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Leasingrecht - Einführung in das Recht des Leasings – Teil 16 – Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Felix Steengrafe
Diplom-Jurist


7.4. Irrtümer beim Vertragsschluss

Wie bei jedem anderen Vertrag kann auch bei einem Leasingvertrag ein Vertragspartner einem Irrtum unterliegen.
Diese Irrtümer können gegebenenfalls zu einer Anfechtung nach § 142 BGB ff. führen. Hierbei ficht der Irrende die Willenserklärung an, sodass die Willenserklärung nach § 142 BGB von Anfang an (ex tunc) nichtig ist. Es liegen damit keine zwei übereinstimmenden Willenserklärungen und mithin kein Vertrag mehr vor. Eine Rückabwicklung von bereits erbrachten Leistungen erfolgt über das Bereicherungsrecht nach § 812 BGB ff.

7.4.1. Anfechtungsgrund gemäß § 119 Abs. 1 BGB

Ein Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 1 BGB ist gegeben, wenn ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum vorliegt.
Ein Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB besteht, wenn das objektiv Erklärte mit dem subjektiven Willen des Erklärenden übereinstimmt, nicht jedoch mit dem rechtlich Gewollten.

Beispiel:

Der Leasingnehmer LN wollte ein dunkelblaues Auto leasen und wählte die Farbe „Blau“, wobei er davon ausgeht, dass das Blau ein Dunkelblau ist. Tatsächlich ist der Farbton „Blau“ ein Hellblau. Diese Fehlvorstellung stellte sich bei der Übergabe des Autos heraus. Für ein Dunkelblau hätte LN den Farbton „Marine Blau“ wählen müssen. Dass zwischen den Blautönen unterschieden wird, war LN nicht bekannt. Aufgrund dieses Inhaltsirrtums kann LN seine Willenserklärung nach § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB anfechten.

Ein Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 Var. 2 BGB liegt vor, wenn der Erklärende etwas anderes erklärt als gewollt, also beispielsweise im Falle eines Verschreibens.

Beispiel:

Der Leasinggeber LG vertippt sich beim Ausfüllen des Leasingvertrags und gibt als monatliche Leasingrate statt „750,00 €“ „7,50 €“ an. Durch dieses Vertippen hat LG etwas anderes erklärt, als er eigentlich wollte. Es liegt mithin ein Erklärungsirrtum vor, der zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 1 Var. 2 BGB berechtigt.

Wird die Willenserklärung von dem Leasingnehmer angefochten, erfolgt die Rückabwicklung über das Bereicherungsrecht.

Beispiel:

Der Leasingnehmer LN schließt mit dem Leasinggeber LG einen Leasingvertrag über einen Pkw ab. LG verspricht sich jedoch bei den Vertragsverhandlungen hinsichtlich der Typenbezeichnung des Pkw. Der Leasingvertrag soll über einen Ford Fiesta abgeschlossen werden, tatsächlich redet LG aber immer von einem Ford Focus. Nach dem LN der Ford Focus übergeben wurde und der Irrtum auffällt, möchte LN den Pkw aber nicht wieder herausgeben. LG erklärt daraufhin die Anfechtung seiner Willenserklärung. Da LN den Pkw schon von LG übergeben bekommen hat, entsteht ein Rückabwicklungsverhältnis nach § 812 BGB, wodurch LG von LN den Pkw herausverlangen kann und LG gegebenenfalls schon erhaltene Leasingraten an LN zurück bezahlen muss.

Gemäß § 122 BGB besteht ein Schadensersatzanspruch gegen den Anfechtenden. Daher muss zum Beispiel der Leasingnehmer den Schaden, der dem Leasinggeber durch den Kaufvertrag mit dem Hersteller beziehungsweise dem Lieferanten entstanden ist, ersetzen.

Beispiel:

Der Leasingnehmer LN schließt mit dem Leasinggeber LG einen Leasingvertrag über einen Pkw ab. LN möchte einen Audi A1 leasen, kreuzt auf dem Bestellformular aber aus Versehen einen Audi A3 an. Nach dem LN der Audi A3 übergeben wurde und der Irrtum auffällt, erklärt LN daraufhin die Anfechtung seiner Willenserklärung. Ein Leasingvertrag zwischen LG und LN besteht daher nicht mehr. LG hatte den Audi A3 allerdings für einen Betrag in Höhe von 1.000 Euro zu LN transportieren lassen. Diesen Schaden hat LN dem LG nach § 122 BGB als Schadensersatz zu ersetzen.

Liegt eine Anfechtung der Willenserklärung beim Leasingvertrag durch den Leasinggeber vor, erfolgt gegenüber dem Leasingnehmer ebenfalls eine Rückabwicklung mit einer Schadenersatzpflicht gegenüber dem Leasingnehmer.

Beispiel:

Leasinggeber LG und Leasingnehmer LN haben einen Leasingvertrag über ein Pkw geschlossen. In das Vertragsfeld, in dem die Leasingraten einzutragen sind, trug LG aufgrund eines Versehens 5,00 Euro statt 500,00 Euro monatlich ein. Als LG seinen Fehler erkennt, erklärt er die Anfechtung seiner Willenserklärung aufgrund eines Erklärungsirrtums. Damit besteht zwischen LN und LG kein Leasingvertrag mehr. LN hatte aber auf diesen Vertrag vertraut und deshalb Aufwendungen, wie Kosten für Telefonate, Internetnutzung und Briefe, getätigt, welche nun für ihn einen Schaden darstellen und von LG im Wege des Schadensersatzes nach § 122 BGB zu ersetzen sind.

Der Kaufvertrag mit dem Hersteller beziehungsweise dem Lieferanten wird grundsätzlich von der Anfechtung nicht berührt, da formal zwei verschiedene Rechtsgeschäfte vorliegen. Allerdings ist zu beachten, dass der Kaufvertrag nur aufgrund des Leasingvertrags abgeschlossen wurde. Die beiden Rechtsgeschäfte sind daher miteinander verknüpft. Der Leasinggeber möchte den Kaufvertrag nur aufrechterhalten, wenn auch der Leasingvertrag bestehen bleibt. Deshalb sind die beiden Rechtsgeschäfte als ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB zu sehen (Graf von Westphalen, in: von Westphalen, Der Leasingvertrag, S. 233). Aus diesem Grund wird der Kaufvertrag von den Folgen des § 142 BGB erfasst, sodass eine Rückabwicklung des Kaufvertrags nach §§ 812 BGB ff. erfolgt (Graf von Westphalen, in: von Westphalen, Der Leasingvertrag, S. 234).

Beispiel:

Der Leasinggeber LG ficht den Leasingvertrag über ein Auto mit dem Leasingnehmer LN aufgrund eines Erklärungsirrtums in Form eines Verschreibens in dem Feld über die Höhe der Leasingraten erfolgreich an. Da durch diese Anfechtung der Leasingvertrag von Anfang an unwirksam wird, besteht kein Interesse von LG mehr an dem Kaufvertrag über das Auto mit dem Lieferanten L. Deshalb sieht LG nicht ein, warum er den Kaufpreis des Pkw in Höhe von 40.000 Euro bezahlen soll, wenn der Leasingvertrag nicht mehr besteht. Aufgrund der Verknüpfung des Kauf- und des Leasingvertrages sind diese ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB und der Kaufvertrag zwischen L und dem Leasinggeber LG über den Pkw mit einem vereinbarten Kaufpreis von 40.000 Euro wird ebenfalls von den Folgen des § 142 BGB erfasst und ist ebenfalls von Anfang an unwirksam. Das heißt, LG kann das Fahrzeug an L zurückgeben.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Leasingrecht - Einführung in das Recht des Leasings“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kaptalmarktrecht und Felix Steengrafe, Diplom-Jurist, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-26-7


 

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Felix Steengrafe
Diplom-Jurist


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Juni 2014


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