Einführung: Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter Geschäftsführern
Mit der Aufnahme einer Beschäftigung entsteht für den Betreffenden prinzipiell die Beitragspflicht zur gesetzlichen Sozialversicherung. Eine abhängige Beschäftigung zieht Sozialversicherungspflicht nach sich, umgekehrt werden selbstständig Beschäftigte davon befreit. Sind aber sogar Geschäftsführer abhängig Beschäftigte im Sinne des Sozialgesetzbuches und somit sozialversicherungspflichtig? Dies kann nur einzelfallbezogen beurteilt werden: Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) ermittelt obligatorisch in einem „Statusfeststellungsverfahren“ die Tatbestandsmerkmale der selbstständigen Tätigkeit, welche die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht bewirken. Die Rechtsprechung hat sich bereits im Jahr 2005 gewandelt: Die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers schließt fortan die Selbstständigkeit nicht mehr generell aus. Heute entscheidet das Gesamtbild der Tätigkeit darüber, ob der Geschäftsführer diese abhängig oder selbstständig ausführt.
Dabei wird mithin das im Geschäftsführervertrag vereinbarte zugrunde gelegt: So indizieren die freie Gestaltung von Arbeitszeit und -einsatz eine selbstständige Tätigkeit. Beispielsweise kann der Vertrag dem Geschäftsführer nämlich explizit erlauben, über Inhalt, Ort und Zeit seines Wirkens frei zu disponieren.
Eine der Kernfragen besteht also darin, ob sich der Gesellschafter in persönlicher Weisungsgebundenheit befindet. Dies kann nicht angenommen werden, wenn der Geschäftsführer seine ausschließlichen Branchenkenntnisse in seine Arbeit einfließen lässt oder er tatsächlich nie Weisungen erhalten hat. Wird der Geschäftsführer darüber hinaus erfolgsabhängig vergütet, trägt er ein unternehmerisches Risiko. Man darf annehmen, dass er ein wirtschaftliches Risiko übernimmt, das hier also gleichgesetzt wird mit dem Einkommensrisiko.
Streitig ist im Einzelnen vor allem, wann ein Gesellschafter-Geschäftsführer durch seine Kapitaleinlagen einen maßgeblichen Einfluss hat bzw. sonst eine selbstbestimmte Tätigkeit im Unternehmen ausführt, die ihn von der Sozialversicherungspflicht befreit. Notwendigerweise bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Zum einen deutet die alleinige Geschäftsführung auf Handlungsfreiheit des Geschäftsführers und somit auf Befreiung von der Sozialversicherungspflicht hin. Weiterhin ist vor allem die Stimmrechtsverteilung bedeutend: Grundsätzlich ist der Einfluss hinsichtlich der Gesellschafterversammlung dann maßgeblich, wenn der Geschäftsführer die Mehrheit der Geschäftsanteile besitzt und somit die Stimmenmehrheit nach § 47 GmbHG innehat. Falls eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, reicht es, wenn der Geschäftsführer ohne seine Zustimmung diese Mehrheit verhindern kann. Führt etwa seine Kapitaleinlage zu dieser Sperrminorität und kann er nunmehr Beschlüsse der Gesellschaft verhindern, ist eine selbstständige Tätigkeit möglich. Auf die tatsächliche Ausübung der Stimmrechte kommt es nicht einmal an. Bedeutsam ist hier, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer möglicherweise sogar Beschlüssen entgegenwirken kann, die sein Arbeitsverhältnis benachteiligen.
Trägt ein Geschäftsführer aber beispielsweise nur 10 Prozent des Gesamtkapitaleinsatzes und übt er zudem mangels Vetorechten keinen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen, so sei hingegen Versicherungspflicht anzunehmen.
Für die Ein-Mann-GmbH ergibt sich aus § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, dass der selbständige Geschäftsführer der Rentenversicherungspflicht unterliegt, wenn die GmbH „im Wesentlichen“ nur einen Auftraggeber hat und keine Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt. Dabei orientiert sich die Beitragshöhe an seinem Einkommen.
Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist im Übrigen verpflichtet, sich innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme seiner Beschäftigung bei der DRB zu melden. Der im ersten Monat nach Aufnahme der Beschäftigung gestellte Antrag auf Statusfeststellung durch die DRB verzögert den Eintritt der Versicherungspflicht. Voraussetzung ist, dass der Beschäftigte sowohl zustimmt als auch während des Entscheidungszeitraums eine eigene Absicherung gegen das Krankheitsrisiko sowie zur Altersvorsorge getroffen hat.
Stellt die DRB Sozialversicherungspflicht fest, werden die rückständigen Beiträge mit den Beiträgen für die Entgeltabrechnung desjenigen Kalendermonats fällig, der auf den Monat folgt, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird. Gegen die Statusfeststellung steht jedem Geschäftsführer ein Widerspruch oder eine Klage offen. Gemäß § 266a I StGB macht sich allerdings strafbar, wer die DRB über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen täuscht oder gar nicht unterrichtet oder dieser Stelle Beiträge vorenthält.
Unberührt davon hat jeder Gesellschafter-Geschäftsführer die Möglichkeit auf Antrag freiwillig im Sinne des § 2 I SGB IV der gesetzlichen Unfall- (§ 6 I Nr. 2 SGB VII), Renten- (§ 7 I SGB VI) sowie Krankenversicherung (§ 9 SGB V) beizutreten, nicht aber zur Arbeitslosenversicherung.
Es muss jeweils individuell und sorgfältig geprüft werden, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Ob der Geschäftsführer als „Kopf des Unternehmens“ agiert, indem er die wesentlichen Geschicke des Unternehmens lenkt, oder in steter Abhängigkeit arbeitet, bedarf der Gesamtwürdigung durch eine Einzelprüfung.
Stand: 2007/10
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