Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht – Teil 18 – Immobilienfonds
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
2.3.3.2. Immobilienfonds
Unter den Begriff Immobilienfonds fallen verschiedene rechtliche Gestaltungsformen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass Kapital in Immobilien investiert wird. Die wichtigsten Formen sind offene und geschlossene Immobilienfonds. Beim offenen Immobilienfonds kann grundsätzlich jederzeit Kapital zu- oder abgeführt werden, beim geschlossenen nicht.
Offene Immobilienfonds investieren meist in viele Immobilien, sodass die Risikostreuung groß ist. Neue Anleger können aufgenommen werden, indem die gesamte Anlagesumme erhöht wird und in weitere Immobilien investiert wird. Die bisherigen Anleger können ihre Anlage zu einem beliebigen Zeitpunkt zurückgeben. Wenn allerdings der Fonds in eine finanzielle Schieflage gerät, kann der Fonds die Rücknahme von Anteilen zeitweilig ausschließen.
Geschlossene Immobilienfonds dienen dagegen grundsätzlich der Finanzierung eines einzigen oder ein paar weniger Objekte. Wenn das hierfür nötige Kapital eingesammelt ist, können keine neuen Anleger mehr hinzukommen. Die bisherigen Anleger können ihr Kapital nicht ohne weiteres zurückziehen, da eine feste Laufzeit von oft 10 oder mehr Jahren festgelegt ist. Die rechtliche Gestaltung erfolgt meist über eine Unternehmensbeteiligung (siehe 2.3.3.1. Unternehmensbeteiligungen).
Je nachdem, in welche Art eines Immobilienfonds investiert wird, muss dementsprechend beraten werden.
Beispiel
Die Bank Fidelitas empfiehlt ihrer Kundin Frau Werner, Anteile an einem offenen Immobilienfonds zu erwerben. Sie muss Frau Werner dabei darauf hinweisen, dass die Kapitalrücknahme vom Immobilienfonds zeitweilig ausgesetzt werden kann, sodass Frau Werner nicht an ihr Kapital kommen kann. Findet diese Aufklärung nicht statt, macht sich die Bank Fidelitas gegenüber Frau Werner schadensersatzpflichtig.
Bei offenen Fonds ist der Berater verpflichtet, über Preisabschläge bei einem Rückkauf zu informieren und bei geschlossenen über enge personelle und kapitalmäßige Verflechtungen zwischen beteiligten Unternehmen und Personen aufzuklären.
Da Immobilienfonds grundsätzlich in wertbeständige Anlagegenstände investieren, ist das Risiko eines Totalverlustes gering. Wenn jedoch risikoerhöhende Umstände vorliegen, besteht eine Aufklärungspflicht über Umstände, die einen Totalverlust wahrscheinlicher machen.
Beispiel
Frau Winter wird diesmal von der Bank Fidelitas der Erwerb von Anteilen an dem Immobilienfonds „Schöner Wohnen in Dubai“ empfohlen. Dieser Immobilienfonds weist eine hohe Fremdkapitalquote auf, die Mieteinkünfte entwickeln sich schwach, die Grundstücke sind mit hohen Hypotheken belastet und die Wertansätze des Fonds sind sehr optimistisch. In einem solchen Fall besteht die naheliegende Möglichkeit eines Totalverlustes,
weshalb die Bank Fidelitas Frau Werner darauf hinweisen muss. Unterlässt sie dies, macht sie sich schadensersatzpflichtig.
Wenn der Immobilienfonds eine unternehmerische Beteiligung darstellt, wie dies bei geschlossenen Immobilienfonds oft der Fall ist, darf die Anlage nicht als sicher beworben werden. Dann kann trotz der an sich sicheren Anlagegegenstände ein Totalverlust drohen.
Da geschlossene Immobilienfonds oftmals eine unternehmerische Beteiligung darstellen, muss über die Rechtsform der Beteiligung aufgeklärt werden, wenn sich daraus ein besonderes Haftungsrisiko ergibt. Dieses besondere Haftungsrisiko kann sogar größer als das Risiko eines Totalverlustes sein.
Beispiel
Der geschlossener Immobilienfonds „Wohnen und Handeln im neunen Markt“ ist als GbR ausgestaltet. Damit haften die Mitgesellschafter grundsätzlich persönlich und unbeschränkt. Nicht nur der Anlagebetrag kann verloren gehen, sondern der Anleger haftet zusätzlich mit seinem gesamten Privatvermögen. Wenn die Bank Lustig ihren Kunden diesen Fonds empfehlen möchte, muss sie hierauf bei der Beratung hinweisen, andernfalls macht sie sich schadensersatzpflichtig.
Geschlossene Immobilienfonds können im Einzelfall, trotzdem dass sie eine unternehmerische Beteiligung begründen, zur Altersvorsorge geeignet sein.
Beispiel
Der 52 Jahre alte Herr Knauer möchte eine Anlage zur Altersvorsorge abschließen. An sich hat er bereits ausreichend vorgesorgt. Er möchte jedoch einen Betrag, den er aus einer Erbschaft erhalten hat, zusätzlich zur Altersvorsorge einsetzen. Seine Bank rät ihm dazu, Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds, der ein mittleres Risiko aufweist, dafür aber Steuervorteile bringt, zu erwerben.
Allein der Begriff „Altersvorsorge“ als Anlageziel bedeutet nicht, dass die Anlage sicher sein muss. Gerade wenn die Altersvorsorge bereits ausreichend sichergestellt ist, kann zur ergänzenden Altersvorsorge auch in risikoreichere Anlagen investiert werden.
Bei Immobilienfonds kann das Risiko eines Totalverlustes geringer als bei anderen Anlagen sein, sodass die Investition in einen Immobilienfonds nicht zu riskant ist.Die Bank hat Herrn Knauer deshalb in diesem Fall nicht falsch beraten. In seinem Fall musste die Altersvorsorge nicht in Anlagen höchster Bonität erfolgen.
Oftmals sind geschlossene Immobilienfonds so ausgestaltet, dass ein Anteilsverkauf schwer oder gar nicht möglich ist. In diesem Fall muss der Berater auf den fehlenden Zweitmarkt hinweisen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Peter Lechner LL.M, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-30-4.
Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Beraterhaftung Kapitalmarktrecht
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Peter Lechner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2015
Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.
Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:
- Beratung und Vertretung von Bankkunden bei allen Fragen hinsichtlich Darlehensverträgen, Kreditsicherheiten, wie beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden und Kapitalanlagen wie z.B. Wertpapiere oder Fonds
- Durchsetzung von Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüchen bei Bankberatungsfehlern, z.B. beim Abschluss von offenen oder geschlossenen Immobilienfonds, Schiffsfonds, Zinsdifferenzgeschäften, Swapverträgen etc.
- Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
- Rückabwicklung von Bankanlageprodukten, die sich im Nachhinein als Verlust erweisen
- Abwehr von Ansprüchen aus sittenwidrigen Angehörigen-Bürgschaften oder Darlehensmitübernahmen
- Abwehr von Forderungen aus unzulässigen Klauseln in Bankverträgen
- Rückabwicklung unberechtigter Gebührenzahlungen an Banken
- Widerruf und Rückabwicklung von Immobiliendarlehen aufgrund fehlerhafter Widerrufserklärungen
- Abwicklung von Leasingverträgen
- Begleitung bei Sanierungen notleidender Finanzierungen
- Unterstützung bei allen Fragen rund um das Girokonto, Sparbuch und dem elektronischen Zahlungsverkehr Wahrung des Bankgeheimnisses und Beanspruchung von Bankauskünften
- Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings
Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:
- Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
- Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
- Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
- Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
- Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
- Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht
Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:
- Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
- Pflichten und Haftung bei der Anlageberatung - Welche Rechte haben Sie gegenüber Ihrer Bank?
- Bankstrategien von Unternehmen – u.a.: Zweibankenstrategie, die passende Bank für Ihr Geschäft
- Die Abrechnung von Leasingverträgen - Was Leasinggesellschaften dürfen und worauf Sie achten sollten
- Der Verkauf von notleidenden Krediten – Was darf Ihre Bank und was nicht
- Datenschutz im Bankrecht – Bankgeheimnis und Bankauskünfte: Wer erfährt was?
Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-26
Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:
Rechtsinfos/ BankrechtRechtsinfos/ Bankrecht/ Bankhaftung