Insolvenzgeld auch für Gesellschafter-Geschäftsführer?
Meldet ein Unternehmen Insolvenz an, sind die Gehälter der Arbeitnehmer bis maximal drei Monate durch Insolvenzgeld gesichert. Doch wie sieht es aus, mit den Gehältern der Gesellschafter, die oftmals auch im eigenen Unternehmen tätig sind. Verlieren sie neben dem in die Gesellschaft investierten Geld auch ihr Einkommen dieser Zeit? Die Antwort ist eine klassisch juristische: es kommt darauf an.
Nachfolgend soll ein Überblick über die Rechtslage bezüglich der Insolvenzgeldberechtigung von Gesellschaftern und Geschäftsführern gegeben werden. § 183 I 1 Nr. 1 SGB III sieht einen Anspruch für inländische Arbeitnehmer vor, wenn:
• ein Insolvenzverfahrens eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgewiesen wurde;
• offene Entgeltansprüche des Antragstellers für die drei dem Insolvenzereignis vorausgegangenen Monate bestehen;
• der Antrag auf Insolvenzgeld binnen zweier Monate nach Eröffnung oder Abweisung des Insolvenzantrags erfolgte (Ausschlußfrist);
• ein Arbeitsverhältnis des Antragstellers mit der Insolvenzschuldnerin vorlag.
Problematisch ist bei Gesellschaftern und Geschäftführern stets das letztgenannte Kriterium, die Arbeitnehmereigenschaft. Hierfür gibt es leider keine abschließende gesetzliche Definition, sondern lediglich von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze - die im hier maßgeblichen Sozialversicherungsrecht auch noch von der arbeitsrechtlichen Einordnung abweichen. Während im Arbeitsrecht der Geschäftsführer nur im absoluten Ausnahmefall Arbeitnehmer ist, geht das Sozialversicherungsrecht von der umgekehrten Regel aus. Hier ist der Fremdgeschäftsführer grundsätzlich Arbeitnehmer.
Die abhängige Beschäftigung eines Arbeitnehmers ist entsprechend § 7 Abs. 1 SGB IV „die nicht selbständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.“ Das entscheidende Kriterium für seine Sozialversicherungspflicht ist die persönliche Abhängigkeit des Gesellschafters von der GmbH und hängt entscheidend vom Umfang seines Einflusses auf die Gesellschaft ab. Maßgeblich ist die Gesamtbetrachtung von gesellschaftsrechtlicher Stellung, Anstellungsvertrag und konkreter Durchführung des Vertragsverhältnisses. Ein besonderes Gewicht kommt dabei dem Umfang der Kapitalbeteiligung am Stammkapital zu. In jedem Einzelfall ist anhand der vom BSG entwickelten Indizien zu prüfen, ob der Gesellschafter - unter Berücksichtigung einer evtl. vorliegenden Geschäftsführerstellung - maßgeblich auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss nehmen kann.
Es sprechen für Selbständigkeit:
• Kapitalbeteiligung von 50 % und mehr
• Sperrminorität
• Wesentliches Unternehmerrisiko durch Teilhabe am Gewinn und Verlust der GmbH
• Entscheidungsverantwortung für wesentliche Funktionen des Unternehmens (Finanzen, Organisation, Personal u. ä.)
• Alleinige und umfassende Branchenkenntnis
• Keine Weisungsunterworfenheit bzw. nur bei außergewöhnlichen Geschäften
• Tätigkeit im Rahmen eines Familienbetriebs
• Urlaubsantritt ohne Genehmigung
Bei Gesellschafter-GF:
• Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot
• Geschäftsführung faktisch wie Eigentümer
Für abhängige Beschäftigung:
• Kapitalbeteiligung unter 50 %
• Keine Sperrminorität
• kein Tragen eines unternehmerischen Risikos
• Festes Jahresgehalt ohne Gewinnbeteiligung
• Keine alleinige Entscheidungsbefugnis für wesentliche Unternehmensfunktionen
• Weiterzahlung der Vergütung im Krankheits- und Urlaubsfall
• Eingliederung in den Betrieb und Weisungsgebunden- und Unterworfenheit bezüglich
• Zeit, Ort und Ausübung der Tätigkeit
• Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
• Urlaubsplanung nur mit Genehmigung
• Urlaubsgeld und Weihnachtsgratifikation
Bei Gesellschafter-GF
• Selbstkontrahierungsverbot
• keine Besonderheit im Rahmen einer Familiengesellschaft
Die aufgezählten Kriterien stellen keine abschließende Liste, sondern lediglich Anhaltspunkte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dar. Abschließend läßt sich festhalten, dass selbst ein Gesellschafter-Geschäftsführer Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sein und damit einen Anspruch auf Insolvenzgeld haben kann, solange er sein Gesellschaftsanteil weniger als 50 beträgt und er nicht über eine Sperrminorität verfügt. Umgekehrt kann ein Fremdgeschäftsführer selbständig sein, wenn er etwa im Familienunternehmen faktisch allein entscheidungsbefugt ist. Es kommt eben darauf an…
Dieser Beitrag ist erschienen in "Mittelstand und Recht" Ausgabe 4/2008
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Stand: Dezember 08
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