BGH-Entscheidung über die Ersetzung unwirksamer Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen der kapitalbildenden Lebensversicherungen - Auswirkung auf den Rückkaufswert bei Kündigung
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Der Bundesgerichtshof entschied am 12.10.2005 in Fortsetzung zweier Urteile vom 09.05.2001 erneut über die Wirksamkeit der Klauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung. In seinen früheren Entscheidungen erklärte der Bun-desgerichtshof die Klauseln, die die Berechnungsmethode für die Höhe der Beitragsrückzah-lungsansprüche (Rückkaufswert) der Versicherungsnehmer bei vorzeitiger Kündigung der Lebensversicherung zum Gegenstand hatten, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam. Den Klauseln lag das sog. Zillmerverfahren zugrunde. Dieses ist ein versiche-rungsmathematisches Verfahren zur Berücksichtigung von bereits anfallenden, aber noch nicht getilgten Abschlusskosten. Die Kosten der Lebensversicherung werden auf den Anfang der Laufzeit konzentriert. Da die Abschlusskosten in der Regel höher als die ersten Prämien sind, folgt daraus die wirtschaftliche Konsequenz, dass in der Anfangszeit kein Rückkaufs-wert und keine beitragsfreie Versicherungssumme vorhanden ist. Hinzu kommt dass die Ver-sicherer eine Stornogebühr abziehen. Die in dem Transparenzmangel liegende unangemesse-ne Benachteiligung sah dass Gericht darin, dass den Versicherungsnehmern die mit der Bei-tragsfreistellung und der Kündigung insbesondere in den ersten Jahren verbundenen erhebli-chen wirtschaftlichen Nachteile nicht deutlich gemacht worden waren. Im Zuge dessen ersetzten sowohl die von den Urteilen unmittelbar betroffenen als auch die übrigen Lebensversicherungsunternehmen die für unwirksam erklärten Klauseln durch in-haltsgleiche, ihrer Meinung nach nunmehr transparent formulierte Klauseln. Gemäß § 172 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) können unwirksame Klauseln mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders im sog. Klauselergänzungsverfahren er-setzt werden, wenn die Ergänzung zur Fortführung des Vertrages notwendig erscheint. Die für die Lebensversicherungsunternehmen sanktionslose Korrektur der Klauseln im sog. Klauselergänzungsverfahren gemäß § 172 VVG war für zahlreiche Versicherungsnehmer jedoch ein Grund, erneut den Rechtsweg zu beschreiten. Sie sind der Ansicht, dass das Ver-halten der Versicherungsunternehmen nicht rechtmäßig sei, und zwar aus den folgenden Gründen: § 172 Abs. 1 VVG spricht von ,,Lebensversicherung für ein Risiko``. Daher sei das Klauseler-gänzungsverfahren nur auf reine Risikoversicherungen anwendbar, nicht jedoch auf die kapi-talbildende Lebensversicherung. Unabhängig davon sei es nicht möglich, bereits gekündigte Verträge ,,rückwirkend`` zu korrigieren. Schließlich könne eine wegen Intransparenz unwirk-sam erklärte Klausel nicht durch eine ,,inhaltsgleiche`` ersetzt werden. Mit diesen Argumenten musste sich der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz dreier land-gerichtlicher Berufungsurteile auseinandersetzen. Das Gericht kam hierbei zu folgendem Er-gebnis: Die Klauselergänzung gemäß § 172 Abs. 2 VVG ist auf alle Arten von Lebensversicherungen anwendbar und damit auch auf die kapitalbildende. Das Gesetz gibt den Versicherern aus-drücklich das Recht auch ohne Zustimmung der Versicherungsnehmer unter den dort genann-ten Voraussetzungen unwirksame Klauseln zu ersetzen; insbesondere dann, wenn durch die Unwirksamkeit eine ausfüllungsbedürftige Regelegungslücke entsteht, die hinsichtlich der gegenseitigen Leistungspflichten stets gegeben ist. Darin liegt zwar eine Einschränkung der grundrechtlich geschützten Vertragsfreiheit der Versicherungsnehmer. Diese Einschränkung sei aber im Interesse der Rechtssicherheit und der nach § 11 Abs. 2 des Versicherungsauf-sichtsgesetzes gebotenen Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer sachlich gerechtfertigt. Da die Unwirksamkeit einer Klausel zur Folge hat, dass der Vertragsschluss von Anfang an lückenhaft ist, wirkt auch die lückenfüllende Ergänzung der unwirksamen Klauseln auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück, so dass die Klauselergänzung auch entgegen der An-sicht der klagenden Versicherungsnehmer bereits gekündigte Verträge erfasst. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Interessen der Versicherungsnehmer gänzlich unbeach-tet blieben. Die Versicherungsnehmer werden zum einen dadurch geschützt, dass sie die neu-en Klauseln sowohl im Individualprozess als auch im Verbandsprozess gerichtlich überprüfen lassen können. Zum anderen müssen die Voraussetzungen und Wirkungen des § 172 Abs. 2 VVG einschränkend ausgelegt werden. Folge der einschränkenden Auslegung des § 172 Abs. 2 VVG ist, dass die Klauseln jedenfalls nicht durch inhaltlich gleiche – wenn auch transparen-ter formulierte – Klauseln ersetzt werden dürfen. Denn im Ergebnis würde das bedeuten, dass der Verstoß gegen das Transparenzgebot für die Versicherer folgenlos bliebe. Damit wären die für unwirksam erklärten Klauseln faktisch doch wirksam. Diese Form der Auslegung fin-det nach Ansicht der Richter auch im Gesetz eine Stütze. Nach § 174 Abs. 4, 176 Abs. 4 VVG sei der Versicherer zu einem Abzug nur berechtigt, wenn er vereinbart sei. Wenn die Verein-barung wie in diesem Fall unwirksam sei, bestehe kein Anspruch auf einen Abzug. Für die Versicherungsunternehmen ergibt sich daraus, dass die wirksame Ergänzung der regelungs-bedürftigen Klauseln fehlgeschlagen ist, so dass weiterhin eine zu schließende Lücke besteht. Um die Lücke zu schließen legte der BGH einen Mindestbetrag fest, den die Versicherungs-nehmer zurückerhalten müssen. Dieser Mindestbetrag werde bestimmt durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten De-ckungskapitals. Bereits erworbene Ansprüche aus einer vereinbarten Überschussbeteiligung würden dadurch nicht erhöht. Es bleibt abzuwarten wie sich die Entscheidung auf die jüngeren Verträge auswirkt, da weite-re Gerichtsverfahren anhängig sind. Der BGH hat es jedenfalls ausdrücklich offen gelassen, ob auch die neuen Klauseln, die für Verträge nach 2001 verwendet wurden, dem Transpa-renzgebot entsprechen. Bereits jetzt steht fest, dass 10 bis 15 Millionen Altverträge betroffen sind. Nach Angaben des Bundes der Versicherten (BdV) handelt es sich sogar um bis zu 20 Millionen Verträge. Die Versicherungsunternehmen haben damit Rückzahlungsforderungen in Milliardenhöhe zu erwarten.
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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.
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- „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
- "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag
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Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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