Kommunalabgabenrecht – Teil 08 – Grundsatz der Örtlichkeit, Subsidiarität der Steuererhebung, Einzelne wichtige kommunale Steuern
3. Grundsatz der Örtlichkeit
Kommunale Steuern müssen stets dem Grundsatz der Örtlichkeit entsprechen. Das bedeutet, dass die jeweilige Steuer an lokale Gegebenheiten anknüpfen und zudem ihre Belastungswirkung auf den abgrenzbaren örtlichen Bereich beschränkt sein muss. So dürfte etwa die Stadt S im obigen Beispielsfall nicht bestimmen, dass auch in der Stadt B die Hundesteuer zu erheben ist. Dies ist allein Sache der Stadt B. Die schon eingangs beschriebene Abgabenhoheit korrespondiert daher mit der Gebietshoheit.
4. Subsidiarität der Steuererhebung
Für die Kommunen gelten strikte sog. Einnahmebeschaffungsgrundsätze. Einer davon ist, dass die Steuerhebung in den Kommunen nur subsidiär möglich ist. Das bedeutet, dass diese nur dann erhoben werden dürfen, wenn die Deckung der Ausgaben durch andere Einnahmen, insbesondere durch Gebühren und Beiträge, nicht in Betracht kommt. Dies gilt in besonderem Maße für die Herstellung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen, bei der ein absoluter Vorrang vor der Steuerfinanzierung herrscht.
5. Einzelne wichtige kommunale Steuern
5.1 Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer ist neben der Grundsteuer (dazu 3.2.5.2) die einzige existierende Realsteuer in Deutschland. Deren Aufkommen steht zum Großteil den Gemeinden zu. Hierbei dürfen diese zudem eigene Hebesätze festlegen. Dies sichert den Gemeinden, dass sie die Höhe der Gewerbesteuer bis zu einer gewissen Belastungsgrenze nach oben an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen können. In der spruchrichterlichen Praxis verbreiteter sind allerdings Streitigkeiten über eine Anpassung nach unten.
Beispiel
Die Stadt A hat schon seit Jahren Probleme mit ihrem Gewerbegebiet. Um dies endlich in den Griff zu bekommen, beschließt der Gemeinderat, den Hebesatz der Gewerbesteuer auf null abzusenken, um steuerliche Anreize zu schaffen. Dies führt dazu, dass einige Unternehmen aus den Städten B (3 % Hebesatz) und C (4 % Hebesatz) ihren Sitz nach A verlegen möchten.
In diesem Beispiel entsteht für die Unternehmen in Stadt A eine "Steueroase", die die Städte B und C in Bedrängnis bringt. So müssten sie die Höhe ihrer Gewerbesteuer vermutlich dem Satz der Stadt A angleichen, um die Unternehmen zu halten. Um diesen "Preiskampf" von vornherein zu vermeiden, hat der Gesetzgeber einen Mindesthebesatz eingeführt. Dieser sichert nebenher auch, dass Ausfälle der Gewerbesteuerumlage verhindert werden. Dies wurde auch durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 nochmals bekräftigt.[1]
Dennoch verbleibt den Kommunen oberhalb des Mindesthebesatzes ein weiter Ermessensspielraum. So darf auch bei guter Konjunktur ein hoher Hebesatz beibehalten werden. Insbesondere hat der Bürger, wie das Bundesverwaltungsgericht in einer Leitentscheidung klargestellt hat, keinen einklagbaren Anspruch auf Senkung des Hebesatzes.[2] Der Kommune bleibt es insoweit selbst überlassen, in welchem Ausmaß sie die zur Deckung ihres Finanzbedarfs zur Verfügung stehenden Steuerquellen ausschöpft.
5.2 Grundsteuer
Durch die Grundsteuer wird der Besitz von Grundstücken belastet. Dabei wird unterschieden zwischen agrarischen Grundstücken (sog. Grundsteuer A für die Landwirtschaft) und baulichen Grundstücken (sog. Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude). Auch für diese haben die Kommunen ein Hebesatzrecht. Das Verfahren ist dabei so ausgestaltet, dass die Finanzämter als Behörden des Landes zunächst einen Grundsteuermessbescheid gegenüber der Kommune erlassen und die Kommune dann die Steuerfestsetzung durch Anwendung des Hebesatzes vornimmt. Dies erfolgt durch Steuerbescheid gegenüber dem Steuerschuldner. Grundlage hierfür bleibt allerdings der Grundsteuermessbescheid. Erlässt also das Finanzamt gegenüber der Kommune einen neuen Grundsteuermessbescheid, ist auch der Steuerbescheid entsprechend zu ändern.
Beispiel 1
Der stets nachlässige Sachbearbeiter P aus dem Finanzamt hat die dem Grundsteuermessbescheid zugrunde gelegten Werte falsch berechnet, den unrichtigen Bescheid aber trotzdem der Gemeinde G geschickt. Diese erlässt daraufhin einen deutlich zu niedrig angesetzten Steuerbescheid gegenüber dem Bürger B. Der Vorgesetzte V des P entdeckt den Fehler und schickt G einen korrigierten, dieses Mal korrekt berechneten Grundsteuermessbescheid. G nimmt daraufhin den ursprünglichen Bescheid gegenüber B zurück und erlässt einen neuen Steuerbescheid.
Besonders zu beachten ist zudem die Festsetzungsverjährung, die eine nachträgliche Festsetzung ausschließen kann. Dies dient insbesondere der Schaffung von Klarheit und Rechtssicherheit.
Beispiel 2
A erwirbt im Jahr 2009 ein Grundstück. Die chronisch überarbeitete Gemeinde G vergisst über Jahre, den Grundsteuerbescheid festzusetzen. Erst im Jahr 2015 erlässt sie gegenüber A den Grundsteuerbescheid. A wendet ein, dass es nach solch langer Zeit doch nicht mehr möglich sein könne, die Steuer von ihm zu verlangen.
Die Festsetzungsfrist beginnt gem. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres der Entstehung und endet gemäß § 169 Abs. 2 AO nach vier Jahren. Hier hat A im Jahr 2009 das Grundstück gekauft, sodass die Frist am 31.12.2010 24:00 Uhr zu laufen beginnt. Ablauf der Frist ist vier Jahre später, also am 31.12.2014 24:00 Uhr. Damit ist mit Ablauf des 31.12.2014 Verjährung eingetreten. A kann sich gegenüber dem 2015 erlassenen Bescheid wirksam auf die Verjährung berufen. Abhängig vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens, wenn also die Widerspruchsbehörde unrichtigerweise keine Verjährung annimmt, muss dies ggf. im Klageverfahren vor Gericht geltend gemacht werden.
[1] BVerfG vom 27.01.2010 – 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04.
[2] BVerwG vom 11.6.1993 – 8 C 32.90.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kommunalabgabenrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Patrick Christian Otto, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-62-5.
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