verschulden voraus. Verschulden bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung gegenüber dem Steuerberater. Dem Steuerberater kann sein eigenes Verschulden (= Selbstverschulden i. S. d. § 276 Abs. 1, S. 1 BGB) oder das Verschulden eines Dritten (= Fremdverschulden i. S. d. § 278 S. 1 BGB) vorgeworfen werden. In der Praxis ergibt sich das Verschulden in der Regel bereits aus der Bestimmung der Pflichten bzw. deren Verletzung. Wird daher eine Pflicht des Steuerberaters verletzt, hat er diese grundsätzlich zu verschulden. In der Praxis haben die folgenden Ausführungen nur geringe Auswirkungen, da ein Verschulden von der Rechtsprechung in der Regel ohne Prüfung bejaht wird. Auswirkungen zeigen sie z.B. hinsichtlich des Versicherungsschutzes des Steuerberaters, der regelmäßig bei vorsätzlichem Handeln nicht besteht.
4.2.1 Eigenes Verschulden des Steuerberaters
Wird dem Steuerberater sein eigenes Verhalten vorgeworfen, hat er die Pflichtverletzung selbst verursacht.
Das Verschulden kann zwei unterschiedliche Formen haben (§ 276 Abs. 1 BGB):
- Vorsatz
- Fahrlässigkeit
Für den Haftungsanspruch des Mandanten ist die Form des Verschuldens unerheblich, d.h. dass der Haftungsanspruch des Mandanten sowohl bei vorsätzlichem als auch bei fahrlässigem Handeln des Steuerberaters in Betracht kommt.
4.2.1.1 Vorsatz
Vorsätzlich handelt, wer bewusst und gewollt handelt.(Fußnote) Der Vorsatz muss sich dabei allein auf die Pflichtverletzung, nicht aber auf den eingetretenen Schaden beziehen.(Fußnote) Es genügt, wenn der Steuerberater den Eintritt der Pflichtverletzung für möglich hält und trotzdem handelt (bedingter Vorsatz).(Fußnote)
Beispiel
Mandant A und Steuerberater B schließen einen Vertrag über die Erstellung eines Jahresabschlusses. Sie vereinbaren als Erledigungsdatum den 01.03.2015. B weiß allerdings schon, dass er Anfang des Jahres viel Arbeit haben wird und den Jahresabschluss möglicherweise nicht fristgerecht erstellen kann. B erstellt den Jahresabschluss am 01.04.2015.
- B hat bereits beim Abschluss des Vertrags für möglich gehalten, dass er den Vertrag nicht fristgerecht erfüllen kann. Aufgrund dessen handelt er mit (bedingtem) Vorsatz. Alternativ hätte er das Mandat entweder ablehnen, A um eine Fristverlängerung bitten oder einen Dritten zur Erstellung des Jahresabschlusses beauftragen müssen.
Irrt der Steuerberater über tatsächliche Umstände oder unterliegt er einem Rechtsirrtum, schließt dies vorsätzliches Handeln grundsätzlich aus. Kommt vorsätzliches Handeln nicht in Betracht, verbleibt die Möglichkeit einer fahrlässigen Handlung(Fußnote), wenn der Irrtum auf mangelnder Sorgfalt bei der Ausübung der Berufstätigkeit beruht.
Beispiel
Mandant A beauftragt Steuerberater B mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung für 2013-2015. Diese sollen A zur Kontrolle am 15.03.2016 übersendet werden. Bei der Bearbeitung ist B davon ausgegangen, er müsse lediglich die Steuererklärungen 2014 und 2015 erstellen, da die Steuererklärung für 2013 bereits im Vorjahr erstellt worden sei. Aufgrund dessen übersendete er A fristgerecht nur die Steuererklärungen für 2014 und 2015.
- B irrte darüber, dass er nur die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 erstellen sollte. Aufgrund dessen übersendete er die Steuererklärung für das Jahr 2013 nicht fristgerecht. Dies war B jedoch nicht bewusst, sodass er nicht vorsätzlich ggf. aber fahrlässig handelte.
4.2.1.2 Fahrlässigkeit
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Dies ist dann der Fall, wenn der Steuerberater nicht so handelt, wie ein sorgfältig und gewissenhaft arbeitender Steuerberater arbeiten würde.(Fußnote) Hierbei wird auf den Zeitpunkt der Handlung abgestellt. Der Steuerberater hätte erkennen müssen, dass er sich pflichtwidrig verhält und seinem Mandanten hieraus ein Schaden entstehen könnte.(Fußnote) Aufgrund dessen hätte der Schaden vermieden werden können.
Beispiel
Steuerberater B beachtet aufgrund von Zeitmangel nicht die im Bundessteuerblatt veröffentlichte Rechtsprechung und bedient sich zur Prüfung des steuerrechtlichen Problems seines Mandanten A nicht der einschlägigen Standardkommentare.
- Ein sorgfältig und gewissenhaft arbeitender Steuerberater würde sowohl die Rechtsprechung beachten als auch einschlägige Standardkommentare bei seiner Prüfung berücksichtigen. B handelt sorgfaltswidrig und somit fahrlässig.
4.2.2 Zurechnung des Verschuldens eines Dritten
Besonders bedeutsam ist die Haftung für Dritte. Der Steuerberater hat für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, denen er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, in gleichem Umfang einzustehen wie für sein eigenes Verschulden (§ 278 Satz 1 BGB). Dies gilt selbst dann, wenn die Hilfsperson sich nicht an die Weisungen des Steuerberaters hält.
Personen, denen sich der Steuerberater zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient (Erfüllungsgehilfen) sind z.B.
- Sekretärinnen,
- technische Angestellte,
- studentische Hilfskräfte sowie
- angestellte und freie Mitarbeiter.
Kennzeichnend für einen Erfüllungsgehilfen ist, dass er dem Steuerberater unterstellt ist. Der Dritte kann wie der Steuerberater selbst sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig handeln, was für die Haftung des Steuerberaters selbst allerdings unerheblich ist.
Beispiel
Die Sekretärin C des Steuerberaters B kontrolliert die Fristen nicht bzw. bearbeitet die Post nicht, sodass eine Frist nicht eingehalten wird.
- Bei sorgfältiger und gewissenhafter Arbeit hätte C die Fristen kontrollieren müssen. Das Verschulden ist B über § 278 Satz 1 BGB als eigenes Verschulden zuzurechnen.
Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nicht nach den Anforderungen, die an einen Dritten, sondern nach denen, die an einen Steuerberater gestellt werden können. Eine Ausnahme besteht dann, wenn es sich bei dem Dritten um einen ausgewiesenen Fachmann handelt, an den ein höheres Maß an Sorgfalt gestellt werden kann.(Fußnote) Zudem muss das Verhalten des Dritten mit der ihm übertragenen Mandatspflicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Eine Haftung des Steuerberaters erfolgt selbst dann, wenn der Dritte von dem ihm übertragenen Pflichtenkreis abweicht.
4.2.3 Entlastungsmöglichkeiten
In Ausnahmefällen kann das Verschulden ausgeschlossen sein, wenn z.B. das pflichtgemäße Handeln des Steuerberaters tatsächlich nicht möglich und das Hindernis nicht vorhersehbar war.(Fußnote)
Beispiel
Steuerberater B erleidet einen Zusammenbruch und verbringt drei Wochen auf der Intensivstation. Da er Steuerberater in einer Einzelkanzlei ist, werden mehrere Fristen versäumt.
- Grundsätzlich muss ein Steuerberater für die Fälle, in denen er verhindert ist, eine geeignete Vorsorge treffen. Derartige Vorkehrungen hat B nicht getroffen. B ist unvorhergesehen zusammengebrochen. Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass B in der Lage gewesen wäre, eine ordnungsgemäße Vertretung zu organisieren. Selbst wenn er bei Bewusstsein gewesen wäre, ist es bei einer schwerwiegenden Erkrankung unzumutbar, sich über seine Vertretung Gedanken machen zu müssen. Die Fristversäumnis hat B daher nicht zu verschulden.
Abgestellt werden muss für eine Entlastung immer auf das vertretbare und zumutbare Verhalten des Steuerberaters selbst. Zumutbar ist ein Verhalten immer dann, wenn die erforderlichen Mittel nicht außer Verhältnis zum Erfolg stehen.
Beispiel
Steuerberater B ist auf dem Weg zum Finanzgericht und sein Fahrzeug bleibt mit einer Panne auf der Autobahn liegen. Er ruft den Pannendienst, der bereits 15 Minuten später eintrifft und ihn zusammen mit seinem Fahrzeug in die nächstgelegene Werkstatt bringt. Bis zum Beginn des Termins in dem 5 km entfernten Finanzgericht hat der Steuerberater noch eine Stunde Zeit.
- B ist in diesem Fall zumutbar, ein Taxiunternehmen anzurufen und sich zum Finanzgericht fahren zu lassen. Die Taxigebühren werden von geringer Höhe sein. Zudem ist bei einer Stunde noch ausreichend Zeit, um sich kurz auf den Termin vorzubereiten. Die Nichtwahrnehmung des Gerichtstermins hätte B zu verschulden.
Nicht ausreichend ist zum Beispiel der Einwand, der Steuerberater sei
- überarbeitet,(Fußnote)
- unerfahren,(Fußnote)
- ortsabwesend,(Fußnote)
- umgezogen(Fußnote)
oder er habe
keine Urlaubsvertretung(Fußnote) oderdie Pflicht vergessen(Fußnote).
4.2.4 Beweislast
Das Verschulden des Steuerberaters wird vermutet (vgl. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) und muss daher nicht bewiesen werden. Das Nichtverschulden muss der Steuerberater bewiesen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin,mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.

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Stand: Januar 2016