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Die Revision der Beklagten ist begründet. |
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Streitgegenständlich sind in der Revisionsinstanz nach der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu ihrem Revisionsantrag und mangels Anschlussrevision des Klägers nur die Fragen, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist und der Kläger die Abgeltung von Überstunden beanspruchen kann. Damit steht insbesondere rechtskräftig fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, das durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2007 zum 31. Dezember 2007 aufgelöst wurde. |
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Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen und der Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben. |
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I. Die Revision der Beklagten ist allerdings nicht bereits deshalb begründet, weil der von ihr geltend gemachte absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nach § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG vorläge. Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ist unbegründet. |
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1. Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts ist unverzichtbar, so dass entgegen der Auffassung des Klägers ein mögliches Einverständnis der Beklagten mit der Besetzung der Richterbank in der letzten Berufungsverhandlung am 19. März 2010 unerheblich ist. |
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2. Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Die Norm umfasst auch diejenigen Fälle, in denen über die Rechtsstreitigkeit andere Richter entscheiden als die gesetzlich Berufenen (BAG 9. Juni 2011 - 2 ABR 35/10 - Rn. 16, NJW 2011, 3053; 26. September 2007 - 10 AZR 35/07 - Rn. 11, AP ZPO § 547 Nr. 7; 16. Mai 2002 - 8 AZR 412/01 - zu II 3 der Gründe, BAGE 101, 145 - jeweils mwN). Aus dem verfassungsrechtlichen Verbot, einem Verfahrensbeteiligten den gesetzlichen Richter zu entziehen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt, dass die Rechtsprechungsorgane nicht anders besetzt werden dürfen als es in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne vorgesehen ist. „Gesetzlicher Richter“ bedeutet, dass sich der für die einzelne Sache zuständige Richter im Voraus eindeutig aus einer allgemeinen Regelung ergeben muss. Kennzeichnung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters ist die normative, abstrakt-generelle Vorherbestimmung des jeweils für die Entscheidung zuständigen Richters (BAG 20. Juni 2007 - 10 AZR 375/06 - Rn. 16, AP ZPO § 547 Nr. 6 = EzA GG Art. 101 Nr. 8; 26. September 1996 - 8 AZR 126/95 - zu A I der Gründe, BAGE 84, 189). |
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3. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die von der Beklagten gerügte Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters R an der angefochtenen Entscheidung entspricht dem Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg für das Geschäftsjahr 2010 (im Folgenden: GVPl.). Nach dessen Ziff. 7.1 Satz 3 war zwar zunächst aufgrund der in der Berufungsverhandlung vom 31. Juli 2009 erfolgten Beweisaufnahme die ehrenamtliche Richterin W zu den Fortsetzungsterminen heranzuziehen. Dementsprechend nahm Frau W an der Berufungsverhandlung am 20. November 2009 teil, die mit dem Beschluss endete, Termin zur Verkündung einer Entscheidung werde auf den 18. Dezember 2009 bestimmt. Diesen Verkündungstermin hob die Kammervorsitzende mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 auf. Am 5. März 2010 erließ die vollbesetzte Kammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterin W den am selben Tag verkündeten Beschluss, die mündliche Verhandlung am 19. März 2009 fortzusetzen. Nachdem die ehrenamtliche Richterin W sich für diesen Termin für verhindert erklärte, wurde statt ihrer der ehrenamtliche Richter R herangezogen. |
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Diese Verfahrensweise steht im Einklang mit Ziff. 7.2 GVPl. Danach sind bei Verhinderung ehrenamtlicher Richter und Richterinnen an der Wahrnehmung einer Sitzung, eines Fortsetzungstermins oder eines für diesen anberaumten Ersatztermins der festgelegten Reihenfolge nach noch nicht zu nachfolgenden Sitzungen eingeteilte ehrenamtliche Richter und Richterinnen heranzuziehen. Für die Anzeige einer Verhinderung durch den ehrenamtlichen Richter oder die ehrenamtliche Richterin ist deren förmliche Ladung nicht erforderlich. Das gilt umso mehr, als im Streitfall der ehrenamtlichen Richterin W durch ihre Mitwirkung an dem Beschluss vom 5. März 2010 der anberaumte Fortsetzungstermin schon vor einer förmlichen Ladung hierzu bekannt war. |
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II. Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen hat. Der Kläger kann eine Nettovergütung für diesen Zeitraum nicht beanspruchen. |
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1. Zwischen den Parteien steht in der Revisionsinstanz außer Streit, dass dem Kläger für die Monate Oktober bis Dezember 2007 Vergütung nach § 611 Abs. 1 BGB für geleistete Arbeit und im Übrigen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 BGB) zusteht. Eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die vereinbarte Vergütung in Höhe von 3.000,00 Euro monatlich als Nettovergütung zu zahlen, besteht jedoch nicht. |
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a) Eine solche ergibt sich nicht aus den Vereinbarungen der Parteien. Eine ausdrückliche Nettolohnvereinbarung wurde von ihnen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getroffen. |
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b) Eine Nettolohnabrede folgt auch nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind. Unbeschadet der - vom Landesarbeitsgericht bejahten - Frage, ob die Parteien eine Schwarzgeldabrede getroffen haben, beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf das Sozialversicherungsrecht und erstreckt sich nicht auf das bürgerlichrechtliche Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 301/09 - Rn. 13 ff., BAGE 133, 332; ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 475; DFL/Kamanabrou 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 228; Palandt/Weidenkaff 70. Aufl. § 611 BGB Rn. 51; Arnold ArbR Aktuell 2010, 322; Steenfatt BB 2010, 1992). Das ergibt eine systematische Auslegung der Norm, deren Ergebnis durch den Zweck und die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestätigt wird (Fußnote). |
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Die Befürchtung des Klägers, ein solches Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV schaffe für Arbeitgeber Anreize zur Schwarzarbeit, ist unberechtigt. Neben seiner Strafbarkeit wegen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB muss der Arbeitgeber die Nachentrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegenwärtigen, in der Regel ohne (volle) Rückgriffsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer, § 28e Abs. 1 Satz 1, § 28g Satz 3 SGB IV. |
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Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht auch nicht in Widerspruch zu der des Bundesgerichtshofs. Dieser versteht § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ebenfalls (nur) als sozialversicherungsrechtliche Berechnungsgrundlage des Arbeitsentgelts in einem illegalen Beschäftigungsverhältnis, die er im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB bei der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge anwendet (BGH 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 - Rn. 12 ff., BGHSt. 53, 71). Der vom Kläger angeregten Vorlage an die Vereinigten Großen Senate beim Bundesgerichtshof (§ 132 Abs. 1 Satz 2 GVG) bedurfte es schon deshalb nicht, weil das Bundesarbeitsgericht - anders als das Reichsarbeitsgericht, das als besonders besetzter Senat des Reichsgerichts konzipiert war (vgl. GMP/Prütting 7. Aufl. ArbGG Einl. Rn. 14) - ein eigenständiger oberster Gerichtshof des Bundes (Fußnote) ist. |
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2. Der Kläger kann die vereinbarte Vergütung von 3.000,00 Euro monatlich, die auch dann wirksam vereinbart ist, wenn die Parteien - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - eine Schwarzgeldabrede getroffen haben (Fußnote), nur als Bruttovergütung beanspruchen (Fußnote) |
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3. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die vorläufige Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils durch den Kläger bewirkt nicht die materiell-rechtliche Erfüllung des Vergütungsanspruchs und führt bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht zur endgültigen Tilgung nach § 815 Abs. 3, § 819 ZPO (Fußnote). |
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4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. |
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III. Die Revision der Beklagten ist auch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überstundenvergütung. |
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1. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält weder eine positive noch eine negative Regelung zur Vergütung von Überstunden. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kann deshalb nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. |
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Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch nicht (Fußnote). Die Vergütungserwartung ist deshalb stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme (Fußnote). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt. |
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2. Aus dem Sachvortrag des Klägers lässt sich das Bestehen einer Vergütungserwartung nicht begründen. Anders als im „Normalarbeitsverhältnis“ sind die Vertragsbeziehungen der Parteien im Streitfall dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger neben dem Arbeitsverhältnis als Büroleiter, in dem er für eine bestimmte Wochenarbeitszeit eine gleichbleibende monatliche Vergütung erhalten sollte, damit betraut war, Versicherungsverträge für die Beklagte unabhängig von dem dafür benötigten Zeitaufwand auf Provisionsbasis zu vermitteln. Dabei waren die unterschiedlichen Vergütungsregelungen folgenden Tätigkeiten arbeitszeitlich nicht strikt getrennt, sondern ineinander verschränkt. Der Kläger durfte nach Buchst. d des Nachtrags zur Zusatzvereinbarung (Fußnote) während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Außendiensttätigkeiten sollten zwar nach der Arbeitszeit als Büroleiter erfolgen, konnten aber unter Verrechnung auf diese während der „regulären Arbeitszeit“ durchgeführt werden, Buchst. b und Buchst. c des Nachtrags. Damit wird deutlich, dass es den Parteien nicht auf eine strikte Trennung der unterschiedlich vergüteten Arbeitsbereiche ankam. Der Kläger durfte ohne zeitliche Begrenzung während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Bei einer derartigen Verschränkung arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergüteter Arbeits- bzw. Dienstleistungen lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden im arbeitszeitbezogen vergüteten Arbeitsbereich nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen. Fehlt es daran, kann eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart ist. |
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3. Besondere Umstände für eine Ausnahme von dieser Regel hat der Kläger nicht vorgebracht. Die geplante Tätigkeit als Geschäftsführer unter Beteiligung als Minderheitsgesellschafter an der beklagten GmbH spricht eher gegen eine Vergütungserwartung iSv. § 612 Abs. 1 BGB. Anhaltspunkte für eine die Auffassung des Klägers stützende entsprechende Verkehrssitte hat der Senat nicht. Dieses Ergebnis bestätigt das Verhalten des Klägers, der der Beklagten bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses Überstunden aus seiner Büroleitertätigkeit weder in Rechnung gestellt noch sonst geltend gemacht hat. |
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IV. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Nach § 92 Abs. 1 ZPO haben der Kläger von den Kosten der Berufung 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen. |
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